Die Kirche braucht „Türöffner“

2021 12 05 Advent2 c

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Predigt am 2. Adventssonntag in der Pfarreiengemeinschaft Mitterfels-Haselbach – gehalten von P. Dominik Daschner OPraem

In meiner Predigtreihe über Adventslieder möchte ich Ihren Blick heute auf unser vielleicht bekanntestes Adventslied überhaupt lenken: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“.

... mit einem Link zur Predigt vom 1. Adventssonntag

Macht hoch1

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Das Lied kommt so feierlich und erwartungsfroh daher, obwohl die Lebensumstände in seiner Ent­stehungszeit kaum Anlass zur Freude boten.


„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit …“ machte Hoffnung in einer Zeit voller Schrecken


Der Dreißigjährige Krieg in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts brachte Schrecken und Tod über weite Bevölkerungsteile. Ganze Land­striche wurden verwüstet, Seuchen und Hungersnöte wurden vielen Menschen zum Verhäng­nis. In dieser schier aussichtslosen Situation verbreitet das Lied „Macht hoch die Tür“ eine ganz an­dere Stimmung. Das Bild vom Tor deutet an, dass mit dem Advent etwas Neues be­ginnt. Hoff­nung macht sich breit. Ein Heiland und König kündigt sich an, ein Herrscher, der Län­dergren­zen überwindet und alle negativen Erfahrungen mit den Königen und Fürsten dieser Zeit auf den Kopf stellt.

Die Verse aus Psalm 24, in dem es mehrfach heißt: „Hebt euch, ihr Tore, euer König kommt!“, diese Verse, die den Dichter des Liedes inspiriert haben, sie werden mit Jesus Christus und mit seinem Einzug in Jerusalem in Verbindung gebracht. In jener Zeit, als unser Lied entstan­den ist, wurde am ersten Adventssonntag nämlich immer das Evangelium vom Einzug Jesu in Jerusalem gelesen. Daher dieser Bezug.


… der ersehnte Heiland, der der Not ein Ende setzt …


Jesus kommt als ein König ohne Hof­staat; nicht auf dem hohen Ross, sondern auf einem Esel zieht er in Jerusalem ein. „Sanft­mütigkeit ist sein Gefährt“, so dichtet unser Lied in Anspielung auf den sanftmütigen Esel als sein Reittier. Er verbreitet weder Furcht noch Schrecken, sondern bringt „Heil und Leben“. Sinnlose Opfer fordert er nicht. Sein Herrscherprinzip, „sein Zepter ist Barmherzigkeit“, wie es im Lied heißt. Er ist der ersehnte Heiland, der der Not ein Ende setzt. Mit den Worten un­seres Liedes: „All unsre Not zum End er bringt.“

Die Verse aus Psalm 24, die dem Lied zugrunde liegen, sie sind ursprünglich Teil einer liturgi­schen Feier anlässlich des Einzugs der Bundeslade in den Tempel. Das Allerheiligste wird in die Mitte des Volkes getragen, der Allerheiligste setzt sich den Menschen aus und wohnt unter ihnen. Gott kommt in unsere Welt; diese gute Nachricht entlockt dem Lieddichter den mehrmaligen Lobpreis: „Gelobet sei mein Gott“. Das macht den Zusammenhang deut­lich: Durch unseren Lobpreis auf Gott richten wir unser Herz auf ihn hin aus, machen wir unser Herz - wie es in der vierten Strophe heißt - zum Tempel, zu einer Wohnstätte für Gott.

Doch, liebe Gemeinde, wie können wir für Gott einen Platz in unserem Leben einrichten? Die Entstehungsgeschichte dieses Adventsliedes ist für mich ein eindrückliches Zeugnis, wie wir selber offen sein können für Gott und wie wir das Tor zum Leben und Glauben für andere öffnen können.


Persönliche Erfahrungen des Dichters liegen dem Text dieses Adventsliedes zugrunde


Der Dichter dieses Liedes, der evangelische Theologe Georg Weißel, war seit 1623 Pfarrer in Königsberg. Aus seinen Erinnerungen wissen wir: Angesichts eines heftigen Unwetters suchten viele Menschen Schutz und Unterschlupf im Dom. Mit den Bildern der katastrophenartigen Überschwemmungen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen heuer im Juli im Hinterkopf, da können wir uns die Szene lebhaft vorstellen. Der Dommesner stand damals am Portal und hieß alle willkommen. Das Tor des Königs aller Könige stehe für alle offen, so seine einladen­den Worte. Dieser freundliche Mesner und seine einladende Geste angesichts der in Not geratenen Menschen, sie beeindruckten Weißel und inspirierten ihn zu seinem Lied.

Schon ein paar Tage später wurde das Lied das erste Mal gesungen. Anlass dafür waren ein traditionelles Ständchen des Kirchenchors und ein verschlossenes Gartentor.


„Macht hoch die Tür …“ – erstmals als Protestlied gesungen


Ein reicher Ge­schäftsmann hatte neben seinem Anwesen ein Wiesenstück erworben, es mit einem Zaun ver­sehen und die Tore verschlossen. Doch über sein neues Grundstück verlief der Weg vom Ar­men- und Siechenheim in die Stadt und zur Kirche. So mussten die Heimbewohner von nun an einen großen Umweg laufen, wozu viele nicht mehr die Ausdauer und Kraft hatten. Am vierten Advents­sonntag 1623 versammelte sich ein Teil der Gemeinde vor dem verschlosse­nen Tor. Pfarrer Weißel hielt eine mahnende Predigt und die Gemeinde sang das Lied „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“. Daraufhin ließ sich der Geschäftsmann umstim­men und öffnete sein Gartentor für alle, öffnete einen Weg, der daraufhin noch lange Zeit „Advents­weg“ genannt wurde. Das Lied „Macht hoch die Tür“ hatte etwas bewegt und selbst Tore ge­öffnet.


Menschliche Sehnsucht nach offenen Türen und Angenommen-sein


Das Bild vom geöffneten Tor, liebe Schwestern und Brüder, ist eingängig und drückt unsere große Sehnsucht aus. Wir sehnen uns nach offenen Türen, nach Gastfreundschaft und An­genom­men-sein. Das gemeinsame Gespräch, eine freundliche Geste, der Blick und die Sorge füreinander sind Ausdruck für eine solche Offenheit. Wir Christen sind gefordert, ande­ren den Weg zu Glaube und Kirche zu eröffnen, sie anzusprechen, einzuladen oder mit unserem Le­ben ins Nachdenken zu bringen, um für sie – so wie der Mesner von Königsberg - zu einem Türöffner zu werden.


Die Kirche braucht Türöffner und keine Vorurteile


Wir brauchen in unserer Kirche wieder mehr Türöffner und weniger grimmige Türsteher, die andere ausschließen. Bei all unserem kirchlichen Tun sollten wir uns be­wusst sein, dass Gott allein der Einladende ist. Die geöffnete Tür, die einladende Geste wird so zu einem Bild für die Menschenfreundlichkeit und Barmherzigkeit Gottes.

Aber wir kennen eben auch die andere Seite: Türen schließen sich, Kontakte werden abgebro­chen, Beziehungen gehen entzwei, der Weg in eine gemeinsame Zukunft wird verstellt durch ver­antwortungslo­ses und selbstbezogenes Handeln. Menschen werden am Fortkom­men und an ihrer Entwicklung gehindert. Unsere innere Tür öffnen wir oft abwartend und skeptisch nur einen Spaltbreit. Durch Vorurteile versperren wir unserem Gegenüber den Weg.


Gott wirkt unter uns, wenn wir offen sind


Das Lied „Macht hoch die Tür“, es ist für mich eine Einladung zur Offenheit sowie die Mah­nung, sich dem Leben und damit Gott nicht zu verschließen. Gott kann unter uns und durch uns nur wirken, wenn wir offen sind und uns von seinem Geist führen lassen, worum die letzte Strophe des Liedes bittet: „Dein Heilger Geist uns führ und leit“. Dann kann Gott unter uns wohnen, dann wird unser Leben glücken und wir gehen gemeinsam den „Weg zur ewgen Selig­keit“, wie es unser Lied besingt.

 

>>> Zum Nachlesen: Die Predigt vom 1. Adventssonntag [... hier]