1000 Jahre Geschichte um Mitterfels (62)

Vor gut 830 Jahren tauchte der Name Mitterfels das erste Mal in einer Urkunde auf; Gschwendt im Kinsachtal kann auf 900 Jahre zurückblicken; vor 960 Jahren übernahmen die Grafen von Bogen den östlichen Donaugau von den Babenbergern; Metten, im Jahre 766 gegründet, rodete zu Füßen der schützenden Bergkette zwischen Vogelsang und Hirschenstein . . . über 1000 Jahre interessante Geschichte, in die wir in halbmonatlich wechselnden Kapiteln eintauchen.

Zu den vorhergehenden Kapitelbeiträgen können Sie sich im Menue rechts in der Grafik „1000 Jahre Geschichte um Mitterfels“ durchklicken.

62 02 GR Brettner weiht das Gelaeut von Sankt Georg w c

1950: Einweihung des neuen Geläutes für Sankt Georg – Bürgermeister Albert Dietl jun. bei seiner Rede – Foto: J. Grotz jun. – Vergrößern durch Anklicken!

Glockenschicksale in zwei Kriegen

1950: Einweihung des neuen Geläutes für Sankt Georg – Bürgermeister Albert Dietl jun. bei seiner Rede – Foto: J. Grotz jun. – Vergrößern durch Anklicken!

Kriege sind auch den Glocken Schicksal geworden, haben sie aufgespürt in den entlegensten Dörfern und sie dem Wahnwitz geopfert.

Im Ersten Weltkrieg wurden die Mitterfelser Glocken erst im August 1917 erfasst. Der Pfarrer hatte sie einzustufen in A/B 1 = mäßiger Wert, Ablieferung, B 2 = für den Dienst notwendig, B 3 = mit hohen Einbaukosten verbunden, B 4 = musikalisch, wissenschaftlich, historisch wertvoll. Pfarrer Joseph Hof suchte eine Rückendeckung und bat den kgl. Professor und Domkapellmeister Engelhart aus Regensburg um ein künstlerisches Gutachten. Schon am 26. August 1917 hatte er es in Händen. Da stand zu lesen: "Die Zusammenstellung des Vierklangs ‚Es, ges, b, des‘ mit verminderter Terz und mit kleiner Septim ist sehr selten und originell, das bei allen musikalischen Touristen lebhaftes Interesse erzeugt; das Geläut ist entzückend lieblich." Das Urteil hatte dann tatsächlich weitgehend Erfolg. Von den fünf Glocken in St. Georg wurden die drei aus dem Jahre 1868 wegen ihres schönen Klanges befreit, das Glöcklein von 1732 wegen seines historischen Werts berücksichtigt, nur die "große Glocke" von 1910 erhielt am 24. 9.1918 den Enteignungsbescheid - dem kam aber das baldige Kriegsende zuvor, und so blieb auch diese Glocke erhalten.

62 04 von Kreuzkirchen 

Ältestes Glöckl, 1732 in „Statt am Hoff“ gegossen, von Kreuzkirchen nach „St. Georg“ gewechselt. – Vergrößern durch Anklicken!

Anders war es bei den zwei Glocken in der Friedhofskirche St. Joseph. Die kleinere Glocke von 1872 war bereits Anfang 1918 abtransportiert worden und kehrte nicht wieder. Die zweite von 1886 kam ungeschoren davon.

Die Jahre danach sollten nur eine Gnadenfrist werden; denn der Zweite Weltkrieg griff schneller und radikaler nach dem Glockenmaterial im ganzen Lande. Auch Mitterfels verlor das Geläut seiner beiden Kirchen, und nur die kleinste, zugleich auch älteste Glocke, durfte es einem glücklichen Umstand verdanken, dass sie die Zeit überstand.

62 01 Abholung Georgsglocke 1910 in SR w 

1910: Abholung der „St. Georgsglocke“ aus Straubing mit dem Gespann des Posthalters. Das kleine Männlein in der Mitte ist der Spender Georg Fuchs. – Vergrößern durch Anklicken!

Und das war das Geläut von Mitterfels: Fünf Glocken zu St. Georg: Die größte und schwerste war 1910 von dem Mitterfelser Austrägler und Privatier Georg Fuchs, genannt "Kruglfuchs", gespendet worden. Die Glocke wog 1450 kg bei einem Durchmesser von 136 cm; sie war auf den Ton Es gestimmt. Der Glockenmantel trug ein Relief St. Georg zu Pferd, den Drachen tötend. Gegossen wurde sie zu Straubing in der Glockengießerei Gugg, und um Weihnachten 1910 mit des Posthalters Vierergespann feierlich dort abgeholt. Die zweite bis vierte Glocke stammten aus einer Hand, 1868 gegossen. Auf der gemeinsamen Gießerurkunde stand: "Fusae sumus sub provisore Thanner a Carolo Ditsch artifice Landeshutano ao. Dmi. 1868" - "Wir sind gegossen unter dem Provisor Thanner von dem Landshuter Künstler Karl Ditsch im Jahre des Herrn 1868." Von diesen Glocken wog die schwerere 700 kg bei 106 cm Durchmesser, Ton ges; die mittlere 380 kg bei 82 cm Durchmesser, Ton b; die kleinere 200 kg bei 67 cm Durchmesser, Ton des. Dann hing da noch in der Nische des Schallochs das aus Kreuzkirchen stammende Glöcklein, jetzt verwendet als "Sterbeglocke". Es hat nur 30 cm Durchmesser und wiegt 40 kg und ist auf den Ton e gestimmt. Auf dem Glockenmantel ist St. Antonius mit Jesuskind und Lilie dargestellt, dazu die Jahreszahl MDCCXXXII (1732). Eine Umschrift besagt: "Martin Neumaier zu Statt am Hoff goss mich."

In St. Josef war nach 1918 zunächst nur noch die vom Mitterfelser Advokaten Grafenberger 1886 gespendete Glocke, 50 kg schwer, mit einer Darstellung von St. Joseph mit Jesuskind. Dazu kam eine lange Inschrift"Zum Andenken der am 7. August 1813 geb. u. am 17. Aug. 1872 † Josepha Grafenberger geb. Baronesse v. Schoenhueb kgl. Advocatin zu Mitterfels."

62 04 Friedhofsglocke 1924

1924 – neue Glocke für die Friedhofskirche, vom Posthalter gespendet. Vergrößern durch Anklicken!

1924 kam aber wieder eine zweite Glocke dazu, gespendet von dem Posthalter-Brüderpaar Ludwig und Joseph Schlecht (zu Mitterfels und Pfreimd). Die Glocke wog 45 kg und war bei Gugg in Straubing gegossen worden. Am 1.9.1924 wurde sie durch Pfarrer Joseph Brettner feierlich geweiht. Im Zweiten Weltkrieg 1939-45 wurde bereits im April 1940 die Erfassung der Glocken angeordnet - da war der Krieg an der Westfront noch nicht im Gange. Pfarrer Brettner glaubte, mit Anführung des Verwendungszwecks die Glocken halten zu können: So brauchte er die "große" Glocke für den feierlichen Gottesdienst und den Stundenschlag, die nächsten beiden für den Viertelstundenschlag, die vierte für das Mittagsläuten, die fünfte als "Zügenglöcklein", als Sterbeglocke, die beiden Friedhofsglocken schließlich für die Beerdigungen und dortigen Gottesdienste.

Im Dezember 1941, inmitten des katastrophalen Winterkampfes um Moskau, suchte er wenigstens eine einzige, die 200 kg schwere Glocke "des" zu retten und sie in Gruppe B 2 ("notwendige Dienste") einzureihen. Aber die mit dem Glockeneinzug beauftragte Kreishandwerkerschaft war unerbittlich: Am 16.4.1942 kam der für die ganze Pfarrgemeinde niederschmetternde Bescheid: "Alle Glocken sind beschlagnahmt" - und bereits am 27. Mai 1942 erfolgte die Ablieferung gegen Quittung. Auch das Sterbeglöckl war dabei aufgeführt - seltsamerweise blieb es aber als einzige zurück.

Den Glocken mochte es ergehen wie einem abgelieferten Schlachtvieh: In den später gefundenen Hamburger Erfassungslisten waren die meisten Mitterfelser Glocken nicht einmal aufgeführt - sie dürften sofort in die Schmelze gekommen sein. Nur die 700 kg-Glocke stand noch auf der Liste jener 9000 Glocken, die im Hamburger Freihafengelände auf ihren Kriegseinsatz gewartet hatten. Da kam Hoffnung auf in Mitterfels, wenigstens diese eine Glocke zurückzubekommen. Am 18. November kam dann der Bescheid, dass die Glocke unauffindbar sei und vermutlich noch beim letzten Bombenangriff mit zerfetzt wurde.

62 06 Eisenglocken der Kriegszeit 

Die Eisenglocken aus der Kriegszeit – Vergrößern durch Anklicken!

Dem Mitterfelser Benefiziaten Dr. Joseph Rußwurm war es noch im Krieg gelungen, drei kleinere Eisenglocken zu erwerben, so dass wenigstens die Pfarrkirche nicht stumm blieb. Nach dem Krieg, hier insbesondere nach der Währungsreform 1948, liefen die Planungen für die Beschaffung eines neuen Geläuts. Bei Gugg in Straubing hatte man noch ein Guthaben auf 1796 kg Kupfer und 542 kg Zinn. Weil man aber den Gießauftrag an eine westfälische Gießerei (Pettit und Edelbrock in Gescher) vergab, ließ man sich von Gugg den Gegenwert von 4800 neue DM auszahlen. Für 27. Januar 1950 war der Guss angekündigt - da fuhren Pfarrer Brettner und Bundestagsabgeordneter Wartner nach Gescher und waren dabei.

62 05 Glocke Georgskirche 1973 

Die neue Glocke von 1950 auf dem Festwagen beim Gasthof Moosmüller – fertig zur Abfahrt zur Einweihungsfeier vor der Georgskirche. Foto: J. Grotz jun. – Vergrößern durch Anklicken!

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1950: Geistlicher Rat Joseph Brettner weiht das neue Geläut für die damalige Pfarrkirche Sankt Georg; im Bild Bürgermeister Albert Dietl jun. bei seiner Rede. – Foto: J. Grotz jun. Vergrößern durch Anklicken!

Am 10. März 1950 erfolgten der Transport nach Mitterfels und die kirchliche Weihe. Das neue Geläut war auf 22670 Mark gekommen - für damals eine so schwere Belastung, dass der neue Pfarrer Schosser erwog, die schwerste Glocke um 8700 Mark wieder zu verkaufen, um die Schulden zu tilgen. Kirchenpfleger waren damals Xaver Bugl von Kögl, Xaver Zollner von Spornhüttling, Joseph Attenberger und Georg Hösl.

Die Beschreibung des neuen Geläuts lautet:

  1. Glocke; Ton dis, Durchmesser 132 cm, Gewicht 1380 kg, Aufschrift "In honorem Sancti Georgii"
  2. Glocke; Ton fis, Durchmesser 110 cm, Gewicht 775 kg, Aufschrift "In honorem Sanctae Crucis"
  3. Glocke: Ton gis, Durchmesser 98 cm, Gewicht 518 kg, Aufschrift "In honorem Immaculatae Conceptionis"
  4. Glocke: Ton h, Durchmesser 81 cm, Gewicht 296 kg, Aufschrift "In honorem Sanctorum Sebastiani et Floriani" 

Mit dem Aufzug der neuen Glocken kamen die Eisenglocken aus den Kriegsjahren in die Friedhofskirche. Als die neuen Glocken nochmals auf Wanderschaft gingen und 1970 in die neue Pfarrkirche umzogen, spendete das Ehepaar Alois und Theres Schedlbauer 1973 die 250 kg schwere "Aloisiusglocke" (Preis 5000 Mark), auf dass auch St. Georg wieder eine Stimme habe. Diese Glocke wurde von der Gießerei Gugg in Straubing gegossen, am 18. August 1973 geweiht und in einem festlichen Zug bei Moosmüller abgeholt und zur alten Kirche geleitet. Am 6. September 1973 hat sie dann das erste Mal geläutet.