Zum Kirchweihfest - Die Kirche. Ein Haus des Gebetes, keine bloße Mehrzweckhalle
Predigt in der Pfarreiengemeinschaft Mitterfels-Haselbach-Herrnfehlburg von Pater Dominik Daschner OPraem
Kürzlich habe ich in einer theologischen Zeitschrift, die sich mit dem Thema Kirchenbau und Kirchenführungen beschäftigt hat, eine Karikatur gesehen: Da steht ein Mann in einem bedeutenden Gotteshaus und versucht verzweifelt, ...
... seine Schuhe auszuziehen. Der Kirchenführer steht mit tadelndem Blick vor ihm und sagt: „Wie oft soll ich es Ihnen noch sagen, Herr Maier: In Kirchen Hut ab; Schuhe aus in Moscheen!"
Diese Zeichnung bringt es auf den Punkt. Wir sind heutzutage eine mobile Generation, wir reisen um die ganze Welt, wir sind schon überall gewesen, wir haben schon alles gesehen. Aber wir wissen vieles nicht mehr, was unseren Vorfahren selbstverständlich war. Viele wissen nicht mehr, wie sie sich in einer Kirche verhalten sollen. Und das bezieht sich nicht nur auf das Abnehmen des Hutes.
Es macht mich immer wieder nachdenklich, wie laut es in unseren Kirchen vor und nach den Gottesdiensten oftmals zugeht; wie auf einem Jahrmarkt. Und das gilt nicht nur für Kinder und Jugendliche; Erwachsene stehen ihnen da oft wenig nach. Dabei soll die Kirche doch ein Haus des Gebetes sein; sie ist doch keine bloße Mehrzweckhalle. Oder da wird beim Kindergottesdienst an Sankt Martin von den anwesenden Eltern Kaugummi gekaut, die Brotzeit für die Kleinen ausgepackt; und am wichtigsten sind natürlich die Fotos vom eigenen Kind. Ich frage mich dabei oft: Sind die Eltern eigentlich gekommen, um einen Gottesdienst mitzufeiern, oder besuchen sie eine Aufführung ihres Kindes? Ähnlich stillos geht es bisweilen bei Trauungsgottesdiensten zu.
Merkwürdig nur: Im Ausland als Tourist, da hält man sich bereitwillig an bestimmte Regeln beim Besuch von Tempeln und Moscheen, und lässt sich auch gerne auf ein entsprechendes Verhalten hinweisen. Da nimmt man wahr, dass dies eben kein Ort wie jeder andere ist. Nur in der eigenen Kultur, im eigenen Glauben, da gilt Gleiches anscheinend nicht mehr. Da haben viele dieses gute Gespür verloren. Und wenn man dann jemanden auf ein unpassendes Verhalten in der Kirche hinweist, dann ist der Ärger groß: Unverschämtheit! Was der sich erlaubt! Irgendwie scheint dem Menschen unserer Zeit die Ahnung für das Heilige, für heilige Orte abhanden gekommen zu sein.
Barack Obama beim Besuch der Blauen Moschee in Istanbul (wikimedia/commons)
Der französische Schriftsteller Julien Green schreibt in einem seiner Tagebücher: „Gestern Abend in der Kapelle der Missionare in der Rue du Bac. Ein sehr alter Priester mit weißem Bart. vier Nonnen in Schwarz und zwei oder drei Laien waren in solche Andacht versunken, dass ich zwanzig Minuten lang nicht das leiseste Geräusch hörte und mit geschlossenen Augen den Eindruck hätte haben können, ich sei allein. Diese Stille ist etwas Wunderbares. Pater Surin sagt, Gott besuche nur Seelen, die ruhig und leer sind." Aus diesen Zeilen spricht die Ehrfurcht vor heiligen Orten und Handlungen, von der Begegnung mit dem heiligen Gott, die sich in der Stille des Herzens ereignet.
Wir moderne Menschen, die wir aus dem Lärm und der Hektik kommen, die uns ständig draußen umgeben, wir müssen dieses Gefühl der notwendigen Stille erst wiederfinden, wenn wir Gott begegnen wollen. Wir müssen den Unterschied bewusst wahrnehmen zwischen der Alltagswelt, in der wir leben, und den Räumen, die ausgespart sind für das Heilige, den Heiligen, für Gott.
Stille. Gott ist überall. [...] Aber es geht um die Erfahrbarkeit Gottes. Dazu braucht der Mensch die Stille, einen Ort, der reserviert ist für Gott.
Das heißt natürlich nicht, dass Gott an all den anderen Orten unseres alltäglichen Lebens nicht wäre. Er ist überall da, wo Menschen leben, wo sich menschliches Leben und Leiden abspielt. Aber es geht um die Erfahrbarkeit Gottes. Und dazu braucht der Mensch die Stille, brauchen wir besondere Orte, die reserviert sind für Gott. Orte, die wir für ihn freihalten; frei von dem, was uns sonst umtreibt. Zeiten und Orte, an denen wir ganz für ihn da sind, und er für uns. Kirchen sind solche Erfahrungsräume für die Begegnung mit dem heiligen Gott.
Wenn wir eine Kirche betreten, dann überwinden wir eine Grenze, wir überschreiten eine Schwelle. Ganz praktisch, und auch in einem geistlichen Sinn. Vor vielen Türen liegen Schwel¬len. Wir müssen sie überschreiten. Schwellen wollen die Achtsamkeit verstärken für den Unterschied zwischen draußen und drinnen, zwischen den Räumen vor und hinter der Tür. Schwellen können Vorfreude erwecken, sie können aber auch Scheu und Angst, Schwellenangst provozieren.
Es ist keine nebensächliche Frage, wie wir die Schwelle unserer Kirche überschreiten. Tue ich es bewusst oder stolpere ich einfach so herein? Wie haben Sie heute unsere Kirche betreten? Was haben Sie gedacht, als Sie die Schwelle des Portals überschritten haben? Ist Ihnen bewusst geworden, was Sie in diesem Augenblick getan haben?
Schwellen. Sie behindern nicht das Eintreten. Sie tragen dazu bei, dieses Eintreten bewusster zu gestalten.
Bischof Egon Kapellari aus Graz hat in seinem Büchlein über die heiligen Zeichen dazu geschrieben: „Schwellen verdienen immer Aufmerksamkeit. Sie laden ein, sich noch einen Augenblick auf die Begegnung mit Gott vorzubereiten, die geschehen wird, wenn die Tür geöffnet wird. Schwellen unterbrechen Wege, sie behindern nicht das Eintreten in den Raum, sie wollen aber dazu beitragen, dieses Eintreten bewusster zu gestalten. Schwellen unterbrechen Wege, die man sonst vielleicht zu gedankenlos, zu freudlos ginge."
Kirche. Hier ist heiliger Boden, weil hier Begegnung mit dem heiligen Gott geschieht.
Um nochmal auf die Karikatur vom Anfang zurückzukommen: Anders als in Moscheen ist es in christlichen Kirchen nicht üblich, die Schuhe auszuziehen. Aber wir sollten sie innerlich, symbolisch ausziehen wie Mose es am Dornbusch getan hat, weil er gespürt hat: Hier ist heiliger Boden. Unsere Kirche ist ein heiliger Ort, weil hier Begegnung mit dem heiligen Gott geschieht. So wie es die Offenbarung des Johannes wunderbar zum Ausdruck bringt, wenn es dort heißt: „Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein."
Das mag uns der Kirchweihsonntag heute wieder bewusst machen, auf dass wir unsere Kirchen in Ehren halten als heilige Orte der Gottesbegegnung und für die Haltung, in der wir uns in Gottes Wohnung, hier im Herzen unseres Ortes, einfinden wollen.
Patroziniumsmesse am 21. Juli 2013 in Haselbach
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