Lichterprozession zur Sankt Georgskirche (Vergrößern durch Anklicken!)
... am 26. Mai 2024 - mit der Predigt von P. Dominik Daschner
Zum 79. Mal jährte sich in diesem Jahr das Ende des Zweiten Weltkriegs, das für Mitterfels so glimpflich verlaufen ist.
Am Sonntag, 26. Mai, dem letzten Mai-Sonntag, erfüllten Pfarrei und Marktgemeinde Mitterfels das Versprechen, das am Ende des Zweiten Weltkriegs gemacht wurde, wenn Mitterfels von Zerstörungen verschont bleibt. Die Gelöbnisfeier begann um 20.00 Uhr mit der Marienfeier in der Pfarrkirche. Anschließend setzte sich die Lichterprozession zur St. Georgs-Kirche in Bewegung.
Pater Dominik Daschner: Predigt bei der Gelöbnisfeier am 26. Mai 2024
Liebe Gemeinde!
Von kommenden Mittwoch [29. Mai] an bis zum Sonntag findet in Erfurt der 103. Deutsche Katholikentag statt. Er steht diesmal unter dem Motto „Zukunft hat der Mensch des Friedens“. Ein Zitat aus dem Psalm 37.
„Frieden“ – das ist ein geschundenes und verletzliches Wort. Bei vielen weckt es nur ein wehmütiges Erinnern, kraftloses Schulterzucken, lähmende Hilflosigkeit. Wann wird es je wieder so sein, dass Menschen miteinander in Frieden leben können: Russen und Ukrainer, Israelis und Palästinenser, Armenier und Aserbaidschaner; all die von verfeindeten Milizen und brutalen Armeen gedemütigten und gequälten Menschen im Jemen, im Sudan, in Mayanmar?
Da hat das Motto des Erfurter Katholikentags schon etwas Mutig-Trotziges. Manch einem mag es aber auch nur wie ein harmloses Versprechen vorkommen: dass der Mensch des Friedens Zukunft habe. Erleben wir in unserer Weltgemeinschaft nicht Jahr für Jahr genau das Gegenteil: dass der Aggressor sich durchsetzt; mit der Macht des Stärkeren? Und was denn für eine Zukunft? Bloßes Über-Leben auf verbrannter Erde? Wie sollen zum Beispiel im völlig zerstörten Gazastreifen je wieder Menschen leben können?
Man mag das beklagen, an der Uneinsichtigkeit und Grausamkeit der Kriegstreiber verzweifeln. Denn wer sind wir, dass wir der Macht des Bösen etwas entgegensetzen könnten! Auch mit all den notwendigen, aber oft so machtlosen Appellen, Diskussionen, friedensbewegten Kirchentagen oder Friedensmärschen, mit unserer kleinen Gelöbnisfeier heute Abend. Das bringt doch alles nichts! So mag mancher urteilen.
Doch dem ist nicht so. Ganz und gar nicht. Wir Christen wissen um das Unheilvolle in der Welt und bestürmen zugleich den Himmel. Ja, wir hadern auch mit Gott, dass er augenscheinlich das Böse zulässt, das Menschen einander antun; dass er den Gewalttätern nicht in den Arm fällt und sie stoppt. Ja, wir leiden mit den Leidenden und trauern mit den Trauernden, aber wir glauben auch an die Macht des Guten und sehen das Wirken Gottes in unserer Welt. Und wir fühlen uns herausgefordert, uns nach Kräften einzusetzen für friedvolle Lösungen von Konflikten, für Menschlichkeit und Gerechtigkeit. Denn es gibt sie auch heute: all die Bemühungen um Annäherung und Verständigung, um Kompromisse und Interessensausgleich, die Initiativen der Vermittlung und das Offenhalten von Gesprächskanälen.
Es gibt sie auch heute: die von Jesus Seliggepriesenen. All jene, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit. Wohl eines der wirkmächtigsten Worte der christlichen Überlieferung. Es gibt sie auch heute: die kleinen und großen Friedensstifter – auch sie seliggepriesen: auf der großen Weltbühne in den Hinterzimmern der internationalen Diplomatie, aber ebenso in den Kinderzimmern, auf den Straßen und in den Social-media-Kanälen. So sehr die Nachrichten von immer wieder aufreißenden Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen bedrücken, da ist auch die bleibende Sehnsucht nach einer heilvollen, friedvollen Welt in uns. Und diese tiefsitzende, nicht auszurottende Sehnsucht nach Frieden in uns ist ein starkes Hoffnungszeichen.
Keineswegs nur als fromme Illusion derer, die sich aus der harten Wirklichkeit in eine Traumwelt des Religiösen flüchten. Man muss nicht naiv sein, um zu erkennen, dass es auch heute Spurenelemente jener gottgeschenkten Wirklichkeit eines friedvollen Miteinanders gibt – im Kleinen und manchmal auch im Großen. Wenn inmitten einer Menschheit, die gespalten und zerrissen ist – wie es im Versöhnungshochgebet heißt –, doch auch Bereitschaft zu Verständigung und Versöhnung wächst. Wenn Feinde wieder miteinander sprechen, Gegner sich die Hände reichen und Völker einen Weg zueinander suchen, wo der Wille zum Frieden den Streit beendet, Verzeihung den Hass überwindet und Rache der Vergebung weicht.
Was ich gerade aus dem Text des Versöhnungshochgebets zitiert habe, das hat die Bevölkerung hier in Mitterfels am Ende des Zweiten Weltkriegs so erlebt, als eine Delegation von Mitterfelser Bürgern sich am 25. April 1945 gegenüber den heranrückenden amerikanischen Truppen für eine kampflose Übergabe ihres Ortes verbürgt hat, und die Sieger sich darauf eingelassen haben, ihrerseits auf Rache verzichtet haben, stattdessen bereit waren zu Vergebung und Versöhnung. Der Wille zum Frieden hat den Streit beendet. Weil Feinde miteinander gesprochen, einstmalige Gegner sich die Hände gereicht haben, das hat den Weg zum Frieden geebnet und für die Menschen in unserem Ort und unserer Region eine gute Zukunft eröffnet.
Die Vorgänge hier in Mitterfels am Ende des Zweiten Weltkriegs bestätigen damit die Richtigkeit des Psalmwortes, das über dem Katholikentag in Erfurt steht: „Zukunft hat der Mensch des Friedens.“ Das Beispiel aus Mitterfels zeigt, dass dieses Wort aus dem Psalm 37 nicht nur eine fromme Illusion ist, kein bloßes, religiöses Wunschdenken, sondern tatsächlich Wirklichkeit werden kann, wo Menschen dieser biblischen Zusage trauen.
Wo dies geschieht, da leuchtet etwas auf von dem ewigen Frieden, den Gott seit Anbeginn der Welt in seine Schöpfung hineingelegt hat; von jenem Shalom, der mehr meint als die bloße Abwesenheit von Krieg, das Schweigen der Waffen, sondern umfassendes Glück, Gesundheit und Wohlergehen des Einzelnen und der Gemeinschaft, gelungenes Leben in gelungenen Beziehungen – zu anderen Menschen, zu sich selbst und zu Gott. Bis dahin ist noch ein weiter Weg. Aber es gibt nur diesen einen Weg zum Frieden. Beschreiten wir ihn! Denn Zukunft hat nur der Mensch des Friedens.
Einmarsch der Amerikaner in einem Dorf im Vorwald (Vergrößern durch Anklicken!)
Anlass für das Gelöbnis
Der 25. April des Jahres 1945 gilt bei allen Mitterfelsern, den älteren wie den jüngeren, wenn sie sich mit ihrem Ort identifizieren, als ein Tag, an dem „Zeitgeschichte“ ins Dorf kam.