Wie es einst auf dem Land an Lichtmess war

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Zwei Dienstboten (links) waren um 1913 auf dem Eibauern-Hof in Weingarten eingestellt. (Foto von Familie Eibauer zur Verfügung gestellt.)

Ein richtiger „Bauernfeirta“ war einst der 2. Februar, der eigentliche Jahresanfang im volkstümlichen Bauernkalender.

Seinen Namen hat „Liachtmessn“ von der Lichterweihe, von der „Lichtmesse“ und Lichterprozession, die heute allerdings auf den vorhergehenden oder darauffolgenden Sonntag von Maria Lichtmess verlegt sind.

In den Auslagen der Wachszieher und Dorfkramer prangten Wochen vor „Liachtmessn“ farbige, verzierte Wachsstöckl in Buch-, Herz- und Knäuelform, lagen in Bündeln geschichtet Haus- und Wetterkerzen für Tauf, Brautsegen, Erntedank, Sterbensweh und Tod, gegen Schauer, Wasser- und Feuersnot. Gut ging das Wachsgeschäft in diesen Tagen; denn jeder weibliche Dienstbote bekam von der Bäuerin „z’Liachtmessn“ ein Wachsgeschenk. Die heiratsfähige Tochter erwartete sich von ihrem Hochzeiter ein goldgeblümeltes Prachtstöckl mit aufgegossenen Röserln, flammendem Herzen oder verschlungenen Händen, der Knecht verehrte der Hausmagd für das Aufbetten ein rotes Wachspräsent mit einem Bildl und einem Spruch und Dodl und Död hielten für ihre Patenkinder ein kleines Wachsstöckl bereit. Besondere Zierstücke kamen in das Glaskastl oder fanden zwischen dem Linnen im Kasten einen Ehrenplatz.

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Wachsstöckl für d' Tauf und für d' Erstkommunion, eine Wachsdose mit dem Jesuskind und ein Stöckl für d' Braut

In der Lichmesswoche fanden sich auch Dienstherrschaft, Kinder und Ehehalten in vielen Bauernhäusern unseres Heimatbezirkes am Abend nach der Stallarbeit im Herrgottswinkel der Wohnstube zusammen, um hier gemeinsam für die abgeschiedenen Seelen der Familie und der „Freundschaft“ einen Rosenkranz zu beten. Für jeden Toten „pappte“ auf einem Weilingsbrettl ein brennendes Pfennigkerzerl, flackerte unruhig hin und her, und wehe, wenn es im Hauche des Beters verlöschte. Nach altem Aberglauben brannte es als Sterbenslichtl dann bald hinter dem eigenen Sarge. Das Tropfwachs kam ins Herdfeuer und schützte den Hof vor Blitz- und Feuersgefahr.

War das Abendessen noch so groß und beschäftigte der Bauer noch so viele Dienstboten, am Lichtmesstag ging es der Dienstherrschaft „dick“ ein, denn da ging es auch um das Ein- und Ausstehen der Dienstboten, wenn auch verschiedentlich die Knechte schon auf Stephani den Dienstplatz änderten.

Dienstwechsel - ein langer Entschluss

Selbstverständlich wurde der Entschluss des Dienstwechsels nicht von heute auf morgen gefasst; er stand meist schon Wochen und Monate vorher fest:

Die Zenzl zum Beispiel ist ein ehrbares und fleißiges Leut. Sie hält dem alten Dienstplatz beim Goribauern schon lange die Treue, weshalb die Bäuerin Wert darauf legt, dass ihre Hausmagd auch in diesem Jahr wieder bleibt. Aber sie darum anreden, da „dat sie sich was vergebn“. Und deswegen sagt’s so hintenrum, weil’s a si grod schickt: „’s nächste Jahr, Zenzl, moan i, werd’s a weng mehra Arbat geb’n. Woaßt scho, mehra Fackin wui er, der Bauer, und Kaiwi, a zwee, a drei wern ma aa no aufstelln.“

„Aha, denkt die Dirn, etz schlogt’s in die Staudn, ob i wieder bleib“, sagt aber koa Sterbnswörtl. „No“, meint die Gorin, „host do gor nix drauf z’sagn?“ „Jo, des scho! I bi gern da, und d’Arwat is ma nia z’vui gwen, aber...!“ „Wos aber? Nix aber! I moan allwei, di druckt wos!“. „Ja, wennst as scho wissn wuist, Bäuerin! Z’Liacht­messn geh i. I sag das glei, wias is, da Lohn is ma zweng. D’Weberin z’Winkling gibt ma um 20 March mehra ‘s Johr!“ „So, so! Und deszwegn dat’st du geh! Wos d’Weberin ko, des ko i aa. Is na recht?“.

„No ja, na bleib i halt wieda!“

Oft auch gesungener Abschied

Anders oft der Mitterknecht und die Dritteldirn: Wenn es keinen Sonntag, kein Bier und keine Zigaretten gäbe, wäre er, der Sepp, der handsamste Kerl. Aber ist irgendwo zwei Stund im Umkreis eine Tanzmusik, ein Schafkopfrennerts oder Kegelscheiberts, der Sepp ist vertreten. Und der am Samstag geholte Lohn reicht kaum bis zum Sonntag. Mit dem Aufstehen hapert’s dann halt immer und der Krach ist fertig. Weil ihm aber das Lamentieren gar nicht passt, probiert er auf Lichtmess wieder einmal, wie schon so oft, einen anderen Dienstplatz. Gleich nach der Kirche nimmt er sich vor, Bauer und Bäuerin zu hanseln und so singt er:

„Jetzt kimmt dö schöne Lichtmesszeit, do bin i voglfrisch, i bind mein schöna Schaba um und stell mi an Bauern vorm Tisch. Bäurin trog an Geldbeutel rei, Bauer zahl mi aus. Gib ma, wos d’ma schuldi bist, sunst bringst mit aus’m Haus. Knödl und Baunzn, de ham mi vatriebn, hätt’s ma wos bessers z’Essen gebn, na war i wieda bliebn!“

Der Bauer aber kannte seine Pappenheimer; er gab ihm den Rest seines Lohnes und war herzlich froh, wenn der Knecht der Haustür den Rücken kehrte. Soll wieder ein anderer mit dem glücklich werden!

Die Urschl, die Drittelsdirn, ist mitten in der Arnt eingestanden. Sie hält nirgends lang aus. Wiederholt hat ihr auch der neue Dienstherr zu verstehen gegeben, für sie wäre jederzeit Lichtmess. Aber da sie weiß, dass um die Winterszeit schlecht eine gute Stellung zu erhalten ist, zeigt sie kein Gehör. Für Lichtmess hat ihr aber die Dienstherrschaft aufgesagt; denn die Kammertür der Urschl hatte zudem oft keinen Riegel, so dass die Burschen fleißig Einkehr hielten. Kein Wunder, dass ihr die Bäuerin das Kreuz nachmacht, wenn die Dirn mit ihrem Gwandkasten den Hof verlässt. „Des Weibats hot ja net dobleibn kinna“, sagt sie; „ham ja Kastnfüaß scho beim Hoftürl nausggschaugt, wias s’eingstandn is!“

Beim Dingen 5 Mark Handgeld für die Magd

Mit solchen „Deanstboten“ hat da Bauer sein „Gfrett“. Aber es wäre gefehlt, wenn er mit lauter solchen Knechten und Mägden hätte wirtschaften müssen. Zur Ehre der ländlichen Ehehalten sei es gesagt: Es gab und gibt noch viele, die diesen Ehrennamen im wahrsten Sinne des Wortes mit Recht verdienen, weil sie in Arbeit und Erholung, in Freude und Leid unentwegt zu ihrer Dienstherrschaft hielten und halten. Schließlich wussten doch die meisten Bauern, was sie ihren Dienstboten für diese Treue, für solchen Fleiß schuldeten: Rechte Entlohnung, gute Behandlung, eine nahrhafte Kost und von Zeit zu Zeit ein anerkennendes Wort. Es war auch in der „guten alten Zeit“ nicht wenig, was die Bauern an Lohn den Dienstboten zu geben hatten. Hören wir mal, was für so eine „Ausbedung“ so üblich war: Für eine Magd: 5 Mark Haftgeld beim Dingen, also vor dem Einstehen am Dienstplatz; 320 Mark Arbeitslohn jährlich, 10 m weißes Baumwolltuch zu Hemden, 6 m Hemdenzeug, Stoff zu einem schönen „Gwand“, ein Schnittschurz, ein Sommergwand für die Heumahd und ein Paar Schuhe. Außerdem wurden vereinbart pro “Knetat“ („Bachat“- Brotbacken) ein Laib Brot, 23 Küachln, ein gehöriges Stück Schweinefleisch, einige Blut- und Leberwürste sowie ein großes Stück Brot auf Fastnacht, 23 farbige Eier auf Ostern und schließlich Küchln auf Weihnachten und Kirchweih. Ganz früher erhielt die Dirn am Schluss der Woche jeden Samstag eigens sechs Küachln. Auf Jakobi sind 5 Mark „Jackerszech“, am Palmtag bzw. am Tag der Jahreskommunion 5 Mark „Palmzech“ fällig.

Die Unterdirn, Dreierdirn, Drittelsdirn und „’s Mella“ (Madl) sind in ihrer Entlohnung entsprechend der Rangordung bezüglich des Barlohnes und des „Zuakemmats“ etwas geringer eingestuft. Schließlich winkt der Dirn, die die Schweine zu versorgen hat (Saudirn), noch ein weiteres kleines Einkommen, indem sie pro „Fekla“ (Ferkel) 20 Pfenning und pro Frischling 1 Mark „Saugeld“ vom Bauern bekommt. Der Stallmagd oder dem Schweizer werden für jedes Stück Großvieh beim Verkauf 2 bis 3 Mark, für jedes Kälbchen 50 Pfennig Stallgeld gewährt.

Mehr Geld aber weniger Zugaben für Knechte

Erster Knecht, Mitterknecht, Stangareiter, Dreier (Drittler), Oberbua und Unterbua sind zwar bezüglich des Barlohnes besser daran, wie die ihrer Dienststufe entsprechenden weiblichen Ehehalten (ein Knecht bezieht z.B. 500 Mark Jahreslohn), dürfen sich aber keineswegs eines so großen „Zuakemmats“ erfreuen. Dem ersten Knecht sind z. B. nur drei Hemden, ein Fürta (Schaba) ausgemacht, den anderen „Mannsbuidern“ zwei „Hemada“ und ein „Fürta“, Haftgeld, Palmzech und Jackastärk erhalten sie nach ihrem Dienstrang von 6 bis 2 Mark abwärts.

Auf „Lichtmessen“ in der Frühe nach der Kirche holte abermals der Bauer die mit blanken Goldfuchsen und neuen Talern gefüllte lederne „Geldkatze“ aus dem sicheren Versteck und zahlte damit seine Ehehalten aus, nicht ohne die guten Wirtschafter und Sparer zu loben und dem einen oder anderen ein guten Rat oder eine ernste Mahnung zu geben. Mancher Taugenichts aber holte sich bei dieser Gelegenheit einen gehörigen Rüffler, den er sich nicht „hinter die Ohren steckte”.

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1781 entstand Dienstbotenordnung

Die 1781 unter Kurfürst Karl Theodor von Bayern erlassene, von Baron von Kreittmayr in 44 Punkten abgefasste Dienstbotenordnung hat übrigens an und für sich in damaliger Zeit „die Zügellosigkeit, den Übermuth und allerlei sonstigen Muthwillen der Dienstboten und Tagwerker“ stark beschränkt. Alle Dienstboten mussten sich mindestens auf ein Jahr verdingen und durften vor Ablauf dieser Frist den Dienstplatz nicht verlassen, es sei denn, „daß sie in langwürige Krankheit verfallen oder eine anständige Heurath überkommen, oder daß sie das Gut ihrer Eltern übernommen hätten“. Die „Dingung“ konnte nur sechs Wochen vor Lichtmess und Michaeli geschehen. Das Haftgeld durfte den 20. Teil des Lohnes nicht übersteigen, widrigenfalls 2 - 4 Reichstaler Strafe bzw. Arrest verhängt wurden.

Sechsjährige Militärzeit oder Arbeitshaus drohte den Knechten, die wiederholt ihre Arbeitsstelle bei einem Bauern widerrechtlich verließen. „Aufhetzer oder Unterschleifgeber“, die das Entlaufen der Dienstboten unterstützten, wurden in Geldbußen bis zu zwölf Taler genommen oder in besonderen Fällen mit Arrest, Stockhieben oder „Geigen“ bestraft. Da der Dienstherr im 18. Jahrhundert vor Beendigung eines Dienstjahres keinen Heller Lohn auszahlen durfte, und die Knechte und Mägde bei Wirten, Bierzäpflern und Schenkleuten aufgrund der Ehehaltenverordnung vom 17. März 1755 keinen „Pump“ anlegen konnten, war von Haus aus jede unnütze Ausgabe der Dienstboten unmöglich.

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Schlenkweil als Urlaub

Die seinerzeit noch übliche Schlenkelweil auf Lichtmess - die Zeit zwischen Austritt und Wiedereintritt in einen Dienst - gestattete die schon erwähnte Dienstbotenverordnung. Diese Freizeit diente den Ehehalten dazu, ihre Wäsche und Kleidung in Ordnung zu bringen und dem Heimatort, den Eltern, Geschwistern und der „Gfreundschaft“ einen Besuch abzustatten. Während sich diese freien Tage oft bis Agatha (5. Februar) ausdehnten, durfte das „Kälberweilen“ in früherer Zeit nur zwei Tage dauern. Blieb ein Dienstbote länger als drei Wochen ohne Dienst, so wurde er mit strengen Strafen belegt.

Ein Brot bei der Kündigung

Die Bäuerin ließ sich von jeher beim „Schlankeln“ nicht „anschaugn". Sie kochte an diesen Tagen „schmierbig“ auf. „Den Bleibenden zur Ehr, den Ausstehenden zu Geh und Weh!“ Sie „brachte“ die scheidenden Dienstboten aus und die neuen ein; denn: „Z´Lichtmesse is koa Bäuerin so arm, daß net ihr Pfandl hoaß und fett macha kann“ - Ein Laib Brot, der sogenannte „Zehr- oder Wanderlaib“ war jedem Knecht, jeder Magd, jedem Buam und Madl, die den Dienst verließen, getreues Geleite und sollte über die Zeit der Trennung bis zum Wiedereintritt in den neuen Dienst hinüberhelfen. Auch zum Einstand wurde da und dort ein „Schenklaib“ verabreicht. Am liebsten wurde als Einstehtag in unserem Heimatbezirk der Mittwoch gewählt; schickte sich das aber nicht nach dem Kalender, so warteten die Dienstboten mit dem Dienstantritt bis zum Samstag; denn man sagte: Am „Migga kumma de Gschicktn, am Pfingsta de Unsinniga, am Freitag de Lausinga, und am Samstag d’Nudlbuam!“

Gwandkasten wurden abgeholt

Im „Sonntagsklüftl” holten die Knechte mit Fuhrwerk oder Schlitten an den Schlenkeltagen die „Gwandkastn“ und Truhen der neueingestandenen Dienstboten bei ihren früheren Dienstherren. So etwa hat sich das damals abgespielt:

Vor dem Hauserhof steht unruhig der Bräundl mit dem Kleewagl. Die Maurer Zenz und der Weber Hias verlassen den Dienstplatz. Er übernimmt daheim das elterliche Gütl. Und da hat er sich die Zenz als fleißige Hauserin ausgesucht. Auf der steinernen Haustreppe schütteln sie dem Bauern und der Bäuerin, den Kindern und anderen Dienstboten, mit denen sie ein paar Jahre schiedlich und friedlich zusammen gehaust haben, noch einmal herzhaft die Hände und nehmen Abschied. Der Oberknecht fährt ihnen Kasten und Truhe ins elterliche Haus. Ein frohes Wünschen, ein lebhaftes Winken begleiten den Abschied, die Peitsche knallt, ein paar wehmütige Blicke und das Gefährt biegt um die Ecke.

Und von ferne klingt der Lichtmessvers: „Heint is a schena Tog, singan de Moasn, heit is da Liachtmesstag, do müaß ma roasn!“


Quelle: Mitterfelser Magazin 8/2002, S. 63ff