Was macht den Sonntag zum Festtag?

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Predigt zum 4. Adventssonntag 2018 – gehalten von P. Dominik Daschner OPraem, Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Mitterfels-Haselbach

Was macht den Sonntag zum Festtag?

Ich weiß nicht, ob Ihnen die Band „Torfrock“ ein Begriff ist. In den 70er- und 80er-Jahren war sie mit ihren witzigen, hintersinnigen Liedtexten in den Hitparaden; für die „Wer­ner“-Zeichentrickfilme hat sie die Filmmusik geliefert. Von dieser Band gibt es ein Lied, das die Sonntagsgestaltung in einem typisch ostfriesischen Dorf besingt und aufs Korn nimmt. Im Refrain heißt es dort:

„Sonntags in uns’re Gemeinde tut man nach uraltem Brauch

sich Kaffee und Kuchen in ‘n Bauch und mittags Gemüse mit Schweine.“

Da klingt so manches an, was für die Menschen dort den Sonntag zum Sonntag macht, was ihn vom Rest der Woche abhebt. Der Sonntagsbraten wird da genannt, Kaffee und Kuchen.

Wenn ich Sie jetzt fragen würde: Was macht für Sie den Sonntag zum Festtag? Wodurch ragt er in der Art, wie Sie diesen Tag verbringen und gestalten, unter den übrigen Tagen der Wo­che heraus?


. . . die Antwort: unsere christliche Sonntagskultur


Vermutlich würden viele - wie in dem Lied auch - das besondere Essen am Sonntag erwähnen. Zum Frühstück Kuchen statt Semmeln und Brot wie die Woche über. So kenne ich es selber von klein auf; und so halte ich es bis heute.

Mittags ein festliches Menü daheim oder das Essen im Gasthaus, so würden wohl einige ant­worten. Das gemein­same Mahl mit der Familie, wo man zusammensitzt, gemeinsam speist und sich austauscht. Nicht so wie werktags, wo - auch in Familien - oft jeder nach Kantinenart isst, wann man ge­rade heimkommt und Zeit hat. Eher als bloße Nahrungsaufnahme, denn als bewusstes Genie­ßen der Speisen. Oder gar nur noch im Vorübergehen am Schnellimbiss; Essen to go; buch­stäblich von der Tüte in den Mund, unterwegs durch die Fußgängerzone. Zumindest am Sonntag soll das anders sein; so empfinden es viele.

Manche kennen noch das Sonntagsgewand; dass man sich am wöchentlichen Feiertag, zum Kirchgang, festlicher kleidet als werktags. Auch das ein Stück Sonntagskultur. Oder auch, dass es sonntags insgesamt ruhiger zugeht, man es entspannter angehen lassen kann, nicht nach der Uhr leben muss wie an Arbeits- oder Schultagen, wo der Terminkalender den Takt vorgibt, sondern vielleicht länger ausschla­fen mag, Zeit füreinander hat; dass man gemein­same Zeit mit der Familie oder mit Freunden verbringt, etwas zusammen unternimmt. Alles das hebt den Sonntag vom Rest der Woche ab. Und natürlich, dass der Sonntag arbeitsfrei ist, wovon letzten Sonntag schon ausführlich die Rede war.


Die christliche geprägte Sonntagskultur geht immer mehr verloren.


Alles das zusammen bildet unsere christliche Sonntagskultur, die über Jahrhunderte geworden ist, die den Sonntag über die anderen Tage der Woche hinaushebt und auf diese Weise in uns bewusst hält, dass der Sonntag unser christlicher Ur-Feiertag ist, unser wöchentliches Oster­fest. Leider geht diese christlich geprägte Sonntagskultur immer mehr verloren, wird der Sonntag mehr und mehr eingeebnet ins Wochenende und unter die restlichen Tage der Wo­che.

So nimmt – trotz gesetzlich geschützter Arbeitsruhe am Sonntag – die Sonntags­arbeit stetig zu. In einer Erhebung aus dem Jahr 2014 kam zu Tage, dass in Deutschland mittlerweile 14 Prozent der Arbeitnehmer ständig oder regelmäßig sonntags arbeiten – jeder siebte also. Bei den Selbstständigen ist der Prozentsatz noch deutlich höher. 20 Jahre zuvor waren es nur zehn Prozent. Natürlich gibt es Dienste, die in unserer Gesellschaft rund um die Uhr gebraucht werden und abrufbar sein müssen, sieben Tage die Woche – Polizei, Feuerwehr, Kranken­häuser, Ärzte, Pflegedienste, Servicekräfte -, weshalb jene, die in solchen Berufen tätig sind, immer wieder auch sonntags arbeiten müssen. Da geht es nicht anders.

Aber müssen tatsächlich Bäckereifilialen am Sonntagvormittag offen haben? In Zeiten von Tiefkühltruhe und Mikrowelle kann man die Semmeln für das Sonntagsfrühstück doch auch daheim auftauen und aufbacken; und der Sonntagskuchen wird bis dahin auch nicht schlecht, wenn man ihn schon am Samstag kauft. Und müssen Möbel oder Autos ausgerechnet sonn­tags ausgesucht und gekauft werden? Geht das nicht an den anderen Tagen des freien Wo­chenendes, das für nicht wenige heutzutage spätestens am Freitagmittag anfängt?

Die verkaufsoffenen Sonntage werden auch immer mehr. Schauen Sie mal in die Zeitung! Es vergeht kaum ein Wochenende, wo nicht irgendwo im engeren Umkreis verkaufsoffener Sonntag ist. Ich denke mir manchmal dabei: Wenn der Mensch unserer Tage schon mal frei hat, fällt ihm dann nichts anderes mehr ein, als wieder Kaufen und Konsumieren? Zählt der Mensch nur noch als Wirtschaftsfaktor? Der Sonntag will den Kreislauf von Arbeit und Kon­sum gezielt unterbrechen, damit uns bewusst bleibt: Der Mensch lebt nicht nur von dem, was sich rechnet. Der Grundsatz „Zeit ist Geld“ soll nicht alle Tage unseres Lebens beherrschen. Der Sonntag und das, wofür er steht, ist unbezahlbar.

Natürlich erhalten all die, die am Sonntag arbeiten müssen, dafür irgendwann anders während der Woche einen freien Tag. Aber da müssen dann eben all die anderen arbeiten und haben keine Zeit, um sich mit mir zu treffen oder gemeinsam etwas zu unternehmen. Ein verbindlicher gemeinsamer freier Tag für weitgehend alle, das hat doch eine ganz andere, viel höhere Qualität - für jeden Einzelnen und für unsere Gesellschaft als ganze.

Bis vor einigen Jahren gab es in Deutschland zudem die Übereinkunft zwischen Sportverbän­den und Kirchen, dass der Sonntagvormittag von Jugendspielen freigehalten wird, um den Kindern und Jugendlichen die Teilnahme am Sonntagsgottesdienst nicht zu verbauen. Das ist von den Sportverbänden irgendwann stillschweigend aufgekündigt worden.


Ohne christlichen Sonntag gibt es nur mehr Werktage


So geht unser christlicher Sonntag mit seiner speziellen Sonntagskultur immer mehr verloren, wird der Sonntag nach und nach eingeebnet zu einem Tag wie jeder andere. Vermutlich wird es sein wie so oft: Der Mensch merkt erst dann, was er verloren hat, wenn es zu spät ist. Erst wenn der christliche Sonntag mit seiner Arbeitsruhe endgültig passé ist, werden wir gewahr werden, welch hohes Gut wir da ohne Not aufgegeben haben. Ohne christlichen Sonntag gibt es nur mehr Werktage!


Persönlich entgegensteuern


Darum sollten wir als Christen dieser Tendenz so gut es geht entgegensteuern und persönlich alles tun für eine gelebte Sonntagskultur, damit der Sonntag für uns jener besondere Tag der Woche bleibt, unser wöchentlicher Feiertag.

Gelebte Sonntagskultur:

ein Tag, der uns aufatmen lässt,

ein Tag, der zum Fest wird,

ein Tag, der uns Orientierung gibt,

ein Tag, der uns Lebenssinn erschließt,

ein Tag, der uns zusammenführt,

ein Tag, der uns aus dem Alltagstrott befreit,

ein Tag, der unsere Sinne öffnet,

ein Tag, der uns zu Gott führt.

Übrigens gibt es nicht nur von der ostfriesischen Band „Torfrock“ ein Lied über gelebte Sonntagskultur. Auch in unser neues Gotteslob hat man ein eigenes Sonntagslied aufgenom­men. Unter der Nummer 103 ist es zu finden. Es fasst in drei Strophen knapp zusammen, was der Sonntag für uns Christen ist, warum wir die­sen Tag hochhalten sollten:

Dieser Tag ist Christus eigen,

und das erste Morgenlicht

will von seinem Leben zeugen,

das die Todesnacht durchbricht.

Wenn wir sein Gedächtnis feiern,

Untergang und Auferstehn,

wird sich unsre Zeit erneuern,

wird er menschlich mit uns gehn.

Segne, Herr, den Tag der Tage,

dass die Welt dein Kommen spürt.

Löse Mühsal, Streit und Plage,

dass für alle Sonntag wird.