„Singt laut, wer eine Stimme hat!“

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Predigt am 1. Adventssonntag in der Pfarreiengemeinschaft Mitterfels-Haselbach – gehalten von P. Dominik Daschner OPraem

Mit dem Advent, den wir an diesem Sonntag beginnen, leben auch die Lieder wieder auf, die diese besondere Zeit im Kirchenjahr prägen – die altüberkommenen und die modernen ...

... die wir uns in den vergangenen Jahren neu ins Herz gesungen haben. Ich möchte heuer an den vier Adventssonntagen ein paar dieser Adventslieder mit Ihnen etwas näher betrachten. Mit einem ganz neuen Adventslied, das wir bisher noch nicht kennen, möchte ich anfangen. Es heißt: „Wir ziehen vor die Tore der Stadt“.

2021 11 28 Advent1 Wir ziehen vor die Tore

Vergrößern durch Klick auf das Notenblatt!

Es steht in unserem Gotteslob unter der Nummer 225 – falls Sie mitschauen möchten.


Advent – für viele eine zwiespältige Zeit


Im Advent sind viele Menschen hektisch und sehr betriebsam, müssen Geschenke besorgen, Karten schreiben, dekorieren, Plätzchen backen, Christkindlmärkte und Adventsfeiern be­suchen – wenn sie denn heuer wieder hätten stattfinden können. Kinder sind ungeduldig, schreiben Wunschzettel, öffnen täglich ihr Türchen am Adventskalender, damit das Warten auf Weihnachten schneller vorbei geht.

Gleichzeitig haben aber viele Menschen in dieser dunklen Jahreszeit das Bedürfnis, sich zu­rückzu­ziehen: bei einer Tasse Tee oder Glühwein auf der Couch sitzen, in den Kerzen­schein schauen, sich bequem einkuscheln.


 Zwiespalt war immer


 In diesem Zwiespalt scheinen die Menschen schon immer gelebt zu haben. Der Prophet Je­saja, aus dessen Schriften wir im Advent immer wieder hören, er erzählt uns von dieser Sehn­sucht nach Frieden, Ruhe, Gerechtigkeit. Seine Vision von einer Welt ohne Leid und Not, ohne Streit und Krieg, dafür mit Menschen, die füreinander da sind, die sich umeinander sor­gen und miteinan­der etwas verändern wollen, die ist heute genauso aktuell wie schon vor über 2700 Jahren, als der Prophet gelebt hat.

Wahrscheinlich haben die Menschen damals wie heute über so einen Visionär gedacht und vielleicht auch gesagt: „Der spinnt doch! Das gibt es nicht; das kann es nicht geben. Lass mich mit sowas in Ruhe!“ Damals wie heute haben Menschen sich zurückgezogen, wollen ihre eigene private Welt haben, in der sie in Ruhe leben können, wo sie nicht mit den Problemen der Welt kon­fron­tiert werden. Es ist nur zu verständlich.


Advent bedeutet: Aufbrechen – heraus aus der Komfortzone


Trotzdem vertraut der Prophet Jesaja darauf, dass diese Vision einer neuen Welt Wirklichkeit werden kann - wenn alle, jede und jeder, nach ihren und seinen Kräften sich einsetzt und be­müht. Advent bedeutet eben nicht, besinnlich und ruhig zu sein. So sehr wir auch die Sehn­sucht danach haben. Advent bedeutet: Aufbrechen. So wie es in unserem Adventslied an­klingt: „Wir ziehen vor der Tore der Stadt. Der Herr ist nicht mehr fern. Singt laut, wer eine Stimme hat! Erhebt die Blicke, wer schwach und matt! Wir ziehen vor die Tore der Stadt und grüßen unse­ren Herrn.“

Bei diesem adventlichen Aufbrechen, sollen wir nicht in unserem eigenen Gebiet bleiben, sondern hinaus „vor die Tore der Stadt“, heraus aus unserer eigenen Komfortzone. Wir sollen dorthin gehen, wo jene Menschen leben, die ausgestoßen sind, die nicht dabei sein dürfen und können, die matt und kraftlos sind, die keinen Mut haben, keine Energie, die keine Lobby haben.


Aufbruch ist unbequem


 Der Advent will nicht eine gemütliche Heimeligkeit bedienen, auch wenn bei den zahllosen Adventsfeiern das „gemütlich-besinnliche Beisammen-sein“ so sehr beschworen wird. Der Advent, er will vielmehr zum Aufbruch anstacheln, zu Veränderung, auf eine bessere Welt hin. Vor allem für jene, denen das Leben übel mitspielt. „Er wird zu den Verstoßnen stehn“, heißt es im Lied über den kommenden Christus, den wir adventlich erwarten. Ein solcher Aufbruch ist unbequem. „Er ist entschlossen Wege zu gehn, die keiner sich getraut, vor denen allen graut“, heißt es deshalb in der zweiten Strophe. Aber dieser Aufbruch ist nötig, wenn sich etwas än­dern soll, wenn die Vision von einer Welt mit einem guten Leben für alle Wirklichkeit wer­den soll.


 Aufbruch muss hörbar sein


 Damit etwas in diese Richtung vorwärts geht, sollen wir laut sein, nicht uns hinaus­schlei­chen, nicht uns vorbeidrücken. Adventliche Menschen müssen hörbar sein, müssen ihre Stimme erheben, müssen hinweisen auf das, was schlecht läuft in unserer Gesellschaft, in un­se­rer Welt. „Singt laut, wer eine Stimme hat“, so formuliert es unser Adventslied.

Jesus macht uns diesen adventlichen Aufbruch für eine neue, bessere Welt vor. „Er wird zu den Verstoßnen stehn, wird nicht nach anderer Urteil sehn“ heißt es über ihn im Lied. Ohne falsche Rücksichtnahme auf Ansehen und Stellung, ohne sich beeinflussen zu lassen, erhebt er seine Stimme für die, die niemand sieht, die niemanden haben will, die einsam und alleine sind.


 Auch der Gottessohn verließ die Komfortzone 


Chris­tus hat seine himmlische Komfortzone verlassen, um uns Menschen zu retten. Er ist Mensch geworden. Er ist dabei vor allem zu denen gegangen, die draußen sind: außen vor, ausgeschlossen. Er selbst kommt zur Welt: draußen auf dem Feld bei den Hirten im Stall. Er stirbt draußen vor den Toren der Stadt am Kreuz. Unser Lied fasst dies so in Worte: „Draußen wird er sein, der draußen eine Krippe wählt und draußen stirbt auf dem Schädelfeld.“

Und auch uns ruft Christus heraus zu dieser Aufgabe: „Er ruft uns vor die Tore der Welt“, heißt es im Lied. „Steht für die draußen ein!“ Wenn wir das tun, darin, dort werden wir ihm, Christus, begegnen. Unser Lied deutet das mit der Liedzeile an: „Wir ziehen vor die Tore der Stadt und grüßen unseren Herrn.“


 … das gilt auch für uns 


Im Advent sollen wir aufbrechen, hinaus aus unserer Komfortzone, um möglichst viel zu se­hen und zu hören, wie es in unserer Welt läuft, was darin im Argen liegt, was in ihr noch nicht so ist, damit alle Menschen ein gutes Leben führen können. Dies wahrzunehmen und darüber nachzuden­ken, wie sich daran etwas ändern könnte, und dementsprechend unser Leben zu gestalten. Dazu lädt uns der Advent ein.

Das ist sicher nicht einfach, auch nicht gemütlich, aber es ist ein Schritt auf dem Weg hin zu jener neuen Welt, die mit Christus in unsere Zeit hereinbrechen will. Wenn wir das tun, dann sind wir nahe bei unserem Herrn.