Zum Tag der Muttersprache: Mit der Mundart stirbt die Seele

11 filmregisseur marcus h rosenmueller und sepp obermeierEin bayerischer Winter ohne Schnee, eine bayerische Heimat ohne Mundart - ist der Sprachwandel ebenso unvermeidbar wie der Klimawandel?

Wird der heutige Tag der Muttersprache bald zum Gedenktag?

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Sepp Obermeier übergibt die "Sprachwurzel 2013" an Filmregisseur Marcus Rosenmüller

Nach wie vor gilt: Bairisch kann nur überleben, wenn alt und jung jeden Tag selbstverständlich so sprechen, wie ihnen der Dialektschnabel gewachsen ist. Und das auch und gerade bei offiziellen Anlässen und in den Medien. Aber da hapert es ganz gewaltig. Man hat das Bayerische Fernsehen in anderen Bundesländern vierzig Jahre lang für die selbstbewusst geflochtenen mundartlichen Argumentationsgirlanden der Bürger und Kommunalpolitiker in der Sendung „Jetzt red i" beneidet. Aber jetzt hat sich dort überall der pseudophysikalische Wahn durchgesetzt, dass die Mikrofone nur standarddeutsche Schallwellen übertragen können.

Auch die politischen Neujahrsempfänge der vergangenen Wochen waren trotz familiärer Atmosphäre geprägt von kühlem Nordsprech und herzlicher Dialektverleugnung. Bezeichnend für den sprachlichen Minderwertigkeitskomplex unserer größtenteils bairischen Medaillenträger und -hoffnungen im olympischen Kaukasus sind deren Interviews. Maria Höfl-Riesch, Natalie Geisenberger, Felix Neureuther & Co. könnten auch im „nich, nee, nö"-Wettbewerb mühelos Gold und Silber erringen. Wenn sie wenigstens „nach der Schrift" reden würden statt des Nordjargons! Wenn ein Bayer bei Olympiasiegern Bairisch hören will, den berüchtigten „Originalton Süd", dann muss er den österreichischen Medaillenburschen und –madeln (deren Englisch im Sender CNN ebenfalls medaillenwürdig ist) und zum Kärntner Fernsehmoderator des ORF, Armin Assinger, umschalten, der mit seinen legendären Kultreportagen auf Südbairisch für Furore sorgt. Wir vom Bund Bairische Sprache hatten Assinger bereits 2009 den Sprachpreis „Die Bairische Sprachwurzel" verliehen und sehen dies mit einem lachenden und weinenden Auge!

In der Schweiz rangiert die dialektale Ebene sogar auf Nobelpreisträger-Niveau, wie Fernsehinterviews des Chemie-Nobelpreisträgers Prof. Dr. Kurt Wüthrich im reinsten schwyzerdütschen Basisdialekt dokumentieren. Dazu gehört dort auch ein politischer Wille, wie ihn die Stadt Biel (frz. Bienne) seit acht Jahren erfolgreich umsetzt. Als größte zweisprachige Stadt der Schweiz („Stadt der Kommunikation") sind in der Geschäftsordnung des Stadtrats Wortmeldungen auf Französisch, Standarddeutsch und auch im Dialekt offiziell zugelassen. Die schwyzerdütsche Option hat mittlerweile mit einer 80-prozentigen Akzeptanz der Standardsprache den mündlichen Rang abgelaufen.

Das wäre für Bayerns Gemeinde-, Stadt- und Kreisräte, die in einigen Wochen neu gewählt werden, eine erste gesellschaftlich aufwertende Maßnahme, die man zum Nulltarif umsetzen könnte. Zurück zur Zukunftsprognose vom Beginn: Wenn hierzulande die Dialektvermeidung zur Normalität wird, in der jungen Generation der Dialekttod grassiert und Bayern zu einem Land der sprachlichen und damit kulturellen X-Beliebigkeit wird, dann hat es seine Einzigartigkeit, seine Seele verloren.

Österreich und die Schweiz mit den dorthin abgewanderten Touristenströmen werden es uns beglückt danken. Felix Austria! Felix Helvetia!


Der Autor ist Vorsitzender des Bundes Bairische Sprache e. V. Er lebt in Gossersdorf (Kreis Straubing-Bogen)


 

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