Konzell. Heftige Flirts im Sitzungssaal

Hist Stueck Konz nLo­cke­re Stim­mung beim Cas­ting für das his­to­ri­sche Stück „Im Schat­ten des Turms“


Konzell. Vor Kurzem hat im Sitzungssaal in Konzell ein Casting für das historische Stück „Im Schatten des Turms“ stattgefunden. Im August soll es als Freilichttheater aufgeführt werden. Autorin Gabriele Kiesl hat das Textbuch zum Stück geschrieben. Weil Kiesl das Textbuch an die Schauspieler anpasst, hat sie ein Casting organisiert. Neben dem Fotografen Michael Cizek hat sie den Konzeller Bürgermeister Fritz Fuchs und 3. Bürgermeisterin Renate Eckmann in die Jury geholt.
Die Magd Magdalena, die in dem Stück neben ihrem Liebhaber Dominikus die Hauptfigur ist, soll einen „rassigen, verführerischen und hoheitsvollen“ Charakter haben. Die Männerwelt würde ihr deshalb zu Füßen liegen. „Mach mal dem Bürgermeister klar, dass seine Frau für eure Liebe sterben muss“, gibt Textbuchautorin Gabriele Kiesl die Regieanweisung. Doris Pöschl, die schon ein wenig Schauspielerfahrung hat, legt sich ins Zeug. Zuerst ein charmantes Lächeln, dann ein entschlossener Gesichtsausdruck. Doris, alias Magdalena, beugt sich zu Fritz Fuchs vor, der in diesem Fall die Rolle des Dominikus übernimmt, und schaut ihm tief in die Augen. „Die Frau, die muss weg“, sagt sie energisch. Dann lächelt sie wieder bezaubernd und legt ihre Hände auf die seinen. Überzeugungsarbeit muss sie bei Fuchs kaum leisten. Das Knistern, das in der Luft liegt, ist so authentisch, dass Kiesl sich zu einem Verweis auf die Ehefrau von Fuchs hinreißen lässt: „Guad, dass de Annelies ned do is…“, meint sie trocken. Pöschl und Fuchs sind nicht die einzigen, die miteinander können. Im Sitzungssaal von Konzell wird am Freitagnachmittag heftig geflirtet. Schließlich sollen Schauspieler gefunden werden, die die Liebesbeziehung zwischen den Protagonisten Dominikus und Magdalena glaubhaft darstellen können. Elf Teilnehmer nehmen am Casting für das Theaterstück „Im Schatten des Turms“ teil, fünf feste Leute werden für die Haupt- und Nebenrollen ausgewählt.

Öffentliche Hinrichtung von Dominikus im Jahr 1847

Das Textbuch für das Stück beruht auf einer wahren Begebenheit: Mitte des 19. Jahrhunderts entfacht die Liebe zwischen dem Hauptlehrer Dominikus und der Magd Magdalena. Die beiden treffen sich immer wieder im Kirchturm von Konzell, der zu ihrem Liebesnest wird. Der Pfarrer bekommt Wind davon. Darum beschließen die beiden, ihn zu vergiften. Auch die Frau von Dominikus, die der Affäre auf die Schliche gekommen ist, muss sterben. Im Jahr 1847 wird Dominikus deshalb öffentlich hingerichtet. Gabriele Kiesl, die in Cham vor allem durch ihre Kleinkunstbühne „Tintenfassl“ und ihr Drehbuch zum Film „De Überbliema oder Ois bleibt besser“ bekannt ist, hat das Textbuch bereits zu 80 Prozent fertig. Den restlichen Teil wird sie den Charakteren der ausgewählten Schauspieler anpassen. Das Stück wirke dadurch viel authentischer.

Pfarrer bekommt Wind von Schäferstündchen auf Turm

Kiesl gibt beim Casting den Ton an. Die Textbuchautorin mit den blonden Locken und der rot-gemusterten Brille weiß, wie sie sich ihre Darsteller vorstellt. „So stylish ham de damals fei ned ausgschaut“, sagt sie zu Casting-Teilnehmer Franz Rinkes, der gerade den Sitzungssaal betritt. Seine Brille hat er sich lässig ins Haar geschoben, einen blauen Schal locker um den Hals gewickelt. Er muss mit Doris Pöschl vorspielen, wie sich Magdalena und Dominikus kennenlernen und findet, wie zuvor schon Fuchs, Gefallen an ihr. Nach der Szene legt er seine Hände auf ihre Schultern und führt sie mit den Worten „I hob des wos i wollt“ zur Tür. Ein wenig muss sich der Falkenfelser jedoch noch gedulden. In der nächsten Szene soll er nicht mehr Dominikus, sondern den Pfarrer verkörpern, der Dominikus bei einem Schäferstündchen mit Magdalena auf dem Turm erwischt hat. Das lässt er sich nicht zwei Mal sagen und legt gleich los. „Ja hosd as du no alle“ herrscht er Dominikus, wieder gespielt von Fritz Fuchs, an. Dominikus ist ziemlich erschrocken und versucht, sich zu verteidigen. „Ja hod uns hoid druckt, bin ja a bloß a Mensch“, sagt er ziemlich kleinlaut.

Die Idee für das Stück kam Renate Hof, der Tourismusbeauftragten von Konzell. „Wir haben zwei Jahre lang überlegt, was Konzell hat, das andere nicht haben“, erklärt sie. Als sie das Buch „Im Turm zu Konzell tanzt der Tod“, das die Geschichte von Dominikus und Magdalena behandelt, gelesen hat, kam ihr der Einfall. In der Gemeinderatssitzung im Februar hat man schließlich beschlossen, das Buch als Theaterstück umzusetzen und die Autorin Gabriele Kiesl mit ins Boot geholt. „Weil sie so besessen war, im positiven Sinn“, so Fuchs. Immerhin ist es Kiesl gelungen, das ganze Textbuch innerhalb kürzester Zeit zu schreiben. Im Staatsarchiv in Landshut lagern 500 Blatt Papier zum Fall Dominikus, unter anderem das Todesurteil und die Prozessakten. Fuchs war schon im Archiv und hat die Schriften für eine Schülerin, die ihre Facharbeit über die Hinrichtung schrieb, aus der Sütterlinschrift, einer alten deutschen Schrift, transkribiert. Doch so viel Zeit wie Fuchs hatten nicht alle für die historische Geschichte investiert. „Zwischen Flascherl geben und Windeln wechseln“ hat Christian Schedlbauer aus Rattenberg seinen Text gelernt. Seine Freundin hat kein Problem, dass er beim Theaterstück mitmacht „Bloß schmusen derfst ned“, war die einzige Vorgabe ihrerseits. Das Miteinander bleibt an diesem Nachmittag locker – Sonja Weiß aus Konzell hat ihren Auftritt. „A Hiesige traut se a“, sagt die kesse Blondine mit dem Bob, als sie zur Tür hereinkommt. „I hob zwar koa große Theatererfahrung...“ „Do frong ma mol dein Mo“, schießt Fuchs zurück. Der Bürgermeister freut sich, dass viele Einheimische zum Casting gekommen sind und hofft, dass viele bei den Aufführungen vertreten sind. Und wer weiß, vielleicht sind die Schauspieler auch bald auf der Leinwand zu sehen – eine Verfilmung des Stücks wird nämlich angestrebt.

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Quelle: Anna Weber/BOG Zeitung vom 4. April 2018 (Übernahme mit Genehmigung der Redaktion)