"Super-Sommer 2003"

Oktober2018 02 n

Prekäre Situation für die Schiffahrt auf dem Unterlauf des Rheins bei Düsseldorf; August 2003

Bei außergewöhnlichen Witterungsverläufen und extremen Wetterkatastrophen sind die Meteorologen und Klimatologen gefragte Interviewpartner. Sie äußern sich dann über . . .

. . .   Ursa­chen und Auswirkungen der globalen Klimaänderung, die der Leiter des Instituts für Klima­forschung in Garmisch-Partenkirchen, Prof. Dr. Wolfgang Seiler, bis zu 70 Prozent dem Treibhauseffekt zurechnet. Er zeigte sich sehr besorgt über die Folgen einer langfristigen Klimaänderung. Prof. Seiler führte bei einem Interview mit Ralf Müller, Straubinger Tagblatt, aus, dass das Wettergeschehen mit dem „Super-Sommer 2003“, der Juni war der trockenste seit 100 Jahren, genau in die Vorhersagen der Klimamodelle passe. „In den letzten 20 Jah­ren nahm die Temperatur in Süddeutschland im Jahresmittel um etwa ein Grad Celsius zu.“

Unleugbar, der Sommer 2003 hat sich als Jahrhundertsommer einen Namen gemacht. Als wahrer „Rekordbrecher“ wird er wetterhistorisch immer wieder Erwähnung finden, aber auch sonst als ein herausragendes Wetterereignis nachhaltig in Erinnerung bleiben. Alles begann Ende Juli, Anfang August mit der Entwicklung einer Wetterkonstellation, die in der Fachspra­che der Meteorologen „Omega-Lage“ heißt, benannt nach der Form des griechischen Buch­stabens „Omega“. Dieses Hoch, dem die Meteorologen den Namen „Michaela“ gaben, wurde von zwei flankierenden Tiefs am Weiterziehen gehindert. Es blieb über 14 Tage ortsfest über dem Norden Mitteldeutschlands positioniert und konnte sich so zu einer ausgesprochenen Hitzequelle entwickeln. Am 13. August, dem vorletzten Tag von „Michaelas“ Wirken, wurden im Saarländischen Perl-Nenning 40,3 °C gemessen, die höchste Temperatur seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahre 1881 in Deutschland. Am selben Tag übersprang am Mess­platz Mitterfels die Quecksilbersäule die 35-Grad-Marke, das Maximum betrug 35,2 °C. Kurz vor dem Ende der Hitzewelle hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) am selben Tag noch einmal einen nächtlichen Wärmerekord auf dem 500 Meter hohen Weinbaugebiet oberhalb von Neustadt an der Weinstraße mit 27,6 °C gemessen.

Prekär war die Lage an den Flüssen; die Pegel sanken und sanken. Im Internet fand sich dazu folgende Information. „In Schönebeck bei Magdeburg ist die Elbe nur noch 70 cm tief. Daher tauchte dort wegen des niedrigen Wasserstandes der ‚Hungerstein‘ auf. Sein Erschei­nen war vor langer Zeit ein Anzeichen dafür, dass die Schifffahrt eingestellt werden musste, den Familien der Schiffer stand eine Hungerszeit bevor.“ Der Donaupegel Straubing wurde am 05.08. mit 115 cm angegeben, das war noch nicht der Niedrigststand. Dieser wurde in der Nacht vom 14. auf den 15. August mit 97 cm erreicht.

Mit diesen Angaben durfte die Kladde noch nicht geschlossen und zum Alltagsgeschäft der Wetterbeobachtung und -dokumentation übergegangen werden. So machte der „Ausreißer-Sommer“, wie er von den Meteorologen auch genannt wurde, deutlich, dass extreme Aus­schläge beim Wetter die „Anzeige“ vom grünen in den roten Bereich zu steuern vermögen; alle Jahreszeiten im Beobachtungszeitraum waren hiervon schon betroffen. Die anfängliche Euphorie über den „Super-Sommer“ mit einem mediterranen Flair fand vor allem dort ihr Ende, wo die negativen Auswirkungen immer offensichtlicher wurden. Genannt seien hier schwerpunktmäßig die Probleme, die sich aus lang anhaltender Trockenheit und Dürre für die Land- und Forstwirtschaft, die Wasserwirtschaft und die Schifffahrt ergaben. Aus medizi­nischer Sicht muss der Hitzestress angesprochen werden, unter dem vor allem ältere und kranke Menschen zu leiden hatten. Wie viele durch die zusätzlichen Belastungen ihr Leben verloren haben, wird sich gesichert nicht erfassen und verifizieren lassen.

Der Anstieg der Todesrate beim genannten Personenkreis aber ist statistisch nachgewiesen, mit einem besonders gravierenden Verlauf in Frankreichs Hauptstadt. Eine Zahl von bis zu 10.000 Hitzeopfern allein in Paris wurde publiziert. Sven Plöger schreibt in diesem Zusam­menhang: „Dann kam der 11. August, der ‚schwarze Montag‘. Insgesamt 3.000 Pariser star­ben innerhalb von 24 Stunden an Kreislaufversagen und Dehydrierung.“ Enorme Probleme durch dieses apokalyptische Sterben innerhalb weniger Stunden waren die Folge. Die Kapa­zitäten in den Krankenhäusern, Leichenhallen und Bestattungsunternehmen reichten einfach nicht aus, um die vielen Toten sachgerecht und würdig zu lagern und zu bestatten. Europa­weit wurde mit 70.000 Toten durch den „Super-Sommer 2003“ gerechnet.

Der renommierte Klimaforscher Prof. Dr. Wolfgang Seiler, rechnet mit einem weiteren Tem­peraturanstieg in den nächsten 30 Jahren um bis zu zwei Grad durchschnittlich. Fest steht, dass es solch einen „Super-Sommer“ seit Beginn amtlicher Wetterbeobachtung in Deutsch­land (Wetterstation des Deutschen Wetterdienstes seit 1781, Hohenpeißenberg) noch nicht gegeben hat.

Quellen:

1)  Sven Plöger, Wo unser Wetter entsteht, Eine meteorologische Reise, 2016

2)  Alfred Schindler, Wetter um die Jahrtausendwende zwischen Gäu und Wald, 1998 bis  2004