Menschen aus unserem Raum, die Geschichte schrieben (2): Johann Michael Gschray

 

Gschray02

Einem Zeitungsberticht der 1940er Jahre ist diese angebliche Darstellung Gschrays entnommen. - Vergrößern durch Anklicken!

Da lach‘ ich mir den Buckel voll!

Johann Michael Gschray: Vom Schergenknecht zum Generalmajor

Gschray01

 

In Schrobenhausen war die immer freundliche Grünzeughändlerin Barbara Gschrei mit ihrem Stand vor der Rathausapotheke eine Institution. Die Gschrei zählen zu den am längsten in Schrobenhausen ansässigen Geschlechtern. Schon 1468 war ein Gschray/Gschrey/Gschrei (** sh. Anmerkungen!) als einer von vier ehrbaren Obermeistern der Schneiderzunft mit Nadel, Faden, Schere und Elle am Werk gewesen.

Das Gemälde aus einem Zeitungsbericht der 19er Jahre soll Johann Michael Gschray zeigen. 

 

Josef Gschrei (*1898 - 1975 ), der Ehemann der Gemüsehändlerin und Standlfrau Barbara (1987), aber auch die am 14. Juni 2002 in Thonlohe gestorbene Walburga Gschrei, Monheims „Eisenmann” Franz Gschray, der 1737 mit Zustimmung des Bürger­meisters und Magistrats um ein Stipendium für seinen Sohn Franz Wilhelm bat, damit dieser Theologie (mit dem Ziel, Priester zu werden!) studieren könne, der 1793 urkundlich genannte Saalfeldener „Chirurgus Mathias Gschray” und der New Yorker Augenarzt der Rochester Area (4084 W. Henrietta Road, 716-334-1550) waren oder sind (teils angeheiratete) Verwandte oder Nachfahren eines Gschray, der mit Pistole, Muskete und Säbel hantierte, ein Schlitzohr und Intrigant, Betrüger, Verleumder und Säufer bar jeder Moral, reich geworden und hoch gestiegen, durch eigene Schuld verarmt und tief gefallen.

 


  Johann Michael Gschray - Glücksritter, Haudegen, Freikorpsführer - verlor Mitterfels nie ganz aus den Augen.


Johann Michael Gschray hieß dieser Glücksritter, Haudegen und Freikorpsführer, der während des Österreichischen Erbfolgekrieges (1740 - 1748) wie der fürchterliche Panduren-Oberst Franz Freiherr von der Trenck und der abenteuerliche Marschall Nikolaus Graf von Luckner (der ihm einst auf der brennenden Holzbrücke in Donauwörth und später noch einmal bei Ismaning das Leben gerettet hatte!) landauf landab zwischen Donau, Inn und Rhein Angst und Schrecken, Mord und Totschlag verbreitete, Feuer und Not in Häuser und Hütten trug.

Diesen Gschray kennen die wenigsten Schrobenhausener und kaum ein Mitterfelser, obwohl deren einst größtes Pfleggericht Bayerns zur Bühne jener teils unmoralischen, teils strafwürdigen Taten wurde, die ihn letztlich aus Bayern vertrieben. Gschray, der ein so zu sagen außerobrigkeitliches Regime der entfesselten Schergen errichtete und Jahrzehnte unterhielt, verlor Mitterfels nie ganz aus den Augen. Wozu beitrug, dass die Schergen, darunter einige aus dem großen Mitterfelser Gericht, denen er durch die Anwerbung als Soldaten in seinen Freikorps den Weg in die Ehrenhaftigkeit ebnete, ihm noch dankbar anhingen, als Gschray Bayern längst verlassen und auf dem Steilweg ins Elend war. Sie, die mit der Aufnahme in den deutschen, französischen, preußischen oder bayerischen Soldatendienst nach kaiserlichen, königlichen oder kurfürstlichen Erlassen ehrbar geworden waren, konnten ihm nicht helfen, als er in materielle Not geraten war.

Gschray ist in ganz Bayern vergessen und hätte doch trotz einiger Straftaten an seinen Dienst- und Wohnorten Mitterfels, München, Augsburg, Straßburg und Nordhausen wie sein Spezl aus gemeinsamen Dienstjahren in Mitterfels, Johann Kaspar Thürriegel, das Zeug und alle Möglichkeiten gehabt, sich als aller Ehren wert im Gedächtnis der Nachwelt zu verewigen.


Wer war dieser ruhelose Johann Michael Gschray?


Wer war dieser ruhelose Johann Michael Gschray, der zum eigenen Vorteil bedenkenlos Herren und Fronten wechselte; der als Gefängniswärter begann, in Bayern zum Oberstleutnant, in Frankreich zum Oberst, in Preußen zum Generalmajor avancierte, spätestens damit, wenn nicht schon früher in Frankreich geadelt und im Preußendienst mit Grundbesitz wirtschaftlich abgesichert war, aber als Almosenempfänger endete? Der kaum schreiben und lesen konnte, umso trefflicher aber ritt und zielsicher schoss.

Wer war dieser baumlange, breitschultrige, bärenstarke, jähzornige Mann mit den stechenden grauen Augen, mit dem zottig herunterhängenden, stets pechschwarz gewichsten Schnurrbart im früh schon ausgeprägten Säufergesicht?

Gschray03Umfangreiches Schrifttum1 und Archivakten ergeben folgendes Bild:

Hier in Monheim wurde Gschray geboren, seine Familie war dort rund 50 Jahre ansässig.

 

 

Als Sohn und Enkel kurpfälzisch neuburgischer Landsknechte und späterer „Eisenamtmänner” (Schergen am Pfleggericht), die aber nur zwischen 1699 und 1743 in Monheim urkundlich nachgewiesen sind, wurde Johann Michael Gschray 1692 (nach eigenen Angaben), in Wahrheit 1701 (so J. Weiß und die von Stadtarchivar Dr. Lothar Gräser und seiner Mitarbeiterin Seibold beschaffte Urkunde, die seine Taufe am 15. August 1701 belegt) im fürstlich-neuburgischen Monheim geboren.

Der brutale, egoistische Vater ließ die kinderreiche Familie oft hungern, eine Stiefmutter verleidete dem Buben das Leben. In Weidenberg bei Bayreuth betätigte sich der 17-jährige Gschray als Knecht eines Eisenamtmanns, wechselte dann nach Schierling bei Regensburg. Dort heiratete der 22-Jährige des Vorgängers Witwe und mit ihr das (in der Öffentlichkeit zutiefst verachtete) Amt.


“Eisenamtmann” J. M. Gschray - nach Mitterfels strafversetzt


Gschray zelleSchon in Schierling traten die miserabelsten Charaktereigenschaften Gschrays klar zu Tage: Er lebte mit dem niedrigen, aber sicheren Amtsge­alt in Saus und Braus, vergriff sich in tiefer Überschuldung alsbald an der Gerichtskasse und hernach, um dies zu vertuschen, am väterlichen Erbe der vier Kinder seiner Frau aus deren erster Ehe. Sein Glück war, dass er nur strafversetzt wurde. Doch der neue Dienstort Mitterfels war ungünstig für ihn. In dem sehr großen Amt kontrollierten korrekte Vorgesetzte und viele Kollegen den ungehobelten Mitarbeiter.

Als Mitterfelser Eisenamtmann war J. M. Gschray für das Gefängnis zuständig. Heute ist es Teil des Heimatmuseums; eine Zelle ist unverändert belassen.

 

Auch in Mitterfels (seit 1739 in Deg­gendorf) war er Gefängniswärter und Hungerturm-Verwalter. Und wie schon sein Vater und später er selbst in Schierling setzte er auch hier seine exzessive Sauferei fort. Seine Spielsucht bekam er nie in den Griff. Bald wurden Gaunerstückl auf der Kegelbahn und sein Spiel mit gezinkten Karten angezeigt. An Markttagen in Straubing hatte er Bauern auf die Kegelbahn gelockt und mit Kugeln werfen lassen, die er durch versteckte Bleieinlagen manipuliert hatte. So zog er einmal einem Bauern 80 Gulden aus der Tasche - für solche Summen gab’s im Mitterfelser Land ein einfaches Haus!

Gschray wurde zum Synonym für Egoismus, betrügerische und korrupte Beamte und für eine verachtenswerte Verwaltung. Sein Vorgesetzter, Pflegsverwalter Johann Thomas Yberle, den er übelst beschimpfte und zu prügeln drohte, ließ ihn nach Deggendorf strafversetzen. Die gering bezahlte Stelle dort bekam er nur dank einer Intervention des Straubinger Regierungsbeamten Bauer, dem Gschray billige Kutschpferde beschafft hatte.

1739 meldete Gschray sich freiwillig als Soldat. Weil die Arbeit des Schergenknechts als „unehrliches Gewerbe” verachtet war, trieb ihn der Oberst eines Dragonerregimentes in München aber mit der Reitpeitsche von der Truppe fort. Der Gedemütigte wartete auf seine Stunde. Diese schlug ihm, als 1740 der Österreichische Erbfolgekrieg begann. Österreichische Husaren fielen in Bayern ein und stürmten durch bis Viechtach im Bayerischen Wald. Sie hängten Gschrays Cousin, den Amtsverwalter von Prackenbach, Josef Gschray, kurzerhand auf. Der Pflegrichter von Deggendorf befahl Gschray eine Freischar zu bilden und mit ihr die Kaiserlichen zu vertreiben.


Mit seinem Freikorps vertrieb er die österreichischen Husaren


Gschray04Es war ein bunt zusammengewürfelter Haufen aus Schergenknechten, Polizeibütteln, Jägern und Veteranen, mit denen Gschray die Österreicher in die Flucht schlug. Darunter der Buchbinder Reindl von Hengersberg. Den kannte Gschray, weil Reindl die Protokolle des Mitterfelser Gerichts regelmäßig einband. Der Draufgänger hatte den brutalen Trenck einst auf offener Straße abgewatscht, war dafür fast zu Tode geprügelt worden und seither auf der Flucht vor Trencks Rache.

Solche ungebärdige Söldner sammelte Gschray um sich. Sie fochten rücksichtslos gegen sich selbst und ihre Feinde, die oftmals in Wirklichkeit ihre Landsleute waren. 

 

Gschrays grausamer Haufe führte die Franzosen in günstige Angriffspositionen gegen die Panduren, spionierte und raubte Fouragetransporte aus. Seine Schnapphähne scheuten sich aber auch nicht, eigene Landsleute in Einöden zu überfallen und sie ihrer Spargulden, des Viehs und der Vorräte zu berauben.

Als jedoch Trenck der Pandur von Passau heranrückte, zog sich Gschray nach Straubing zurück. Dort gliederte Stadtkommandant Freiherr von Wolfswiesen angeblich „schweren Herzens”, in Wahrheit sicher froh um die Verstärkung, Gschrays undisziplinierte Schar in die Reihen der Freischützen und regulären Einheiten ein. Straubing wurde im März und April 1742 belagert. Gschray war in seinem Element: Nächtlings schlichen er und seine Konsorten aus der Stadt, überfielen Panduren und Kroaten in ihren Schlafstätten in den Vorstadthäusern und brachten den Österreichern schwere Verluste bei.

Gschray08 f

Dass Trencks Panduren - wie hier auf dem Votivbild der Geiersberg-Wallfahrt zu sehen - ehrbare Ratsherren als Geiseln verschleppten, konnten Bayerns und Frankreichs Truppen nicht immer verhindern. Doch Gschrays Schergen- oder Büt­telkompanie rächte solche Ausfälle Trencks blutig. Das Bild lässt bei aller Retusche dennoch die Grausamkeit des Erb­folgekriegs erkennen. - Vergrößern durch Anklicken!

 

Friedrich Bülau schrieb in seinem Buch „Geheime Geschichten und Räthselhafte Menschen” (1850 in Leipzig erschienen, Mikrofiche der Bayer. Staatsbibliothek):

„Eines der schlechtesten Exemplare von (...) militairischen Abenteurern war der preußische Generalmajor Gschrey. Er hieß eigentlich Michael Gschray. (..) Mit einem Zeugnis seines Wohlverhaltens versehen (Anmerkung: bei der Verteidigung Straubings!), begab er sich zu Kaiser Karl VII., der ihn zum Lieutenant ernannte. (Marschall) Seckendorf wollte anfangs nichts von ihm wissen. Aber der Director der Feldkriegskanzlei Bauer, dem er einige schöne Pferde verschafft hatte, setzte ihm ein Project auf, wie er zu Pferden, Leuten, Ge­wehr und Montierstücken gelangen könne, das auch Seckendorf einleuchtete ...” Gschray hatte also den einstigen Straubinger Regierungsbeamten Bauer, den er dort schon mit billigen Pferden korrumpiert hatte, neuerlich bestochen und sich so dessen Beistand gesichert.


Im Dienste Kaiser Karl VII. stellte er ein Husaren-Regiment auf.


Seit 1742 Leutnant, wurde er beauftragt, aus Freiwilligen ein Husaren-Regiment aufzustellen. Nun rächte sich Gschray für den Schimpf von München: Sein Regiment versammelte Schergenknechte, Vaganten und Verbrecher aus dem ganzen Land; denn wer sich freiwillig zu den Soldaten meldete, dem wurden frühere Strafen amnestiert.

Gschray07

Gschrays Husaren trugen eine dunkelblaue Uniform mit roten Umschlägen. - Vergrößern durch Anklicken!

 

Gschray09Das Bild dieses angeblichen Gschray-Schergensoldaten sollte Ängste auslösen. 

Die von Freund und Feind mit gleicher Verachtung als „Büttel- oder Schergenkompanie” diskreditierte Einheit führte Kleinkrieg bis über den Rhein bei Philippsburg und im Elsass bis Straßburg. Auf dem Rückmarsch nach Bayern wurde der schon 1743 zum Hauptmann beförderte Gschray auf der brennenden Donauwörther Brücke durch einen Schuss in den linken Oberschenkel (nach anderen Angaben in den Unterleib!) schwer verwundet, hielt seine Truppe aber beisammen und avancierte dafür zum Major.

Kurz zuvor war der einundzwanzig­jährige Nikolaus Luckner als Premierleutnant zu Pferd aus dem gescheiterten böhmischen Feldzug heimgekehrt. Er hatte seinen Geburtsort Cham zerstört vorgefunden und war in die Truppe des Jahrzehnte älteren Gschray eingetreten. Luckner nahm später französische Dienste, wurde geadelt und 1791 Marschall von Frankreich. Roger de Lisle widmete die von ihm komponierte Marseillaise, heute Frankreichs Nationalhymne, seinem schneidigen Marschall Luckner, dessen Verwandte im Bayerwald, im riesigen Gerichtsbezirk Mitterfels und im unteren Gäuboden (als Bader und Chirurgen in Wallerfing!) saßen. Er pflegte sporadische Kontakte mit ihnen.


Drei merkwürdige Helden aus dem Bayerwald: Luckner, Gschray, Thürrriegel


Am 4. Januar 1794 starb Nikolaus Graf Luckner unter der Guillotine in Paris. Die Vorgeschichte dazu gibt Gelegenheit, über alle drei merkwürdigen Helden aus dem Bayerwald, Luckner, Gschray und Thürrriegel2 nachzudenken:

Thürriegel als Nachfahre einer vermutlich einst ritterlichen Familie hatte wahrscheinlich das Straubinger Gymnasium absolviert und nervte Gschray später mit seiner besseren Herkunft und Bildung. Grob beantwortete der am 29. Juni 1761 einen hochfahrenden Brief Thürriegels: „Ich Scheiß euch in die Hundehütte und alle Stuben Nordhausens.”

Gschray05

Ein Brief des preußischen General­majors Gschray an seinen Obristen Thür­riegel vom 19. Juni 1761 - “Ich Scheiß euch in die Hundehütte”, heißt es darin. - Vergrößern durch Anklicken!

Gschray06

Gschrays Brief vom 27. Juni 1761: “Da werd ich mir den Buckel voll anlachen . . .” Vergrößern durch Anklicken!

Luckner, 1721 als Sohn eines Chamer Kirchen- und Spitalverwalters geboren, der Bürgermeister wurde und als Hopfenhändler und Brauer gut verdiente, hatte beim Pfarrherrn Deutsch und Latein gelernt und die Jesuitenschule in Passau besucht.

Gschray hingegen war nur notdürftig gebildet und in eine Familie geboren, die aus ihrem Gesellschaftskreis nie ausbrechen konnte und ihren Frust häufig mit Brutalität abreagierte. Gemeinsam war den Abenteurern, dass sie ohne Ängste um die eigene Person, aber rücksichtslos auch gegenüber Untergebenen kämpften.

Luckner und Thürriegel wurden reich. Sie starben unterm Fallbeil bzw. im Gefängnis, ohne sich schuldig gemacht zu haben. Sie blieben trotzdem in achtungsvoller Erinnerung, während Gschray zwar zeitweilig in guten Verhältnissen lebte, jedoch meist überschuldet und stets auf Pump. Er landete am Bettelstab, von Betrogenen verfolgt, gehasst und verachtet.

Alle drei Abenteurer durchschauten nie die politischen Ränkespiele in dem Drumherum der Kriege ihrer Zeit. So kam es, dass Graf Luckner, als er sich zur Ruhe setzten wollte, ungeachtet der Revolution in Paris in aller Gemütsruhe dorthin reiste, um seinen Pensionsanspruch geltend zu machen. Wie gelähmt dachte er nicht an schleuigste Flucht, als Robespierre sei­nen Kopf forderte. Dass Luckner später rehabilitiert wurde, war eine Notiz wert und brachte seiner Witwe das Vermögen teilweise zurück. Nachfahre eines Bruders des Grafen war Felix Graf Luckner (*1881 - †1966 ), der Kaperschiff-Kapitän und „Seeteufel” des Ersten Weltkrieges, ein etwas zwielichtiger Kraftmeier, Aufschneider und begnadeter Selbstlobbyist.

Johann Kaspar Thürriegel aus Gossersdorf bei Konzell verhielt sich ähnlich resignativ, als er in Spanien von einem Geschäftspartner des Schmuggels beschuldigt, verhaftet und in Pamplona verurteilt wurde. Und Gschray dachte lebenslang nie an die Altersvorsorge, sondern verschuldete sich hoffungslos:

Alle drei Abenteurer lebten von einem Tag auf den anderen, verschwendeten keinen Gedanken an ihre Zukunft. Durchaus möglich, dass Gschray und Thürriegel in dem Sicherheitsdenken gefangen waren, das aus ihrer Beamtenzeit herrührte, während Luckner dem naiven Glauben anhing, Leistung werde bedankt und belohnt.

1744 lag Gschray mit seinen Dragonern vor der kaiserlichen Reichsstadt Nördlingen. In österreichischer Uniform ritt er in die Stadt, tafelte als „befreundeter” Offizier mit den Ratsherren, erfuhr, dass die Stadt über ein gewaltiges Getreidemagazin für die kaiserliche Armee verfüge. Als ein Ratsherr sich sorgte: „Wenn das nur nicht die Bayern erwischen!”, krachte Gschrays Faust auf den Tisch. Er brüllte: „Da ist er schon, der Bayer! Ergebt Euch, oder ich lasse Euch in Ketten schmieden. Draußen warten meine Dragoner.”

Gschray11 f

In Nördlingen raubte Gschray ein Getreidelager leer, nachdem er zuvor 4000 Gulden für seinen Dienstgeber und 100 für sich selbst kassiert und die Schonung versprochen hatte. Vergrößern durch Anklicken!

Die überrumpelten Nördlinger zahlten zähneknirschend 4000 Gulden als Wert des Lagergutes und bestachen Gschray mit einhundert Dukaten Tafelgeld. Der ließ hernach ungeachtet seines Ehrenworts seine Fouragesoldaten das Magazin dennoch plündern.

Am 22. März 1745 musste er bei der Verteidigung von Pfarrkirchen vor den österreichischen Husaren und Kroaten fliehen. Auch bei Ismaning nördlich von München wurde er geschlagen und verlor 60 seiner Männer. Er selbst versteckte sich im dichten Gestrüpp des Mooses. Luckner rettete ihn im letzten Moment vor einer schimpflichen Gefangennahme.

Als 1745 der Friede von Füssen die Kämpfe in die Lombardei und in die Niederlande verlagerte, entließ Bayern die meisten Gschray’schen Söldner, beförderte ihren Anführer zum Oberstleutnant und schob ihn und je 20 seiner Soldaten als Grenz- und Zolltruppe nach München, Landshut, Straubing, Amberg und Burghausen ab.


Niemand wollte Gschrays wilden Haufen. Er aber war bald französischer Oberst.


Weil Gschray und sein wilder Haufen jedoch mit den Schmugglern gemeinsame Sache machten und kräftig in die eigenen Taschen kassierten, holte man die Abteilung nach München zurück, wo sie unter den Augen des Stadtkommandanten Polizeidienst zu leisten hatte.

Die Bürger sahen sich aber von der undisziplinierten Soldateska mehr belästigt als beschützt. Die Beschwerden häuften sich. Gschray selbst setzte sich nach Augsburg ab, wo er alsbald wieder auffällig wurde. Nun wollte der Kurfürst Gschrays Korps wieder auf Kriegsstärke auffüllen und zum Krieg in den Niederlanden abmarschieren lassen. Gschray widersetzte sich dreist seinem Landesherrn: „Zu den Kaskrämern geh’ ich nicht. Ich werde lieber Sauhirte, als so weit von Bayern entfernt zu fechten.” Der erboste Kurfürst löste kurzerhand das gesamte Korps auf und schickte Gschray mit 40, dessen beide Söhne mit je 20 Gulden in die Rente.

Gschray wandte sich nun nach Frankreich. Marschall Moritz von Sachsen, dem er seinerzeit im Bayerwald als erfolgreicher Patrouillengänger gedient hatte, empfahl ihn König Ludwig XV.. Als Oberst der französischen Armee stellte Gschray 1747 in der Gegend um Straßburg und Neubreisach ein Freikorps aus 400 Dragonern und 800 Füsilieren auf, schlug sich wacker bei Maastricht und bei der Belagerung von Limburg. Der „Colonel Jean-Michel Gschray” unterstand mit seinen Soldaten dem König direkt, wurde gewürdigt und fühl­e sich offenbar daheim: Er signierte als „JMichel Gsray”, unklar ob aus sprachlichen Gründen oder wegen seines Bildungsmangels. Er wurde 1748 vom Friedensschluss überrascht und zog sich mit dreitausend Livres (über 900 Gulden) Jahrespension nach Straßburg zurück. Der ihm verliehene Ludwigsorden belegt, dass er in Ehren ausschied: Denn im Elsaß hatte er einen Regimentsquartiermeister ausgehoben und bei ihm die Liste aller österreichischen Truppen im Elsaß erbeutet, was seinen Ruhm gemehrt hatte.


Nach Friedensschluss in Pension geschickt - Schulden wuchsen ihm über den Kopf


Gschray warf das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinaus. Seine aus ungarischer Gefangenschaft heimgekehrten Söhne Franz und Johann Michael halfen ihm dabei. Die Schulden, darunter 3000 Gulden des Nördlinger Ausrüsters Antonio, Kreditbriefe vieler Banken, Bewirtungs- und Wohnschulden in halb Europa und Darlehen von Mitterfelser Spezln, wuchsen ihm über den Kopf; nicht einmal mehr zu potenziellen Dienstgebern konnte Gschray reisen.

Seinen Egoismus zügelte er nur, wenn es um Familienwohltaten ging: Der Mann, der schon zu Lebzeiten seines Schierlinger Chefs mit dessen Frau ein Verhältnis und vermutlich eine uneheliche Tochter mit ihr hatte (amtlich seine Stieftochter!) und der mit dieser (Stief-) Tochter ein Kind zeugte (und nur darum nicht aufflog, weil das Mädchen bei der Entbindung starb!), sorgte sich um die Absicherung seiner Angehörigen, getreu dem Sprichwort: „Wer den Papst zum Vetter hat, wird bald Kardinal sein.”

Eine dieser Töchter verheiratete er mit einem ranglosen Soldaten, den er dafür rasch beförderte und in eigene Dienste nahm. Den 1725 geborenen Sohn Franz mochte er nicht, beförderte ihn aber desungeachtet an seiner Seite in mittlere Offiziersränge. Franz starb 1762 als Stadthauptmann von Straßburg.

Den 1728 geborenen Sohn Johann Michael liebte er abgöttisch. Er finanzierte ihm mit 4000 Gulden eine Schul-, Soldaten-, Musikanten- und Verwaltungsausbildung, die wenig brachte; denn der Sohn entwickelte sich zu einem in Europa verschrienen Säufer und Schuldenmacher. Die Söhne löste er wieder und wieder aus Schulden und Schuldgefängnissen aus.

Eine Tochter verheiratete er mit dem Straßburger Ratsherrensohn Schenk und übergab als Heiratsgut sein Haus. Weil das aber zum dreifachen Wert überschuldet war, schikanierte Schenk seine Frau so lange, bis die zweifache Mutter bald nach ihrer eigenen Mutter im Jahre 1757 starb.

Seinen Bruder Joseph machte er zum Hauptmann, den Ehemann Graßmann seiner Stieftochter zum Leutnant. Nur diese Stieftochter scheint ein leidlich glückliches Leben geführt zu haben, zumal ihr Mann später als Brigadier in Straßburg tätig war. Vetter Hibsch (oder Hübsch) hingegen, den er als Kornett in seinen Dienst nahm und schnell zu befördern versprach, verschwand nach Gschrays Verbannung aus Preußen spurlos.

Gschrays Schwester war Köchin in einem Offiziershaushalt. Er verschaffte ihr den bis dahin glücklosen Söldner Baumgärtner als Ehemann. Doch der von Haus aus gutsituierte Elsässer, zeitweise in Gschrays Korps Offizier, in die Unterschlagung von preußischen Werbe- und Fouragegeldern verwickelt und nach der Verbüßung einer Kriegsgerichtsstrafe von drei Monaten Arrest auf der Veste Magdeburg mit Gschray und allen ihm noch verbundenen Verwandten aus der Armee Preußens ausgestoßen, verarmte total und ließ sich schließlich in Straßburg zu einem Mord an einer angesehenen Persönlichkeit der Stadt hinreißen. Er wurde auf der Flucht gefasst und zu lebenslangem Dienst auf einer Galeere verurteilt. Seine nun verarmte, aus der Gesellschaft ausgestoßene Frau starb vor Gram.


Die Gläubiger hetzten Gschray unerbittlich.


Alle ab 1748 von Gschray verfassten Gesuche um bayrische oder anderer Herrscher Dienste wurden abgewiesen. Die Gläubiger rückten dem geschassten Offizier auf die Pelle. Gschray wurde im ruhig-vornehmen Straßburg der Boden zu heiß. Er setzte sich nach Donauwörth ab, seine in Straßburg allein gelassene Frau starb dort elend. Doch die Gläubiger hetzten Gschray unerbittlich.

Bald rückten sie im ländlichen Donauwörth an. Der von Rheuma, Gicht und Harthörigkeit geplagte, oftmals mangels Geld hungernde Gschray musste sich notgedrungen nach Einnahmen umsehen. Denn in seiner Arroganz und immer besorgt, dass trotz seines Aufstiegs der Ruch des Schergenknechts an ihm hafte, hatte er sich in Donauwörth unmöglich gemacht: Soldaten, die den Hut vor ihm nicht zogen, drohte er Prügel an, Offiziere beleidigte er, Geistlichen warf er öffentlich „ihre Buhlschaften” vor, Äbte und Klostervorsteher, die ihn nicht auf den Ehrenplatz setzten, beschimpfte und prügelte er; niemand lud ihn mehr ein.

Am 17. Januar 1753 schrieb der französische Oberst an den Magistrat von Donauwörth, wo seine Truppen im Winterquartier lagen. Er unterschrieb als “JMich Gsray Obrist” “dem wohlweisen Herrn Bürgermeister Räth. also grußwilligst”; der Briefinhalt war typisch für Gschray: anmaßend, frech, fordernd, drohend und ein Feh­ler­sam­melsurium.

1756 wollte er in Sachsen über seine Aufnahme in sächsisch-polnische Dienste verhandeln. Auf dem Ritt dorthin fiel er preußischen Husaren in die Hände, die ihn als französischen Ex-Offizier identifizierten. Doch Friedrich II. spiegelte er vor, für ihn fechten zu wollen. Der bedrängte Preuße erlaubte Gschray die Aufstellung eines Freikorps mit 600 Berittenen am Werbeplatz Merseburg.

Gschray indessen floh zum Herzog von Württemberg. Dem log er vor, nicht unter „dem preußischen Ketzer” dienen zu wollen, ferner hätten ihn Franzosen für den Fall eines preußischen Engagement mit der Ausweisung seiner Familie aus dem Elsass gedroht. Der Herzog schickte ihn weiter. Er hatte erkannt, dass der Haudegen wegen Taubheit felddienstuntauglich war. Nun schrieb Gschray den beim Immerwährenden Reichstag zu Regensburg residierenden Gesandten Englands und Preußens mit der Bitte um Dienstverpflichtung; beide Diplomaten befürworteten das Gesuch jedoch nicht.

Gschray bat seinen Bekannten aus Mitterfelser Tagen, Johann Kaspar Thürriegel (*1722 - †1795), sich für ihn beim französischen Marschall Charles Louis Auguste Fouquet Belleisle (*1684 - †1761) zu verwenden. Seine Idee war, neuerlich ein deutsches Freikorps unter Frankreichs Fahne aufzustellen. Der drei Jahrzehnte jüngere, klügere Thürriegel, der im vollen Saft stand und keine sonderlich hohe Meinung von dem Ex-Schergenknecht hatte, war eigene Wege gegangen und hatte sich Ansehen verschafft, er galt als zuverlässig.

Thürriegel traf sich 1760 in Donauwörth mit Gschray. Er fand ihn heruntergekommen, kränkelnd, beinahe taub und in akuten Geldnöten vor. Mit den Verführungskünsten seiner bildhübschen Nichte (nach Bülau, Seite 238, handelte es sich um eine „gemeine Dirne”!) wollte er Thürriegel für sich einspannen. Dieser stand angesichts der Anmut des Mädchens in Flammen, blieb gegenüber Gschray aber zurückhaltend.

Der abgetakelte Oberst Gschray musste erkennen, dass sein Ruf ruiniert war: Bayerns und Frankreichs Herrscher waren für ihn unerreichbar geworden. Aber Thürriegel, so Gschrays Kalkül und letzte Hoffnung, sollte es gelingen, ein preußisches Kommando für ihn zu bekommen.

Thürriegel fuhr 1761 nach Meißen. Gschray reiste geruhsam nach, geriet aber in die Fänge eines französischen Brigadiers, dem er sogleich seine Dienste anbot: Der Franzose jedoch wollte den maroden Altoffizier trotz dessen hohen Ordens nicht empfehlen und schickte ihn weiter.


Noch einmal erhielt er in preußischen Diensten den Auftrag ein Söldnerregiment aufzustellen - und wurde Generalmajor.


Die Preußen brauchten für ihren Krieg gegen Maria Theresia, der sich schließlich sieben Jahre hinzog, jeden Mann. König Friedrichs II. Kommissäre unter des Königs Bruder Prinz Heinrich unterschrieben, dass Gschray in Nordhausen bei Erfurt und in Minden ein Söldnerregiment anzuwerben habe. Dafür wurde Gschray zum preußischen Generalmajor ernannt und Thürriegel zum Stabschef berufen. 25.000 bar ausbezahlte Taler auf den Gesamtetat von 105.000 Reichstalern sollten beiden Truppenführern als Handgelder für die Anwerbung ihrer Mannschaften und Offiziere dienen.

Gschray04a f

 

Nach Verhandlungen Thürriegels mit Prinz Heinrich von Preußen, dem Bruder Friedrichs II., wurde Gschray Generalmajor.

Gschray12

 

Mit seinen Klageschriften wider Gschray vernichtete der einstige Spezl Thürriegel J. M. Gschray. Ein Jahr nach dessen Tod erschien dann auch noch dieses Buch über ihn, mit dem der Ruf des Ex-Generals endgültig ruiniert war.

 

Für Gschray, der sich in Preußen, unklar warum, „Geschrey” nannte (es gab allerdings ein angesehenes, uraltes preußisches Geschlecht der Gschray!), war dies die Chance seines Lebens: Unter Friedrich dem Großen wurden zwischen 1740 und 1786 insgesamt 488 Generäle eingestellt oder aus dem Preußenheer befördert. Unter den 386 Preußen, 48 Deutschen aus anderen Ländern und 54 Europäern war er der einzige Bayer. Nach nur 19 Jahren als Soldat in unterschiedlichen Diensten war er bereits Generalmajor, während 68 Prozent aller Generale Friedrichs II. erst nach dem 44. Dienstjahr diesen Rang erreichten.

Preußens Generale kassierten Sold, Rationssätze für 16 Pferde und „Douceurs” (Aufwandsentschädigungen) und kamen so im Jahr auf 5400 bis 6800 Reichstaler. Ferner wurde Gutsbesitz zur wirtschaftlichen Sicherung des Generals und seiner Familie garantiert; prompt taucht Gschray denn auch unter den „Grundbesitzenden preußischen Adelsfamilien des 14. bis 19. Jahrhunderts” auf, die das „Institut (für) Deutsche Adelsforschung” in Owschlag ermittelte. Gschray soll demnach in Schlesien begütert worden sein. Er durfte mit einer Pension von maximal 1200 Reichstalern rechnen.


Betrug und Untreue blieben sein Lebensprinzip


Wieder strömten Vaganten und Scher­genknechte unter die Fahnen der einstigen Genossen. Aber Gschray und vermutlich auch Thürriegel (der dies allerdings heftig bestritt, aber mit maximal 1500 Reichstalern im Jahr knauserig bezahlt war), unterschlugen Geld aus der prall gefüllten Kriegskasse. Gschray hatte das ganze Unternehmen von Anfang an auf Unterschleif aufgebaut. Thürriegel beteuerte, er sei in dieses Untreuekomplott weder eingeweiht, noch darin verwickelt gewesen. Thürriegels Angaben in seinem 1761/62 verfassten Rechenschafts- und Klagebericht und dem 1766 veröffentlichten Buch wider Gschray an Friedrich den Großen belegen, dass er sich Gschray nur angeschlossen hatte, um bei passender Gelegenheit dessen Generalsposten übernehmen zu können. Beide Offiziere, der eine in Nordhausen, der andere in Halberstadt, arbeiteten zielgerichtet gegeneinander; allerdings warnte Thürriegel seinen Chef rechtzeitig, jedoch vergebens vor einem Blitzüberfall der Franzosen.

Gschray überzog Thürriegel fortwährend mit Schimpf und kündigte stetig Anzeigen wider ihn beim König an, wenn Thürriegel weiter gegen Befehle Gschrays opponiere und ihn mit Rechtsvorwürfen überziehe.

„DA LACH ICH MIR DEN BUCKEL VOLL”, schrieb er am 27. Juni 1761 zu Unterschlagungsvorwürfen, missachtete Thürriegels Warnungen vor bevorstehenden Überfällen der Franzosen, soff weiter und pfiff auf die dringend gebotene erhöhte Wachsamkeit an Halberstadts Stadttoren.

Als der Kriegszahlmeister des Königs unerwartet zur Kontrolle erschien und feststellte, dass fünftausend Taler fehlten, wälzte der skrupellose Gschray alle Schuld auf Thürriegel. Der schwärzte Gschray als Alleinschuldigen an: Er habe allein im Mai und Juni 1761 fast 2000 Reichstaler in die eigene Tasche gewirtschaftet, indem er 900 Offiziere und Mannschaften abgerechnet habe. Tatsächlich habe Gschray aber erst 351 in Dienst gehabt und diesen auch noch die Fleischversorgung vorenthalten, was die hohe Zahl der Deserteure erkläre. An den Unterschlagungen und Betrügereien seien auch Gschrays Schwäger Major Baumgärtner und Adjutant Faber beteiligt.

Faber war ein schon in Donauwörth wegen Untreue aufgeflogener Salzgegenschreiber, gegen den auch im Mitterfelser Gericht eine Fahndung gelaufen war. Er hatte sich nach Italien ge­rettet und nach einigen Pilgerbettel­jahren eine Amnestierung erreicht, in­dem er Bayerns Herzog die Aufklärung seiner Straftaten und die seiner Mittäter in zahlreichen Ämtern versprach, ferner die Auflistung der veruntreuten Staatsgelder. Zurück in München, ließ sich dieser Kronzeuge täglich mit 3 Gulden vom Herzog versorgen, unterließ aber die versprochenen Geständnisniederschriften und Enthüllungen. Kurz vor seiner Festnahme floh er in den Schutz Gschrays.

Thürriegel nannte Gschrays Anschuldigungen „reinen Neid, weil mir die Offiziere und Mannschaften vertrauten”. Er habe kein Geld des Preußenkönigs an sich genommen, Gschray habe ihm (Thürriegel) jeglichen Zugriff verwehrt, an ihm vorbei einen Handel mit ungarischen Pferden aufgezogen. Und seine Vertrauten hätten zum Beispiel in Mühlhausen den preußischen Schutzjuden Levi ausgeraubt und die 1800 Gulden Beute mit Gschray geteilt.

Der gerissene Gschray zog gerade noch seinen Kopf aus der Schlinge. Am 20. August 1761 wurde Thürriegel in Magdeburg arrestiert, zehn Monate später auf der Festung inhaftiert.


Im Nachthemd wurde Gschray von den Franzosen gefangen genommen.


Doch Gschray triumphierte zu früh. Mitten in der Aufstellung seines Korps wurde dies am 23. August 1761 in Nordhausen von Franzosen unter Grandmaison angegriffen und aufgerieben. Ein Teil entkam nach Halberstadt zu den mit Preußen verbündeten Hannoveranern; die meisten dagegen marschierten, zusammen mit ihrem am Morgen um 4 Uhr aus seinem Bett heraus gefangenen und schimpflich im Nachthemd durch die Stadt geführten Generalmajor und 300 Pferden, nach Kassel, später nach Landau in der Pfalz in französische Gefangen­schaft. Dass dem König die Gefangennahme Gschrays gleichgültig gewesen sei, ist kaum anzunehmen: Er hatte seit der Übernahme der Macht seine Armee nicht nur verstärkt, sondern auch immer besser ausbilden lassen. Dazu gehörte, die Eigenverteidigung erstklassig zu organisieren.

In jenem Jahr 1761 gerieten nur vier seiner Generäle in Gefangenschaft, drei davon in heftigen Gefechten und wie damals üblich an der Spitze ihrer kämpfenden Soldaten, Gschray aber aus dem Bett heraus in einer bei entsprechender Vorsorge sicheren und unschwer zu verteidigenden Stadt.

1762 wurden die Männer und Gschray „auf Ehrenwort” entlassen. Preußens König hatte die sonst auch bei ihm übliche Auslösung verweigert und die Franzosen wollten den teueren Unterhalt für den ewig trunkenen Generalmajor einsparen.

Gschray, ohne die ihm gestrichene französische Pension mittellos, übernahm in Magdeburg die kläglichen Reste seines Korps und wagte unverfroren neuerliche Verhandlungen mit Prinz Heinrich von Preußen um sein Generalskommando. Der Prinz schwankte noch, den mit allen Wassern gewaschenen Haudegen weiter zu verwenden, der ihm anfangs wegen seiner groben Männlichkeit imponiert hatte. Doch da fällt Thürriegels Rache Gschray endgültig: Thürriegel hatte während der Festungshaft an König Friedrich II. geschrieben und Gschrays Machenschaften schonungslos aufgedeckt.3 Ein letzter Versuch Gschrays, Thürriegel wegen Briefen, die dieser an bayerische Verwandte geschrieben hatte, als Spion und Hochverräter zu denunzieren, misslang.

Thürriegel hatte schon am 3. Juli 1761 an Gschray geschrieben: „Sie aber betrügen den König und die Officier, und denen Burschen stehlen sie ihr Brod und Fleisch, Geld, und anders ab, und sprechen als ein Pharisäer.” Jetzt akzeptierten die Preußen diesen Brief als Beweis für Thürriegels Unschuld in der Untreueaffäre und, zusammen mit den Kopien von Monatsabrechnungen, als ausreichende Indizien für Gschrays Unterschleife.

Prinz Heinrich erhielt Order, die Verhandlungen sofort abzubrechen. Zumal der König jetzt an Thürriegels Unschuld glaubte, ließ er diesen im Januar 1763 frei, wies ihn aber trotzdem aus dem Lande: dass Thürriegel hinter seines Generals Rücken Aufschreibungen über dessen Untaten verfasst hatte, verstieß gegen den Ehrenkodex von Befehl und Gehorsam um (fast) jeden Preis. Die Preußen verteilten Gschrays Männer auf andere Regimenter, der König ließ Gschray in Berlin arrestieren, vom Kriegsgericht zur schimpflichen Degradierung verurteilen und „auf ewige Zeiten” außer Landes schaffen. Der Friede von Hubertusburg hatte Gschray und dessen Truppen ohnedies überflüssig gemacht.

Dass die Bestrafung Gschrays eine Ausnahme war, ergibt sich aus der Tatsache, dass solches zwischen 1740 und 1763 nur 22 Generalen geschah, 8,83 Prozent dieses Offiziersrangs in Preußens Armee. Zwischen 1763 und 1786 waren es gar nur sechs, von denen fünf mit Festungshaft davonkamen, die der König alsbald aufhob oder abkürzte; bei aller Launenhaftigkeit war Friedrich II. nicht rachsüchtig und auf Dauer nachtragend. Gschray indessen wurde gnadenlos vertrieben und verlor damit auch sein Gut und seine Pension.

Er zog sich nach Wemding im Ries zurück, fristete seine letzten Lebensjahre völlig vereinsamt und verarmt und hätte wohl gar betteln müssen, hätte ihn nicht sein Straßburger Schwiegersohn Oberst Beyerle unterstützt. Vergeblich bemühte er sich darum, Unterlagen wider Thürriegel zu sammeln, um dessen öffentliche Vorwürfe in der Klageschrift an Preußens König (später als Buch alsbald ausverkauft!) über die „merkwürdige Lebensgeschichte des berüchtigten Königl. Preußischen Generalmajors Herrn v. Gschray” mit einer Kontreschrift zu kontern. Briefe von ihm mit der Bitte, ihm Unterlagen aus Thürriegel-Strafakten zu überlassen, damit er sich unter deren Vorlage rehabilitieren könne, finden sich auch im Münchner Staatsarchiv.4

Randbemerkungen, die hohe Regierungsbeamte als Entwürfe zu Antworten auf diese Bittbriefe schrieben, enthüllen, dass Gschray sich in Bayern so verhasst gemacht hatte und so verachtet war, dass niemand ihn mit Thürriegel-Interna bedienen wollte. Dies, obgleich auch Thürriegel wegen seines Spanienengagements und der „verbotenen Abwerbung von Landeskindern” zur Fahndung ausgeschrieben war; er hätte bei einer Rückkehr in seine Heimat ein Todesurteil fürchten müssen. (Siehe Bericht im Mitterfelser Magazin Nr. 7/2001, Seite 10ff „Spanische Siedlungen eines bayerischen Söldners”, den ebenfalls S. M. Westerholz verfasst hat.)


Zu Wemding starb Johann Michael Gschray im Elend.


Gschray13

Wemding um 1700 - Hier starb Johann Michael Gschray vermutlich 1765 elend. - Vergrößern durch Anklicken!

In die „Allgemeine Deutsche Biographie” der Historischen Kommission in Bayern (10. Band, 1879) schrieb Hyazinth Holland über Gschray: „Von da (1748) begann G(schray) eine ganze Odyssee nach verschiedenen Staaten, wo er sich überall alsbald wieder durch Hochmuth und Grobheit unmöglich machte ... und erlitt neue Niederlagen seiner Selbstüberschätzung, bis er um 1763 (?) zu Wemding sein Leben in wohlthuender Dunkelheit beschloß.”5

Der bayerische Oberstleutnant, französische Oberst und preußische Generalmajor Michael Gschray starb, vergessen von der Mitwelt, 1763 (lt. Widenbauer und der Gschray-Beschreibung durch die Bayerische Akademie der Wissenschaften), wohl eher aber 1765 (lt. Stadtarchivar Dr. L. Gräser) in Wemding.6

** Anmerkungen: 

Die unterschiedlichen Schreibweisen sind so in den Kirchenbüchern zu finden, sogar in Urkunds-Unterschriften von Familienangehörigen. Erst als im späten 19. Jahrhundert das Standesamtwesen geordnet, die Personenstandsbücher aus den Pfarrämtern in die Kommunalverwaltungen verlagert wurden, verfestigten sich die Schreibweisen. Johann Michael Gschray wurde in früheren Veröffentlichungen auch bayerisch-schlicht Michel oder Hansen­mich genannt, war aber auf Johann Mi­chael getauft, wie der Münchner Publizist G. Widenbauer 1942 und die meisten anderen Biographen Gschrays weitaus früher schrieben und Wemdings Stadtarchivar Dr. Lothar Gräser und seine Mitarbeiterin Seibold jüngst nachwiesen (vgl. 1). Da er selbst aber meist mit „Michael Gschray” und in Frankreich laut „Les controles de troupes de l`ancien regime” meist als „Jean-Michel” unterschrieb, seltener als „Colonel de Michel Gsray”, ist diese Namensnennung beibehalten worden.

Quellen:

 

Dieser Aufsatz ist eine erweiterte Fasssung eines Beitrages im “Donaukurier” Ingolstadt. - Alle Bilder Sammlung Westerholz.