Früheres Mitterfelser Waldbad mit dem Steinbruch (rechts), der in der "Lausbubengeschichte" von Franz X. Schwinghammer genannt ist. (Foto: Franz Stolz) - Vergrößern durch Anklicken!
Nach dem Bau der Wasserleitung 1949 (Mitterfelser Magazin 5/1999) wandte sich Bürgermeister Albert Dietl mit seinen Gemeinderäten dem Straßenbau zu, der der Bevölkerung eine staub- und dreckfreie Fahrbahn bescheren sollte. Anfangs der Fünfziger verwendete man Granitstein und Granitschotter als Unterbau für eine moderne, geteerte Straßendecke. Nicht anders lief das auch in Mitterfels, als die Burgstraße und die Lindenstraße ihr Gesicht veränderten.
Damit erübrigte sich auch, dass die Mamis wie in jedem Frühjahr mit ihren Kinderwagerln zur “Teerstrass“ zogen, um mit ihrem Nachwuchs in den ersten Frühlingssonnenstrahlen sauberen Fußes promenieren zu können. Diese “Teerstrass”, heute Steinburger Straße genannt, existierte damals als eine der wenigen weit und breit.
Anlässlich dieses Mitterfelser Straßenbaues sah man wie zuvor bei der sehr beschwerlichen Wasserleitungsgraberei zum Teil wieder die gleichen Männer mit Schaufel und Pickel bewehrt im Einsatz. Es handelte sich häufig um aus der Kriegsgefangenschaft entlassene Soldaten, die zum Beispiel ihre aus Schlesien geflohenen Ehefrauen in Mitterfels wieder gefunden hatten. Diese Männer also brauchten zur Grundierung des Projektes den bereits erwähnten Granit.
Das Material kam aus dem Mitterfelser Steinbruch am Waldbad. Die Badelustigen sahen die Liegewiese groß und größer werden, je mehr Fels abgesprengt und verarbeitet wurde. Dazu stellte man eine Steinquetsche am rechten Perlbachufer auf, die auf einem Betonsockel platziert wurde, den man heute noch sehen kann. Dieses Fundament steht etwa 50 Meter von der Badwiese entfernt in Richtung Höllmühle.
"Die Badelustigen sahen die Liegewiese groß und größer werden, je mehr Fels abgesprengt und verarbeitet wurde." (Früheres Waldbad, 1960; Aufn. und Verlag Foto Eiglsperger, Mitterfels - Sammlung Christl Jakob)
Ein schmales Gleis führte vom Steinbruch zur Quetsche, das von einer niedlichen Diesellok mit einer Anzahl von “Roiwagerln” benützt wurde Und diese Wagerl erweckten in mir, im Groß Kare und im Kroll Edi einen kleinen, aber nicht unterdrückbaren Geschwindigkeitsrausch.
Eines schönen, trockenen Frühlingssonntagvormittags begaben wir uns gleich nach der Kirche, jeder in seinem einzigen Anzug, natürlich jeder auch fein säuberlich mit seiner einzigen Krawatte geschmückt, "ins Bad hintare”. Wir begutachteten fachmännisch die Rollwagerlbahn und sahen, dass die Lok oben bei der Quetsche mit einigen muldenbestückten Wagen stand. Auf der Badwies war ein “nackertes Roiwagl” auf einem Nebengleis abgestellt, also eines ohne Mulde. Genau dieses Fahrzeug wurde zum Objekt unserer Begierde.
So ähnlich könnte die kleine "niedliche Diesellok mit einer Anzahl von Roiwagerl" ausgesehen haben. Wir sind bis jetzt noch nicht "foto-fündig" geworden. © ft
Wir vereinbarten das Gerät bis zur Quetschenrampe hoch zu schieben und beim Herunterfahren etwa in der Mitte der Badwies abzubremsen. Als Bremsvorrichtung sollte ein anderthalb Meter langer, acht Zentimeter starker, grüner Eichenprügel dienen. Als Bremser meldete sich der Kroll Edi. Ich betätigte mich als Zugführer und der Groß Kare zusammen mit mir als Anschieber.
Also gingen wir ans Werk. Das “nackerte Wagerl” ließ sich gut anfassen, weil die störende und vielleicht auch verdreckte Mulde fehlte. Jeder passte auf seinen einzigen Anzug nebst Krawatte peinlich genau auf. Vor allem achteten wir bei jedem Schritt bergan, dass unser Sonntagsgwand die verrosteten Aufbauten nicht berührte, denn Rost wäre doch nie mehr aus unseren Anzugsstoffen heraus zu bringen gewesen. Bald erreichten wir die Quetschenanhöhe und es wurde aufgesessen.
Der Bremser Edi stand am vorderen linken Eck an der erstklassigen Qualitätshandbremse, die er fest mit einer Hand umfasste, um sich mit der anderen am Rollwaglgestell fest zu halten. Der Kare sprang auf das rechte hintere Eck auf und ich auf das linke, nachdem wir “gscheit” angeschoben hatten. Unser Gefährt nahm überraschend schnell Fahrt auf. Es schepperte mit uns drei Piloten zunächst durch eine Linkskurve und dann kam eine Rechtskurve des Gleises, das uns bei schneller werdender Fahrt hurtig unserer geplanten Haltestelle näher bringen sollte. Unser Flitzer fetzte noch über eine Gleisweiche und blieb schlagartig stehen.
Der Bremser Kroll flog in hohem Bogen halblinks nach vorne aus dem Wagerl, der Anschieber Groß nach rechts und ich folgerichtig nach links, allerdings nicht ohne mit der Innenseite meines linken Beckens den Wagerl-Aufbau berührt zu haben. Nebenbei bemerkt: im Alter wurde aus mir ein Triathlet, der ausgerechnet bei seinem wichtigsten Rennen, nämlich auf Hawaii, aus dem Wasser kommend beinahe vor Schmerzen in dieser linken Hüfte vom Rennrad gefallen wäre. Einen Monat nach Hawaii, in meinem vierundfünfzigsten Lebensjahr stellte man einen Leistenbruch fest. Die Operation zeigte dann, dass es sich sogar um einen doppelten handelte.
Der Bremser Edi kam auch nicht gut davon. Er brachte nämlich seinen rechten Fuß unter ein “Roiwaglradl”. Er durfte allerdings - als Schustergeselle in Straubing beschäftigt - von unserer Sonntagsfahrt nichts sagen, weil er seinen Arbeitsplatz gefährdet sah. Als Rechtshänder musste er dort seinen kleinen Schusteramboss wie üblich über das rechte Knie spannen und brav den lieben Tag lang mit seinem Schusterhammer draufklopfen. Nur der Anschieber Kare kam mit einem verdreckten Sonntagsanzug davon. Ein Tatbestand, den die beiden anderen obendrein noch mittragen durften.
Der Grund für den plötzlichen Fahrzeugstillstand lag in der bereits erwähnten Weiche, die einen Rumpler auslöste, der dem Bremser den Eichenprügel aus der Hand gleiten ließ. Der Prügel verkeilte sich zwischen “Roiwaglgestell” und einer Schienenschwelle und bremste das Gefährt abrupt ab.
Abb. links: Das Material für den Straßenbau wurde im Steinbruch beim Mitterfelser Waldbad abgesprengt und von einer kleinen Lok in "Roiwagl" zu einer Steinquetsche bachaufwärts befördert. - Abb. rechts: Rund 50 Jahre später (Januar 2003) zeigt Franz Schwinghammer dem Fotografen die Quetschenrampe in der Nähe des alten Waldbades, an der die drei Lausbuben ihre "Roiwagl-Fahrt" starteten. © ft
Quelle: Franz X. Schwinhammer, in: Mitterfelser Magazin 9/2003, Seite 127