„Das Kloster Windberg war 1923 eine Bruchbude.“

2023 01 17 Windberg 1923

Fototermin auf einer Schutthalde: So sah es 1923 in der Gemeinde Windberg aus, als die ersten Chorherren aus dem niederländischen Berne eintrafen. Foto: Abteiarchiv Windberg – Vergrößern durch Anklicken!

Im Interview spricht Abt Hermann Josef Kugler darüber, wieso Prämonstratenser an den ursprünglichen Ort ihres Wirkens zurückkommen und was für das Jubiläumsjahr geplant ist.

Die Abtei Windberg wurde 120 Jahre nach der Auflösung in der Säkularisation 1923 durch Prämonstratenserchorherren aus der niederländischen Abtei Berne wiederbesiedelt. In diesem Jahr feiert Windberg „100 Jahre Wiederbesiedlung“ durch den Orden, der bereits vor der Auflösung im Klosterdorf ansässig war. Im Interview spricht Hermann Josef Kugler, 47. Abt der Kanonie Windberg, darüber.

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Pater Hermann Josef Kugler ist seit 2003 der 47. Abt der Prämonstratenserabtei Windberg. Foto: Erhard Schaffer

Herr Abt Hermann Josef, die ehemaligen Klostergebäude waren seit der Säkularisation 120 Jahre sehr unterschiedlich genutzt. Welche Situation fanden die niederländischen „Pionierpatres“ bei ihrer Ankunft 1923 vor …?

Abt Hermann Josef Kugler: Das Kloster war 1923 eine Bruchbude, wenn man das so sagen darf. Es gibt ein Foto, auf dem Mitbrüder auf einem Schutthaufen stehen. Pater Norbert Backmund, der einer der ersten deutschen Novizen war, erzählte, dass es im Winter in der Kirche so kalt war, dass er sich Frostbeulen zuzog.

… und was waren ihre ersten Aufgaben?

Abt Hermann Josef: Zunächst haben die Mitbrüder keine Pfarrstellen bekommen. Damals gab es genügend Priester und die niederländischen Patres sind von der Diözesanleitung anfangs durchaus etwas skeptisch betrachtet worden. Bis in die 60er Jahre haben die Mitbrüder vor allem Aushilfsdienste für Gottesdienste und Beichte übernommen. Erst 1963 wurde uns die Pfarrei Windberg übertragen. Pater Ephrem wurde der erste Prämonstratenserpfarrer in Windberg nach der Säkularisation. Mit der Zeit gab es dann feste Seelsorgestellen. Pater Cyriakus war über viele Jahre lang Seelsorger im Krankenhaus Azlburg und bei den Azlburger Schwestern in Straubing. Um die Konzilszeit bildete Windberg ein liturgisches Zentrum, um liturgische Texte zu erarbeiten und zu veröffentlichen, und die Priester in die neue Liturgie nach dem II. Vatikanischen Konzil einzuführen. Die Patres Englmar und Wolfgang waren damals viel unterwegs. Beide wurden später Pfarrer in Neukirchen beziehungsweise in Hunderdorf.

Die Prämonstratenser sind ein ausgesprochener Seelsorgeorden. Wo sind Sie und Ihre Mitbrüder überall im Einsatz?

Abt Hermann Josef: Mit dem Eintritt jüngerer Mitbrüder in den 80er und 90er Jahren konnte die Gemeinschaft auch weitere Aufgaben und Seelsorgestellen übernehmen. Die Pfarrseelsorge ist bis heute ein wichtiges Tätigkeitsfeld. So werden die Pfarreien Hunderdorf, Neukirchen, St. Englmar, Mitterfels mit Haselbach und Herrnfehlburg, Windberg und die Pfarreiengemeinschaft Steingaden-Prem seelsorglich betreut. Hinzu kommen Aufgaben in der Sonderseelsorge: in der Bundespolizei, der Militär- und der Gefängnisseelsorge.

Welches waren die bisherigen Highlights im Leben des Konvents seit der Wiederbesiedlung?

Abt Hermann Josef: Was die Highlights anlangt, so kenne ich natürlich nur die Geschichte des Klosters seit meinem Eintritt 1985. Aber ich meine, die große Zahl der Klostereintritte in den 80er und 90er Jahren bis Anfang der 2000er Jahre war ein großes Geschenk. Viele Professfeiern und Priesterweihen. Dann war sicher die Abtsbenediktion von Pater Thomas am 21. Mai 1994 ein Highlight. Es war die erste Abtsweihe nach der Säkularisation. Ein Highlight für mich ist die Gründung unseres Freundeskreises am 30. April 2005. Dass viele Leute der Region – bis heute etwa 130 Mitglieder – unsere Gemeinschaft unterstützen, zeugt von einer großen Wertschätzung des Klosters. Nicht vergessen möchte ich unseren Erweiterungsbau, den wir im Frühjahr 2013 einweihen konnten.

Anfang der 1980-er Jahre wagten Sie von Windberg aus die Wiederbesiedlung der ehemaligen Abtei Roggenburg. Hat sich dieses Wagnis „rentiert“ und wie präsentiert sich ihr Tochterkloster heute?

Abt Hermann Josef: Ich kann mich noch gut an die humorvolle Schlagzeile in der Neu-Ulmer Zeitung erinnern, als die ersten Prämonstratenser im Kloster Roggenburg 1982 eingezogen sind. „Kloster Roggenburg aus dem Dornröschenschlaf erwacht – der Märchenprinz heißt Thomas.“ Es war sicher damals eine mutige Entscheidung, ein ehemaliges Kloster des Ordens neu zu besiedeln. Aber der Mut hat sich gelohnt. Es zog junge Leute an, die sich dafür begeistern ließen. Niemand hat sich damals ausmalen können, dass heute in Roggenburg ein frisch renoviertes Kloster steht mit Familienbildungsstätte, Klostergaststätte und Klosterladen. Jetzt leben dort elf Mitbrüder.

Die Kanonie Windberg – so die Bezeichnung der selbstständigen Häuser Ihres Ordens – gehört zu einem weltweit verzweigten Netzwerk. Wie stellen sich derzeit die Mitgliederzahlen lokal, national und international dar?

Abt Hermann Josef: Überall in der westlichen Welt geht die Zahl der Ordensberufungen zurück. Allerdings sehe ich im Durchschnittsalter der jeweiligen Gemeinschaften noch eine gewisse Nachhaltigkeit. In der Kanonie Windberg sind es insgesamt 28 Mitglieder mit einem Durchschnittsalter von etwa 55 Jahren.

Auf Ebene des Gesamtordens sind Sie Erster Ordensdefinitor und damit Stellvertreter des Generalabtes. Welches sind in dieser Funktion Ihre Aufgaben?

Abt Hermann Josef: Das Wort Stellvertreter sagt es. Alle Aufgaben, die unser Generalabt nicht wahrnehmen kann, kann er an mich weiter delegieren. Nachdem Jos Wouters gesund und nur ein wenig älter ist als ich, tritt der Fall selten ein. Ansonsten ist die Aufgabe des ersten Definitors, vor jedem Generalkapitel neben anderen Visitationen das römische Haus und die Kurie des Generalabtes zu visitieren.

Neben den Aufgaben als Abt und als Definitor sind Ihnen weitere Aufgaben übertragen. Welche sind das und wie bringen Sie diese unter einen Hut, ohne die eine oder andere zu vernachlässigen? Reichen dazu 24 Stunden am Tag?

Abt Hermann Josef: Vieles ist da eine Frage der Zeiteinteilung. Natürlich ist die Aufgabe eines Abtes und eines Definitors keine tagesfüllende Aufgabe. Insofern kann ich diese Ämter durchaus noch mit den Aufgaben des Pfarradministrators von Windberg und Speinshart verbinden. Freilich gibt es mal Überschneidungen und manchmal sollte ich an zwei Orten gleichzeitig sein. Doch habe ich in Windberg Mitbrüder, die mich in der Pfarrei unterstützen und auch in Roggenburg und Speinshart Prioren, die mich in der Leitungsaufgabe vertreten.

Die Abtei ist einer der großen Arbeitgeber am Ort. Wie viele Leute beschäftigen Sie und in welchen Bereichen sind sie tätig?

Abt Hermann Josef: Wir haben um die 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Neben dem pädagogischen Team in der Jugendbildungsstätte sind sie als Reinigungskräfte, in der Pforte, im Klosterladen, in der Wäscherei, als Hausmeister und in der Verwaltung tätig.

Nennt man in Gesprächen Windberg als Wohnort, dann kommt als Reaktion sehr oft der Hinweis auf Kurse und Freizeiten in der Jugendbildungsstätte. Was macht den guten Ruf dieser Einrichtung aus?

Abt Hermann Josef: Seit den 70er Jahren gibt es die Jugendbildungsstätte. Vor allem die Mädchen- und Bubenfreizeiten waren und sind der Renner. Auch die Tage der Orientierung, die die Schulen der Region seit Jahrzehnten hier durchführen, haben den guten Ruf geprägt. Es sind eine besondere Atmosphäre und ein Flair, der Windberg bis heute ausmacht.

Eine Einrichtung, die sich in den über 20 Jahren seit ihrer Gründung in unserer Region einen guten Ruf erworben hat, ist das Geistliche Zentrum. Wo liegen die Schwerpunkte seines Angebots?

Abt Hermann Josef: Jedes Jahr versucht Pater Jakob, das Programm des Geistlichen Zentrums unter einen Schwerpunkt zu stellen, um auf aktuelle Situationen der Kirche oder gesellschaftliche Entwicklungen einzugehen. Dazu bietet er spirituelle, biblische und philosophische Seminare an, die Menschen helfen sollen auf der Suche nach ihrer Beziehung zu Gott, zu sich selbst und ihren Mitmenschen.

Zum Schluss noch ein Blick auf das Jubiläumsjahr. Was haben Sie für die Feierlichkeiten geplant?

Abt Hermann Josef: Da ist das Hauptfest am 9. Juli mit einem Gottesdienst mit Abt Denis Hendrickx aus der Mutterabtei Berne (NL). Dabei wird auch die von Joachim Schreiber komponierte Messe zu Ehren des heiligen Norbert uraufgeführt. Bereits am 6. Juni feiern wir das Fest des heiligen Norbert mit Vertretern aus den Pfarreien oder Seelsorgebereichen, in denen Windberger Mitbrüder tätig sind. Auch an junge Leute haben wir gedacht und veranstalten am 24. Juni einen Dekanatsministrantentag. Den volkstümlichen Auftakt des Jubiläumsjahres bildet ein bayerischer Bierabend am 4. Februar. Dabei werden die Jubiläumskrüge und das Jubiläumsbier vorgestellt. Den Abschluss bildet eine Ausstellung in den Räumen der ehemaligen Prälatur, die am 8. September eröffnet werden soll.

Interview: Erhard Schaffer/BOG Zeitung vom 17. Januar 2023 (mit Gen. der Lokalredaktion)