Unser "Bayerwald-Bockerl" erlebte ihren 100. Geburtstag nicht
Die Teilstrecke Bogen - Miltach der Bahnlinie Straubing - Cham wurde am 5. Dezember 1896 eröffnet
Aus: Mitterfelser Magazin 2/1996 (neu bearbeitet)
Text und Archivarbeit: Franz Tosch - Bildmaterial: Josef Brembeck u. a.
Modernen Menschen des ICE- und TGV-Zeitalters, die wie selbstverständlich vom Jetlag reden und im Internet surfen, mag die gute alte Dampflok wie ein Fabelwesen vorkommen. Und wie man heute auf Dinosaurier „abfährt”, so sind auch Nostalgiefahrten mit Dampfzügen „in”. So war es kein Wunder, dass das Bahngelände in Bogen bei der - etwas verspätet abgehaltenen - Gratulationscour am 21. April 1996 zum 100. Geburtstag der Teilstrecke Straubing - Bogen der Linie Straubing - Cham von Tausenden von Eisenbahnfreunden belagert war, als eine alte Tenderlok der 86-Baureihe die historischen Reisewägen mit publikumswirksamer Dampfentwicklung und dem Anlaß angemessenen Fauchen über die Donaubrücke und in den Bahnhof Bogen zog. Sonst verkehrt der neue Dieseltriebwagen des Typs VT 628 mit 5 Zugpaaren täglich von Straubing nach Bogen und zurück. Wie lange noch?
Die übrigen Teilstrecken erlebten den 100. Geburtstag nicht mehr. In Etappen wurde diese Bahnlinie gebaut, in Etappen wurde sie auch abgebaut.
Ostbayerische Abgeordnete führten bereits 1850 Klage, dass die Oberpfalz und Niederbayern in Sachen Bahnbau sträflich vernachlässigt, zur „Eisenbahnwüste” würden und den Anschluss an die Wirtschaftszentren verlören - also nur 15 Jahre nachdem die erste deutsche Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth dampfte (7. Dezember 1835). Inzwischen hatte der bayerische Staat mit riesigen Geldsummen fast 1000 Bahnkilometer gebaut und finanziert und dachte - Parallelen zu heute kommen in den Sinn! - an die Finanzierung weiterer Strecken mit Privatkapital. Eine „Königl. priviligirte Actiengesellschaft der bayerischen Ostbahnen”, hinter der sich das Großkapital der damaligen Zeit verbarg (Mitglieder waren z. B. Fürst Maximilian Karl von Thurn und Taxis oder der Frankfurter Bankier Rothschild), erhielt vom König die Konzession zum Bau von ostbayerischen Bahnstrecken. König Maximilian II. legte per Gesetz fest, daß auf den neu-en ostbayerischen Strecken anstelle des Schriftzuges der „Königl. Bayerischen Eisenbahnen” das B.O.B. der Bayerischen Ostbahnen prangen durfte.
Mit der Eröffnung des Ostbahnen-Grundnetzes waren nicht nur die wichtigsten bayerischen Handelsplätze München, Nürnberg und Regensburg untereinander verbunden, auch Ostbayern bekam Anschluss an die Wirtschaftszentren an der Ruhr, an West- und Osteuropa, das damals noch kein abgeschirmter „Ostblock” war. Die Rohstoffe des „Waldes” und die Produkte des niederbayerischen Bauernlandes ließen sich jetzt besser vermarkten: Holz, Glas, Stein, Vieh, Getreide oder Tegel aus unserer nächsten Umgebung, - und Rohstoffe und Waren anderer Art gelangten zu uns. An den Bahnlinien begann wirtschaftliches Leben aufzublühen.
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Straubing wollte Bahnknotenpunkt werden
Ein Ring von Eisenbahnlinien mit 250 km Länge umschloss Ende 1861 den Bayer. Wald. Noch aber gab es keine Bahn im „Wald”. Straubing wollte als „Einfallstor” in den Mittleren Wald die Wirtschaftsströme in ihre Mauern lenken. Es sah auch lange so aus, als würde Straubing ein Bahnknotenpunkt ersten Ranges werden. „Am 3. August 1869 erteilte König Ludwig II., von Gottes Gnaden König von Bayern, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog von Bayern, Franken und Schwaben ect der königlich privilegierten Aktiengesellschaft der Bayerischen Ostbahn die allerhöchste Konzessionsurkunde für den Bau von sechs Bahnlinien, darunter für die Strecke von Straubing nach Mühldorf zu, an die sich später eine direkte Verbindung in den Bayerischen Wald anschließen sollte.
Diese Verbindung von Mühldorf über Straubing nach Cham und damit zum Anschluss an die bereits bestehende Ostbahnstrecke von Schwandorf über Furth nach Böhmen sollte die Brücke sein zwischen Italien einerseits und Böhmen andererseits, wobei Niederbayern als das Bindeglied den Nutzen gezogen hätte.” 1)
Die Strecke von Straubing nach Cham sollte ursprünglich über Steinach und Stallwang geführt werden. Straubing wollte aber eine andere Linienführung als die Ostbahngesellschaft. Das Schreiben des Magistrats von Straubing in dieser Angelegenheit ist auch Dokument über die Art des Schriftverkehrs in jener Zeit:
Bevor diese durchgehende Linienführung zum Tragen kam, begann ein Konkurrenzkampf zwischen Straubing und Deggendorf, das eine Linienführung von Landau über Plattling/Deggendorf nach Eisenstein mit Anschluss nach Böhmen wollte. Die niederbayerischen Abgeordneten wa-ren in zwei Lager aufgespalten. In einer turbulenten Aktionärsversammlung der „Ostbahn” stimmten über zwei Drittel der Aktionäre für die Linienführung Deggendorf-Eisenstein. So hatte Straubing schon da-mals im Konkurrenzkampf mit Deggendorf den Kürzeren gezogen, wie auch dieser Tage mit der Fachhochschule.
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Als Ersatz: Plan einer Stichbahn Straubing - Konzell
„Doch 1884 griff man das Projekt unter dem Eindruck der Entwicklung des Mittleren Bayerischen Waldes durch die Waldbahn wieder auf. Straubing schreckte die Nachricht auf, dass von Viechtach nach Gotteszell eine Privatbahn zur Waldbahn gebaut werde. Diese werde sicher viel Verkehr aus dem Bayerischen Wald nach Straubing abziehen. So beantragte man schnell eine Lokalbahn Straubing - Viechtach am 20. Januar 1884, mit der die Straubinger den Verkehr aus dem Mittleren Wald leicht in ihre Mauern lenken könnten. Doch ein solches Projekt war undurchführbar. Auch hätte eine solche Bahn der geplanten Privatbahn Viechtach - Gotteszell den Verkehr ab-gegraben. Daraufhin besann sich Straubing wieder des alten Projekts einer Bahnverbindung nach Cham. Doch dazu meinte man in München schlicht „nein”. Eine Durchgangsbahn durch den Bayerischen Wald sei nicht mehr nötig, eine Stichbahn schon eher. So war nur noch zu entscheiden, ob man Stallwang oder Konzell als deren Endpunkt wählte.”2)
Der damalige Landtagsabgeordnete Josef Echinger aus Englmar machte sich in einer überzeugenden Rede für die Straubinger Wünsche stark. Sie soll in voller Länge wiedergegeben werden, weil sie auch ein Dokument über den Wirtschaftsstandort der an der befürworteten Bahnlinie gelegenen Orte ist, weil seine Liebe zur Heimat deutlich wird und weil die Rede nebenbei einen hervorragenden Werbeeffekt hatte:
„Meine Herren!
Ich sehe mich verpflichtet, im Namen des Wahlkreises Straubing und meiner beiden Herren Kollegen Dechant Huber und Englberger, dem königlichen Staatsministerium wärmsten Dank darzubringen für die Aufnahme der Lokalbahn Straubing - Konzell in den Gesetzentwurf. An die Herren Mitglieder des Ausschusses stelle ich die dringende Bitte, diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben zu wollen. Der Stadt Straubing und dem gesamten Hinterlande wurde durch die Wahl der Linie Landau - Plattling - Eisenstein eine Wunde geschlagen; Straubing wurde aus dem Verkehr hinausgeworfen; die Gegend um Landau, welche ihre Produkte in Straubing umsetzte, verfrachtet dieselben nun in Landau selbst. Einen Ersatz bietet die Anschließung des oberen Bayerischen Waldes durch die Erbauung der fraglichen Bahn. Straubing ist der Stapelplatz für die Produkte sowohl des oberen Bayerischen Waldes, als auch des anliegenden Flachlandes.
Besonders hervorzuheben ist die große Schranne, sind die bedeutenden Vieh- und Pferdemärkte, blühender Handel und Gewerbestand. In Straubing befinden sich größere Kaufgeschäfte, drei Exportbierbrauereien, mehrere Thon- und Ziegelfabriken, das ausgedehnte Dendl’sche Baugeschäft mit großartigen Dampfschneidesägen. Straubing ist der Sitz eines Schwurgerichtes und Landgerichtes, welchem der ganze obere Bayerische Wald einverleibt ist, weiterhin eines Bezirksamtes, Amtsgerichtes, zweier Notariate und einiger Rechtsanwälte. In Straubing findet sich ein Gymnasium, eine Realschule, ein Schullehrerseminar, ein Taubstummeninstitut und eine Kretinenanstalt.
Alle diese Anstalten, Ämter und Geschäfte könnten durch diese Bahn leichter erreicht werden. Von Straubing weg durchzieht diese Bahn eine reiche Getreidegegend, berührt Ittling, den gewerbesamen Markt Bogen, welcher wegen seiner Naturschönheit ein Lieblingsaufenthalt für Touristen ist.
Bogen ist ein weitberühmter Wallfahrtsort - rund 40.000 Wallfahrer pilgern jährlich dorthin! Im Hinterlande sind größere Ortschaften, eine reiche Getreide-, Obst- und Waldgegend. An Bogen schließt sich ein großes Thongebiet an, welches einen Umfang von sechs Stunden hat und unergründlich ist: da stecken Millionen im Erdboden. Die Qualität dieses Materials ist die beste zwischen Regensburg und Wien, weshalb jetzt schon eine Anzahl Thonfabriken damit gespeist werden. In Berndorf selbst sind mehrere größere Ziegeleien. In den letzten Jahren ist die Wurm’sche Falztaschenfabrik entstanden, welche über 100 Arbeiter beschäftigt und ihre mehrfach prämierten Fabrikate bis Wien sendet. Im Hinterlande befinden sich größere Ortschaften, reiche Getreide- und Obstgegenden und 10.000 Tagwerk Privatwaldungen.
Die Stationen Bogen und Berndorf werden die Stapelplätze für diese Produkte werden. Von Berndorf aus berührt diese Bahn Hunderdorf, Windberg, die schönen Herrschaftsgüter des Herrn Grafen von Brey-Steinburg, des Herrn Baron von Schrenk auf Haggn mit ihren großartigen Waldungen. Sie berührt ferner Mitterfels, welches wegen seiner romantischen Lage ein Lieblingsaufenthalt für Fremde ist und einen angenehmen Luftkurort bildet. In Mitterfels befindet sich ein Amtsgericht, ein Rentamt, ein Notariat, eine Bezirksgeometerstelle und zwei praktische Ärzte. Von Mitterfels aus durchstreicht diese Bahn eine Gegend, wo erhebliche Viehzucht und Getreidebau betrieben wird. Sie schließt die großartigen Steinbrüche bei Haselbach und Haibach auf, welche ein ergiebiges Frachtgut liefern werden. Der Endpunkt ist ein lieblicher Ort. Im Hinterlande befinden sich sehr belebte Getreide-, Obst- und Waldgegenden. Daraus geht hervor, dass diese Linie eine rentable werden dürfte, ich bitte deshalb um Genehmigung. An das königliche Staatsministerium erlaube ich mir noch die ergebenste Bitte zu stellen, bei Ausführung dieser Bahn dem Orte Mitterfels näher rücken zu wollen.” 3)
Die Stichbahn Straubing-Konzell wurde am 26. Mai 1892 einstimmig genehmigt, die Planung konnte anlaufen.
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Planung und Bau
Die Kostenberechnungen beliefen sich auf 2.961.400 Mark, dazu kamen 195.910 Mark, die von den Interessenten, also den Gemeinden, für den Grunderwerb zu zahlen waren. Dabei gab es viele Wenn und Aber, so dass sich die Stadt Straubing entschloss, für den ganzen Grunderwerb einzustehen, soweit er nicht von anderen übernommen werde.
Im endgültigen Entwurf waren nördlich der Donau folg. Haltestellen geplant: Bogen, Bärndorf (Berndorf), Hunderdorf, Steinburg, Mitterfels, Haselbach und Prünstfehlburg (bei Recksberg). Die frühere Gemeinde Dachsberg äußerte den Wunsch nach einem Haltepunkt in ihrem Gemeindebreich (Wiespoint). Die Lage der Haltestelle Mitterfels war lange Zeit umstritten (siehe nächstes Kapitel!). Die Gemeinde Haibach erreichte, dass ihre Haltestelle bei Krottenholz statt der bei Recksberg projektierten errichtet werde. Es stellte sich heraus, dass der Ort Konzell wegen seiner Lage als Bahnhof nicht geeignet war, Konzell-Streiferau (heute Streifenau) erschien den Ingenieuren ebenso problematisch, so dass man zunächst den Endpunkt bei Kleinmenach festlegte. Der Bahnhof erhielt den Namen Konzell-Süd.
Der Bau dieser schwierigen Bahnstrecke in etwa 2 Jahren war eine Meisterleistung von den planenden Ingenieuren. Der Donauübergang wurde mit einer Brückenkonstruktion von 547 m Länge und einer Mittelöffnung von 60 m hochwassersicher und für die damalige Schifffahrt optimal geplant. Gleich hinter dem Bahnhof Bogen musste der Eichelberg durchstochen werden. Die Wasserscheide zwischen Bogenbach- und Menachtal nach dem Bahnhof Steinburg wurde in eleganten Windungen an den Wachsenberger und Riglberger Hängen aufwärts führend überwunden. Die Maximalsteigung beträgt hier 1 : 40, d. h. die Bahn steigt 1 m bei einer Streckenlänge von 40 m. Nach Erreichen der Höhe bei Wiespoint musste das tiefeingeschnittene, etwa 90 m breite Menachtal - was ursprünglich gar nicht so geplant war - auf vier bis zu 20 m hohen Pfeilern überquert werden. Im Menachtal bei Haselbach musste die Menach einige Male neu gebettet werden.
Für viele gab es über Monate hinweg Arbeit. Bagger oder Planierraupen waren unbekannt. So mussten Hügel und Hänge mühsam mit Schaufel und Pickel durchstochen werden, auf eilig verlegten Gleisen wurde das Material mit Rollwägen dorthin gebracht, wo es zum Aufschütten von Dämmen benötigt wurde. „Akkordanten” aus der Umgebung belieferten den Bahnbau mit Schottermaterial und Steinen. In kurzer Zeit entstanden Brücken und Bahnhofsgebäude. Gelände und Bodenbeschaffenheit erforderten häufige Sprengungen. Sicher wird es zu Unfällen gekommen sein, auch wenn sie nicht so tragisch verliefen wie der, von dem das Straubinger Tagblatt am 11. Mai 1896 berichtete.
Foto: Mit Seilwinden zog man die schweren Rollwägen die Steigungen hinauf.
Mit welchen Schwierigkeiten die Erbauer der Strecke zu kämpfen hatten, zeigt dieses Bild. Zwei oder drei Arbeiter schaufelten in etwa gleichem Arbeitstakt den Abraum in die Rollwägen und mussten sie hintereinander auf provisorisch verlegten Gleisen dorthin schieben, wo der Abraum gelagert oder zur Auffüllung von Senken wiederverwendet werden konnte. Allein auf diesem Bild sind gut 30 Rollwägen im Einsatz. Das Bild zeigt den Eichelberg-Durchstich östlich des Bahnhofes Bogen - Bildarchiv H. Neueder, Bogen
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Umstrittene Mitterfelser Linienführung
Bevor der Gesetzentwurf über den Bau der Bahnstrecke dem Landtag vorgelegt wurde, war den Mitterfelsern aus Vorplanungen klar geworden, dass man ihren Ort aus Kostengründen „weiträumig umgehen” wollte. Dagegen wandten sich Bürgermeister Schneider und der Beigeordnete Hollmer auf einem Treffen der „Interessenten” mit einer hochrangigen Kommission. Sie stellten die Anfrage, „... ob nicht die Bahnlinie dem Orte Mitterfels in einer Weise gewährt werden könne, um in unmittelbarer Nähe derselben die Anlage einer Station zu ermöglichen.” Aus derselben Niederschrift: „Denselben wurden die technischen Verhältnisse, welche ein Näherrücken der Bahnlinie ohne unverhältnismäßige Kosten nicht zulassen, des näheren erörtert und eine Erklärung darüber gefordert, ob die Gemeinde Mitterfels für die projektierte Haltestelle (bei der Wenamühle!) die Verpflichtung zur Herstellung und Unterhaltung der Zufuhr- und Ladestraßen anerkenne.” 4)
Die Planungskarte aus der damaligen Zeit auf der übernächsten Seite zeigt die ursprünglich projektierte Bahnlinie, die nördlich von „Maisenthal” in einer Senke ins Menachtal hinabzieht, dort auf der rechten Seite (orographisch linken) der Menach verläuft und kurz vor der projektierten Haltestelle südlich der Wenamühle erst den Bach überqueren sollte. Die Haltestelle Mitterfels wäre also etwa 3 km vom Ort Mitterfels entfernt gewesen. Auf dem Luftbild (von Donatus Moosauer) ist die ursprünglich projektierte Linienführung eingezeichnet. Die tatsächlich gebaute ist gut als heutiger Radweg zu erkennen.
Auf dem eingelegten Luftbild ist die ursprünglich projektierte Linienführung an Maisenthal vorbei direkt nach Wenamühle eingezeichnet. Dort - 3 Kilometer entfernt vom Ort - wäre der Bahnhof von Mitterfels entstanden.
Da die Mitterfelser natürlich die Beteiligung an den Grunderwerbskosten und die Verpflichtung zur Herstellung und Unterhaltung der Zufahrtswege auch als Druckmittel sahen, deswegen sich auch nicht dazu verpflichten wollten, drohte man ihnen, ihre Haltestelle bei der Wenamühle zu einem reinen Personenhaltepunkt ohne Güterabfertigung zu degradieren.
Die Gemeindeverwaltung Mitterfels schreibt am 10.12.1894 einen gar nicht mehr so „unterthänig” wirkenden Brief an die königl. Eisenbahnbausektion Bogen (inzwischen hatte der Bayer. Staat die „Ostbahn” übernommen): „Die Grunderwerbskosten, bedingt durch die Variante Wiespoint - Reinbach - Roggendorf, wodurch der Bahnhof Mitterfels bis 1,5 km nahe an Mitterfels zu stehen kommt, sind von den Beteiligten übernommen worden und zwar trägt Mitterfels 20% und Straubing 80% (!) dieser Kosten. Zudem wir uns beehren, dies zu berichten, bitten wir primär mit der Detailprojektierung der genannten Variante gefälligst alsbald zu beginnen, evtl. aber mit der Detailprojektierung der alten Linie noch zu warten und zwar letzteren Falles bis zur definitiven Entscheidung der Sache durch das kgl. Staatsministerium und beziehungsweise durch die kgl. Generaldirektion der Verkehrsanstalten, an welch beide Stellen Eingaben gemacht wurden...” Falls das Schreiben keinen Erfolg bringen würde, „drohte“ der Unterzeichner Bürgermeister Bachmeier mit Petitionen bei allerhöchsten Stellen. 5)
Und in einer zehnseitigen Begründung vom selben Tag an die Generaldirketion der Verkehrsanstalten argumentiert man, „...dass nämlich die aufzuwendenden Mittel im offenbaren Missverhältnisse zu den erreichten Vortheilen stehen, hier in keiner Weise zutrifft...” Man bezweifelt in diesem Schreiben die errechneten Mehrkosten, argumentiert, man könne ja die Linienführung zwischen Ehren (Steinburg) und Hofstetten verkürzen und damit sparen. Es gäbe - und das würde die Eisenbahndirektion auch nicht in Abrede stellen - gar keine günstigere Menachüberquerung als bei der Variante, da hier keine Hochwassergefahr herrsche. Bei der Wenamühle müsste bei einem Brückenbau das Hochwasser und ein eventueller Rückstau zur Mühle einkalkuliert werden. Und ein ganz wichtiges Argument: „Die Einöde Wenamühl ist und bleibt ein thoter Punkt... müßte man von Mitterfels aus 3 - 4 km waldeinwärts (also in Gegenrichtung) zurückgehen, was aber Niemandem einfallen würde.” 6)
Dieser letzte Punkt war es auch, der das Kgl. Bayer. Staatsministerium des Kgl. Hauses und des Äußeren dazu brachte, die Generaldirektion der Bayer. Staatsbahnen anzuweisen, „...womöglich die Haltestelle Mitterfels in unmittelbarer Nähe der Distriktstraße Mitterfels - Konzell bei der Abzweigung der Distriktstraße nach Ascha in Aussicht genommen werde und falls deren Anlage da-selbst aus technischen Gründen nicht ausführbar sei, dieselbe westlich des Ortes Reinbach projektiert werde.” 7)
Schließlich wurde der Bahnhof auch westlich von Reinbach gebaut, weil bei dem ersteren Vorschlag eine Steigung von 25 Promille überwunden hätte werden müssen.
Welch gewaltige Leistung dann in etwa 1 1/2 Jahren mit der Planung der Variante, mit dem Bau der Menachbrücke, mit dem Durchstich beim Waldeck und den Dammbauten danach ohne die technischen Hilfen der heutigen Zeit vollbrachte wurde, verdient Bewunderung.
Über den Bau der Menachbrücke berichtet Franz Wartner in der „Chronik Markt Mitterfels”: „...die große Brücke an der Goaßreibn blieb anderen vorbehalten: hier bauten die gebirgserfahrenen Italiener. Überall in der Gemeinde waren sie verteilt, hatten dort eine billige Schlafstelle und bekamen wenigstens Milch und Brot. Das Mittagessen wurde ja in Kastenfeld in der Feldküche gekocht, Polenta zumeist. Gearbeitet wurde auch sonntags. Die Steine für die vier hohen Pfeiler kamen vom Steinbühl bei Wollersdorf. Die Bauleitung hatte sich im Haus Baumeister einquartiert.”
Foto: Die große Brücke an der "Goaßreibn" kurz vor dem Bahnhof Mitterfels über den Perlbach (Menach) - Mit Interesse und Neugier wurden die Fortschritte um Bahn- und Brückenbau begutachtet.
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Endlich war es so weit
„Stück um Stück” - so Franz Wartner in der „Chronik Markt Mitterfels” - „fraß sich der „Eiserne Hund”, wie der Waldprophet „Mühlhiasl” ihn angekündigt hatte, herein in den Wald. Als er am 8. Dezember 1895 zum ersten Mal über die neue Donaubrücke fuhr und zur festlichen Eröffnung Bogen anlief, standen die Kinder Spalier, und Ehrengäste, Behörden, Bürgermeister waren erschienen.” 8)
Manch Mitterfelser mag dieses Ereignis neugierig miterlebt haben, mancher Amtsvorstand diensthalber. Die nächste Teilstrecke von Bogen nach Steinburg wurde am 16. Mai 1896 feierlich eingeweiht. Nun konnten die Mitterfelser den angesagten Eröffnungstermin der letzten Teilstrecke nach Konzell-Süd am 5. Dezember des gleichen Jahres gar nicht mehr erwarten. Am 24. August richteten sie eine Bitte um vorzeitige Teileröffnung der Strecke bis Mitterfels an die „Hohe, Koenigliche General-Direktion der kgl. bayr. Staats-Eisenbahnen”: „Die Teilstrecke der Eisenbahnlinie Straubing-Konzell von Steinburg bis zur Höllmühle bei Mitterfels ist seit bereits 14 Tagen fertig gestellt, indem tagtäglich bis dorthin der Materialzug verkehrt. Seit dieser Zeit wird an der Überbrückung mit der Eisenkonstruktion auf die fertigen Pfeiler über die Menach gearbeitet und ist aller Wahrscheinlichkeit und Berechnung Sachkundiger nach in 3 längstens 4 Wochen der Brückenbau vollendet. Da von der Menachbrücke an bis zum ca. 4 - 500 m entlegenen Stationsgebäude Mitterfels der Bahnkörper nunmehr auch fertiggestellt ist und die Schienenlage auf dieser kurzen Strecke kaum mehr als 1 Tag Zeit erfordert, so könnte in längstens 4 Wochen die Strecke Steinburg - Mitterfels eröffnet werden...” 9) Dies wurde schnell abgelehnt. Der reguläre Bahnverkehr würde behindert.
Foto: Am 5. Dezember 1896 war es dann soweit. Das "Bayerwald-Bockerl" fuhr erstmals über die neue Perlbachtal-Brücke. Mit Pfeifen kündigte sich der Zug kurz vor dem Bahnhof Mitterfels an.
Am 5. Dezember 1896 war es dann soweit. Seltsam, dass im Straubinger Tagblatt keine Meldung über eine feierliche Eröffnung dieser letzten Teilstrecke zu finden ist. Vielleicht war die „General-Direktion” der ständigen Einweihungsfeiern müde. Lassen wir deswegen das Straubinger Tagblatt über die Einweihungsfeier in Steinburg berichten. 10) (Unter den Fotos der Haltestelle Haselbach)
Haltestelle Haselbach
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass man - kaum war die Bahn bis Konzell eröffnet - den Weiterbau bis Miltach forderte, um eine direkte Anbindung von Cham und Kötzting nach Straubing herzustellen. Diese Strecke war am 1. Juni 1905 fertig.
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Die bestrentierliche Lokalbahn in Niederbayern
So berichtet die Zeitschrift „Der Bayerwald” im Heft 2/1910. Das lässt den heutigen Zeitungsleser aufhorchen, der nur von unrentablen Bahnlinien liest und von der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Straße.
Schon in den ersten Jahren nach dem Bau gab es erfreuliche Bilanzen: „Die Frequenz der Bahn berechnet man im Personenverkehr auf 77.000 Fahrten pro Jahr, den Güterverkehr auf 20.800 Tonnen. Auch diesmal hatte man sich verschätzt. Im Jahre 1897, also im ersten Jahr des vollen Betriebs auf der Strecke Straubing-Konzell, wurden 186.556 Personen und 18.809 Tonnen Güter befördert. Der Personenverkehr übertraf somit die Erwartung, während der Güterverkehr darunter blieb. 1899 sah aber das Bild schon anders aus: In diesem Jahre wurden 180.513 Reisende und 32.929 Tonnen Güter befördert. Die Lokalbahn erzielte einen Überschuss von 53.156 Mark.” 12)
Reger Betrieb herrscht auch beim Gütertransport schon bald am Bahnhof Mitterfels. Hier sind bereits die beantragten Erweiterungsbauten zu sehen. „Mitterfels ist Sitz mehrerer kgl. Behörden. Das Bedürfnis von Verladen von Möbeln hat sich bei Versetzungen von Beamten wiederholt geltend gemacht, so daß die Herstellung einer festen Stirn- und Längsladerampe als ein Bedürfnis zu erachten ist. Um die nutzbare Länge des Ladegeleises, welche ohnehin nur 56 m beträgt, nicht zu vermindern, dürfte die Ausführung eines eigenen Geleisstutzens zweckmäßig sein.” 11) (Postkarte: Sammlung Elisabeth Aumer)
Über die Bilanz 10 Jahre später, 1908, berichtete „Der Bayerwald”: „Die 71,58 km lange Lokalbahn Straubing-Cham-Kötzting, mit einem Kostenaufwand von 5.412.629 Mk. erbaut, verfügt zur Bedienung ihres Verkehrs über 8 Tender-Lokomotiven, 13 Gepäck- und Güter- und 21 Personenwagen... in 400 Wagen gelangten 569 Stück Vieh zum Versande. An Fahrkarten wurden 203.217 Stück abgesetzt...Die Gesamteinnahmen belaufen sich insgesamt auf 466.109 Mk. Im Ganzen fielen 283.848 Mk. Ausgaben an, es ergibt sich demnach ein Überschuss von 182.260 Mk.
Interessant ist schließlich noch zu wissen, dass die Lokalbahnstationen von Cham bis Kötzting im Berichtsjahre 845.000 kg Braun- und 1.426.000 kg Steinkohlen bezogen, während die Stationen von Straubing bis Miltach ein Quantum von 3.288.000 kg Braun- und von 395.000 kg Steinkohlen als angekommen verbuchten. Hinsichtlich der Gewichtsmenge nimmt die Lokalbahn die 41. Stelle, hinsichtlich der Einnahmen die 93. Stelle ein.” 13)
Im Jahr der Bahneröffnung errichtete der Straubinger Bierbrauer Leser, die Zeichen der Zeit erkennend, am neuen Mitterfelser Bahnhof eine „Schank- und Gastwirtschaft mit Fremdenbeherbergung“. (Postkarte: Sammlung Christl Jakob)
Lesen wir zum Ausgleich aus Hans Vicaris weniger bilanzmäßigen als poetischen Bericht: „Was steigen da Erinnerungen hoch, als während des Zweiten Weltkrieges kein Wochenende verging, an dem wir mit unserer Mutter nach Hunderdorf fahren mussten oder durften, um bis nach Oberbucha hinauf zu marschieren, bei verschiedenen Bauern und Häuslleut anzuklopfen und zu fragen, ob nicht ein paar Kilo Butter, Äpfel oder Fleisch zu kaufen wären! Was schleppte unsere gute Mutter nicht alles in Rucksäcken und Taschen von der hilfsbereiten und freigebenden Frau Fany Schuster aus Oberbucha zur Bahnstation Hunderdorf hinunter, Winter wie Sommer! Auf harten Holzbänken zuckelten wir morgens von Straubing nach Hunderdorf, manchmal auch bis Haselbach oder Haibach und abends wieder zurück nach Straubing.
Oft wetzte noch lange nach der Bahnfahrt ein Stückchen Kohlenasche im Auge, das wir uns geholt hatten, als wir trotz aller Ermahnungen doch das Fenster mit dem Lederriemen öffneten und uns hinauslehnten, um in die Fahrtrichtung zu blicken. Hu-huh-hu pfiff die Lok, und mit großen weißen Dampfwolken zischte sie dann los: Wa-wa-wa-wa, rhythmisch immer schneller werdend: Geht-no-langsam, geht-no-langsam, wird-scho-besser, wird-scho-besser, schiabts-a-bissal, schiabts-a-bissal, geht-scho-besser, geht-scho-besser, braucht-ses-nimma, braucht-ses-nimma, konns-alloans-scho, konns-alloans-scho, nach hinten hinaus immer schneller, immer hastiger gesprochen, übernehmen wir die Leistung der schnaubenden Lok, ahmen sie nach.” 14)
Für viele Schüler und Arbeiter gehörte die Fahrt noch nach dem Zweiten Weltkrieg zum täglichen Leben. Viele Spitznamen, die nicht verächtlich gemeint waren, hatte der Dampfzug: „Bayerwaldbockerl”, „Orientexpress”. Er wurde gar als „Schwammerlsucher” bezeichnet, weil man auf der Wachsenberger Steigung mitunter daneben hergehen und Schwammerl suchen konnte.
Die Dampfloks wurden allmählich durch Triebwägen ersetzt, schon die „Akkustik” war eine andere, wenn man am Bahnhof auf den Zug wartete.
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.... in Etappen ging sie
1968 aber begann der Kampf um den Bahnerhalt. Die Straßen waren gut ausgebaut, Omnibuslinien eingerichtet, die Schüler stiegen in den Bus um, die Bahnhöfe lagen zu weit ab von den Orten. Im Jahre 1968 verkehrten auf der Nebenbahn Straubing - Miltach noch 14 Personenzüge und etliche Güterzüge. Doch dann begann die Deutsche Bundesbahn immer mehr den Rechenstift anzusetzen. 1969 wurde schließlich unter anderem auch in Bogen der Stückgutverkehr eingestellt. Und dann ging es weiter: Hier kein Expressgut mehr, dort keine Viehbeförderung, hier nur noch Werktagsbesetzung am Bahnhof, schließlich Busverkehr an Wochenenden.
Ab 1978 begann der eigentliche Kampf um den Bahnerhalt. Doch trotz aller Proteste der Politiker und Firmen begann 1983 die schrittweise Einstellung der Nebenbahn. Am 29. September 1984 wurde der Reisezugverkehr zwischen Miltach und Steinburg für immer eingestellt, ab 29. November 1986 der Reisezugverkehr zwischen Bogen-Ost und Steinburg und der Güterzugverkehr zwischen Bogen-Ost und Konzell-Streifenau.
Letzte Fahrt des Triebwagens am 28.9.1986
Beim Bahnhof Mitterfels werden die Gleise abgebaut.
Am 5. Dezember 1996 hätten auch wir Mitterfelser den 100. Geburtstag unserer schwer erkämpften Bahnstrecke feiern können, so wie die Bogener es konnten. Wir hätten ihr sicher ein würdiges Fest gefeiert. Sie ist aber nicht einmal ganz 90 Jahre alt geworden.
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