Demut und Bescheidenheit in unserer Ellbogengesellschaft

2019 09 01 Parkett der Eitelkeiten Titel

Kath. Pfarreiengemeinschaft Mitterfels-Haselbach: Predigt von P. Dominik Daschner OPRAEM am 1. September

Wer das heutige Evangelium hört und die Erste Lesung dazu – zum Thema Bescheidenheit und Demut -, der könnte dabei denken: Der Jesus, der hat ja den Dreh raus! Der ist ein raffi­niertes Schlitzohr.

Er weiß wie man’s macht, um die besten Plätze zu ergattern. Zuerst über­trieben bescheiden tun, von sich selber ständig als von „meiner Wenigkeit“ sprechen, sich an der Festtafel ganz hinten hinsetzen, nur um dann vor aller Augen nach vorne auf die besseren Plätze geführt zu werden.

Doch: Nein, liebe Gemeinde, das Evangelium lehrt keine Tricks, um am Ende besser dazuste­hen und hofiert zu werden. Im Evangelium dieses Sonntags geht es nicht um Anstandsregeln für das perfekte Diner. Jesus will damit keine Tipps für das Aufstellen der Sitzordnung bei festlichen Anlässen geben. Wer das - bei einer Hochzeit zum Beispiel – schon einmal machen musste, weiß, was für eine knifflige und heikle Aufgabe das ist.

Jesus ist bei einem führenden Pharisäer eingeladen. Er ist mit seinen Jüngern Gast bei einer Party der Jerusalemer Oberschicht. Da geht es um Sehen und Gesehen-werden. Man beo­bachtet ihn dabei genau, und auch Jesus schaut genau hin, wie sich die Menschen auf diesem Parkett der Eitelkeiten verhalten; wie sie nach den besten Plätzen schielen, sich selber in den Vordergrund spielen.


Jesus erzählt „Partygästen“ Gleichnis von der Demut …


Mit seinem Gleichnis, das er den Partygästen erzählt, gipfelnd in dem Rat, sich nicht selber auf die vordersten Plätze zu setzen, damit legt uns Jesus nicht eine berechnende Höflichkeit ans Herz – ein billiges fishing for compliments -, sondern es geht ihm um die Grundhaltung der dienenden Liebe, mit der wir einander begegnen sollen, um die Demut also. Denn das ist mit diesem Wort gemeint: der Mut zum Dienen, dienende Liebe.


… als Mut zum Dienen


Demut und Bescheidenheit haben es nicht leicht in unserer heutigen Ellbogengesellschaft. Im großen Spiel des Lebens geht es zu wie bei der „Reise nach Jerusalem“, wo immer ein Stuhl zu wenig ist, und jeder versucht, wenn die Musik abbricht, einen freien Platz zu erwischen; mit Hauen und Stechen die Konkurrenten aus dem Feld schlagen. Doch auch schon zu Jesu Zeiten scheint das nicht viel anders gewesen zu sein. Wilhelm Busch hat es Ende des 19. Jahrhunderts auf den Punkt gebracht, wenn er – grammatikalisch nicht ganz richtig – dichtet: „Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr.“ Ein Wort, das noch heute gern zitiert wird. In einer Welt voller Konkurrenzdenken mit Hackordnungen wie auf dem Hühnerhof ist für Demut und Bescheidenheit offensichtlich kein Platz. Diese Tugenden, die uns heute als Wort Gottes nahegebracht werden, erscheinen da als lebensuntauglich.


Demut als christliche Tugend – kein buckliges Duckmäusertum


Ist das wirklich so? Ich meine: Nein. Demut wurde oft missverstanden – und kirchlich bis­weilen leider auch so gepredigt -, als: sich schön unterordnen, nicht auffallen, keine Ansprü­che stellen, nicht anecken, leise treten. Demut als buckliges Duckmäusertum. Doch das ist ein Zerrbild dieser christlichen Tugend. So hat das Jesus mit seinem Aufruf zu dienender Hingabe aneinander nicht gemeint. Demut meint nicht: sich selber klein machen, das eigene Licht un­ter den Scheffel stellen. Sondern sich nicht größer machen, als man ist. Das ist ein gewaltiger Unterschied.


Wer sich „aufmandeln“ muss, glaubt selber nicht an seinen wahren Wert …


Wer sich selber größer macht, sich selbst aufbläst, sich künstlich aufmandelt und vor anderen wichtigmacht, der glaubt letztlich nicht, dass er wertvoll ist, so wie er ist; der glaubt nicht an seinen wahren Wert. Wertvoll wähnt er sich erst, wenn er sich größer darstellt und andere übertrumpft. Und dieses Sich-selber-größer-machen-als-man-eigentlich-ist, das ist durchaus anstrengend. Der österreichische Dichter Ernst Friedl hat dazu das Bonmot formuliert: „Auf­geblasene Menschen leben ständig in Angst vor spitzen Bemerkungen.“ Jesus weiß um diese Angst. Deshalb stichelt er bei den Partygästen im Haus des Pharisäers; deshalb schießt er kleine Pfeile gegen solche Menschen ab.


… den er letztlich von Gott als dessen geliebtes Geschöpf hat.


Recht verstandene Demut, die darauf verzichtet, sich größer zu machen als man ist, ist darum befreiend und eine Haltung der Reife. Sie sieht, dass ich es gar nicht nötig habe, mich über andere zu erheben, denn ich habe – so wie ich bin – meinen Wert. Und den beziehe ist letzt­lich von Gott, als sein geliebtes Geschöpf. Ich darf deshalb zu dem stehen, wer ich bin und was ich kann; und auch zu dem, was ich nicht bin und nicht kann. Wahre Bescheidenheit macht das eigene Selbstwertgefühl nicht davon abhängig, von allen bewundert zu werden und im Mittelpunkt zu stehen. Sie weiß vielmehr um den eigenen Wert. Ich muss meine Talente und meine Stärken nicht verstecken, und kann auch meine Grenzen und Schwächen eingeste­hen.


Demut als Bescheidenheit: „Bescheid“ wissen, wo mein Platz im Leben ist.


Demütig heißt auf Latein: „humilis“. In diesem Wort steckt der Humus drin, der Boden. De­mütig ist demnach, wer nicht in Selbstüberschätzung abhebt, sondern mit beiden Beinen auf dem Boden steht, wer auf dem Teppich bleibt. Bescheiden ist, wer Bescheid weiß, wo sein Platz im Leben ist; der diesen Platz einnimmt, der ihm zukommt und ihm entspricht, und ihn nach besten Kräften ausfüllt. Und der auch seinen Mitmenschen ihren Platz im Leben zu­gesteht.

Mit seinem Gleichnis lädt uns Jesus ein, uns einzuordnen in Gottes Ordnung der Liebe; eine Ordnung, die kein Oben und Unten kennt, weil Gott jedem von uns den Platz zuweist, der uns entspricht, je nach unseren Talenten und Begabungen, unseren Schwächen und Grenzen. De­mütig – in diesem guten Sinn des Wortes – ist, wer sich damit ohne Wichtigtuerei und ohne falsche Bescheidenheit in eine Reihe mit seinen Schwestern und Brüdern stellt.