Thurmloch und Widder gehörten schon in meinen Bubentagen zusammen . . .
. . . und die Erinnerung hat dies bis heute nicht ausgelöscht.
Thurmloch und Widder gehörten schon in meinen Bubentagen zusammen, und die Erinnerung hat dies bis heute nicht ausgelöscht. Die Größeren haben mich damals mitgenommen zu den guten Schwammerlplätzen, sind dann immer auch dem dumpfen Pochen nachgegangen, haben den Blechdeckel über dem gemauerten Schacht angehoben und eine Weile dem Schlagen und Spritzen zugeschaut. Und ich erfuhr, daß dies „a Wieda” sei, der dem Daschner von Hermannsberg das Wasser hinaufpumpt. Mehr wussten sie auch nicht, und ich hätte es wohl auch nicht verstanden. Dies erfuhr ich erst Jahre später - aus einem Physikbuch, und es wunderte mich, dass das Ding tatsächlich „Widder” hießt, „Hydraulischer Widder”.
Bis ich erneut mit Widdern zu tun bekam, sollten Jahrzehnte vergehen. Der Brembeck Sepp hatte etliche von den inzwischen ausgedienten Widdern im Heimatmuseum aufgestellt und sich eine Beschreibung gewünscht. Was anders, als dass mir das Thurmloch vorschwebte, und dass sich damit auch Technisches und Heimatkundliches verbanden. Was hier an Wassern zusammenkommt aus Gräben und Quellen, von der Hermannsberger und Miethinger Seite, wie von der Zackenberger und Höflinger Seite her, das ist in keinem anderen Gemeindeteil so eindrucksvoll. Wie treffend zeichnet da das waldlerische „Loch” die Situation des tief eingeschnittenen, steilwandigen, walddunklen Engtals.
Der Vorname „Thurm” macht es uns nicht so leicht, zumal die Mitterfelser immer nur „Thurnloch” sagen. Aus Messtischblatt und Flurnamenkataster ersehen wir, dass das „Thurmloch” planmäßig parzelliert ist (Pl. Nr. zwischen 157 und 178), und dass die meisten Parzellen den gleichen Namen verwenden: neun heißen einfach „Im Thurmloch”, eines „Oberes Thurmloch”, sechs „Thurmlochgarten”. Nun heißt es zu deuten: Es handelt sich um einstige Pflegsgründe des Pfleggerichts Mitterfels, also zum Schloss = „Thurm” gehörig; der „Thurmgarten” könnte ein forstlich genutzter Pflanzgarten gewesen sein; die Parzellierung mag aus der Zeit stammen, als (nach Aufhebung und Umwandlung des Pfleggerichts 1799) alle Pflegsgründe versteigert wurden und so viele Kleinlandwirte zu einem Waldstreifen oder einem schmalen Bachwiesl gekommen sind.
Für die Hermannsberger auf der Höhe war Wasser eine Kostbarkeit. Haus Nr. 1 (Haimerl/Paukner/Kusser) hatte nur einen „Schwitzbrunnen” ohne Quellfluss und etwas tiefer eine kleine Hilm, gleichfalls in Trockenzeiten „trocken”; dann wurde mit Fuhrwerk und Holzfass das Wasser vom tiefen Grabenloch heraufgeholt. Erst Familie Kusser hat eine elektrische Pumpe bei einer guten Quelle am Hang eingebaut.
Haus Nr. 2 (Daschner/Neidl): Zum Haus gehörte der eingangs beschriebene Widder. Die Quelle liegt weit unten, wo ganz in der Nähe der Kohlhamer und der Miethinger Graben zusammen kommen und kurz danach das Thurmloch erreichen. Heute wird die Anlage elektrisch betrieben.
Haus Nr. 3 (Dengler/Schumann/Uekermann): Der Brunnen war zu unsicher, daher gab es auch hier einen Widder bei der Quelle (mit kleiner Hilm) in der tiefen Hangmulde, die vom Gehöft aus einzusehen ist. Das Wasser von dort läuft dem Thurmloch zu. (Heute eine elektrische Pumpe.)
Haus Nr. 4 (Schmeißl): Der Hof hatte ein „laufendes Wasser” aus der Quelle beim Pointhölzl, darüberhinaus hatte er eine handgetriebene hölzerne Wasserförderung aus einer anderen Quelle - „bis sie kaputt ging”. (Heute zusätzlich eine elektrische Pumpe; Hermannsberg hat erst seit 1957 elektrischen Strom!)
Ein dritter Widder stand nur wenige hundert Meter bachabwärts beim Auhof, wo der „Thurmlochgraben” auch wirklich „Aubach” heißt. Ein vierter Widder stand weiter bachaufwärts, wo unser „Thurmlochgraben” noch „Miethinger Bachl” genannt wird. Er versorgte den Miethinger Hof aus einer guten Quelle, die in der Mulde zwischen Großer Leithe und Kühholz austritt.
Mit Bildern und Skizzen können wir uns den Widder und seinen Einbau vorstellen. Am meisten erstaunt seine einfachste Technik, durch die sich das Wasser selbst den Berg hinaufpumpt. Es gibt im Gerät nur zwei abwechselnd schlagende Ventile, es gibt kein Drehen, keine Reibung, kein Schmieren und Ölen. Erfunden wurde dieser „Stoßheber” schon vor 200 Jahren durch die französischen Brüder Montgolfier.
Erstaunlich ist auch die Leistung: Die Steighöhe des geförderten Wassers beträgt bis das Zwanzigfache der Fallhöhe des Zulaufs. Die Fördermenge beträgt bis zu 15 % - die anderen, fortlaufenden 85 % liefern die „Energie”. - Bliebe zuletzt nur noch eine Erklärung für den so „tierischen” Namen. Ich denke, daß es die Pochschläge sind, die sich anhören, als würden zwei harte Schafbockschädel gegeneinander prallen.
Widder um Mitterfels
Von links: Der vereiste Thurmlochgraben an seiner schönsten Stelle: beim „Wasserfall” - Verborgen hinter Gestrüpp: der „Schwitzbrunnen” (ohne Quellfluss) bei Paukner (Kusser) unter dem ziegelgedeckten, nun verfallenden Holzschüpferl - Die wieder gefasste Dengler-Quelle (beim Betonrohr über der kleinen Hilm)
Von links: Am Steilhang die neu gefasste Quelle mit el. Pumpe (Kusser) - Die tiefe Mulde mit der guten Quelle oberhalb der kleinen Hilm: früher mit Widder für Dengler, heute mit el. Pumpe für Uekermann
Noch tiefer sammelt ein Weiher die Quellwasser und führt sie dem Thurmloch zu.
Quelle: Franz Wartner (Text und Fotos) - Mitterfelser Magazin 2/1996, S. 82f
>>> Originalformat als PDF-Datei. Öffnen durch Klick auf PDF-Icon!