Christmette in der kath. Heilig-Geist-Kirche Mitterfels - Foto: Franz Tosch - Vergrößern durch Anklicken!
Predigt von Pfarrer P. Dominik Daschner OPraem in der Christmette der Pfarreiengemeinschaft Mitterfels-Haselbach
Die Erste Lesung von dem Volk, das im Finstern geht und ein helles Licht sieht, und von einem neugeborenen Kind, das Rettung bringen wird, ...
... die ist für uns fest verbunden mit dem Gottesdienst in der Heiligen Nacht. Jedes Jahr neu hören wir diese Worte des Propheten Jesaja in der Christmette, an der Krippe.
In turbulenten Zeiten: Jesajas Voraussage von einem Kind, das Rettung bringen wird
Als Jesaja diese Zeilen verfasst hat – um das Jahr 730 vor Christus -, da herrschten in Israel große Turbulenzen. Das Reich war in Nord und Süd zerfallen. Es tobte ein grauenhafter Bruderkampf. Israel hatte versucht, im Konzert der Großmächte mitzumischen. Doch es war damit gescheitert und muss nun die Konsequenzen dafür tragen. Das assyrische Heer hatte weite Teile des Landes überfallen und unter seine Kontrolle gebracht. Die feindlichen Soldaten machten Städte und Dörfer dem Erdboden gleich und hinterließen verbrannte Erde, eine Spur der Verwüstung. Die Menschen hatten Angst vor dem Untergang und fürchteten, alles zu verlieren, was ihnen lieb und teuer war.
Parallelen zur „Dauerkrisen“-Zeit von heute
Diese Beschreibung kommt uns nach dem 24. Februar diesen Jahres, seit dem großangelegten Überfall Russlands auf die Ukraine und seinen Folgen, das kommt uns doch sehr bekannt und aktuell vor. Ähnliches erleiden die Menschen in der Ukraine seit Monaten. Und in Folge dessen ist unsere ganze Welt in schwere Turbulenzen geraten. Vieles, was uns bisher selbstverständlich erschien, ist mit einem Mal unsicher geworden: die europäische Friedensordnung, die uns glauben machte, Grenzen und Militär könnten vielleicht bald ganz überflüssig sein; die Versorgungssicherheit bei Energie und Lebensmitteln. Wir alle spüren die Folgen mit Lieferengpässen, enorm gestiegenen Preisen, einer hohen Inflation. Die Regierung bemüht sich mit aller Macht, die Auswirkungen der Krise abzufedern: durch die Gaspreisbremse und eine Strompreisbremse. Dabei soll aber auch die Schuldenbremse eingehalten werden.
Und dabei ist der Ukraine-Krieg ja beileibe nicht die einzige Krise. Wir plagen uns immer noch mit der Corona-Pandemie und ihren Auswirkungen herum. Dazu die Klimakatastrophe, in die wir sehenden Auges steuern. Und – noch gar nicht so lange her, aber von vielen schon wieder vergessen – die Banken- und Wirtschaftskrise von 2008. Die Soziologen bezeichnen die Generation der nach 2000 Geborenen deshalb schon als die „Generation Dauerkrise“. Sie spüren, dass sie es nicht mehr so gut haben werden wie die Generationen vor ihnen, die geprägt waren von Wirtschaftswachstum und Wohlstand. In Teilen der Bevölkerung macht sich zunehmend Katastrophen-, ja Untergangsstimmung breit.
„Welt ging verloren.“ – Und Gott?
In dem beliebten Weihnachtslied „O du fröhliche“, da singen wir in der ersten Strophe: „Welt ging verloren.“ Das klingt an diesem Weihnachtsfest 2022 beängstigend aktuell. Schon oft drohte und droht die Welt verloren zu gehen. Und was macht Gott? Wie unsere Regierung tritt er auf die Bremse, um den Weg in den Untergang zu stoppen. Er kommt uns rettend entgegen. Er sendet Hilfe und Rettung, wenn die Welt verloren zu gehen droht. Schon in den Turbulenzen zur Zeit des Propheten Jesaja war Gott das Schicksal seines Volkes nicht egal. Er hat seine Propheten gesandt, die das Volk Israel, das vom rechten Weg mit seinem Gott abgekommen war, aufrütteln und in die Spur zurückbringen sollten. Durch Jesaja kündigt er ihnen Rettung an. Ein Kind, ein neuer Herrscher würde ihnen Rettung bringen. Gott ließ sein Volk nicht einfach ins Verderben laufen und untergehen.
Er hat uns durch seinen „menschgewordenen Sohn Rettung und Heil gebracht“
Und nun, in der Menschwerdung seines Sohnes, tritt Gott sozusagen vollends auf die Bremse. Er sendet seinen eigenen Sohn als Retter und Erlöser. Im Kind in der Krippe hat das von Jesaja prophetisch verheißene Kind, das uns geboren werden soll, auf dessen Schultern die Herrschaft liegt, das Rettung und Frieden bringen wird; in der Menschwerdung des Gottessohnes hat es seine Erfüllung gefunden. „Du bist uns mit der Macht deiner Gottheit zu Hilfe gekommen und hast uns durch deinen menschgewordenen Sohn Rettung und Heil gebracht“, so fasst eine Präfation als Einleitung zum Hochgebet der Messe das Weihnachtsgeschehen zusammen. Oder in einer anderen Präfation: „Du hast den Menschen in deiner Güte erschaffen und ihn, als er der gerechten Strafe verfallen war, in deiner großen Barmherzigkeit erlöst.“ Gott gibt den Menschen nicht verloren. Er lässt uns in allen krisenhaften Erscheinungen dieser Welt und unseres Lebens nicht untergehen. Das zeigt er uns an Weihnachten, in er Menschwerdung seines Sohnes.
Gottes „Weltuntergangsbremse“: „Welt ging verloren, Christ ist geboren.“
Wenn in diesem Gebet von einer „gerechten Strafe“ die Rede ist, der der Mensch verfallen war, dann ist damit nicht etwas gemeint, das Gott als Bestrafung über den Menschen verhängen würde – über die Menschheit als ganze oder über einen Einzelnen persönlich; wie ein Lehrer einen Verweis für schulisches Fehlverhalten oder Eltern über ihre Kinder: zur Strafe eine Woche Hausarrest -, sondern einfach die negativen Konsequenzen, die der Mensch sich durch sein eigenes Handeln selbst bereitet, indem er so ist, wie er nun mal ist: oftmals egoistisch und rücksichtlos. Wir sehen es aktuell zum Beispiel an den Debatten bei den wiederkehrenden Weltklimakonferenzen. Obwohl doch alle die Katastrophe eines fortschreitenden Klimawandels kommen sehen, sperren sich viele weiter gegen notwendige Beschlüsse und Gegenmaßnahmen, weil sie in egoistischer Weise nur kurzfristige eigene Vorteile für ihr Land im Blick haben, die sie nicht aufgeben wollen, statt auf das große Ganze zu schauen.
Doch auch darin und in all den anderen Krisen wird Gott den Menschen nicht verlorengehen lassen. Das hat er uns gezeigt, indem er selbst ein Mensch geworden ist. Das Lied „O du fröhliche“ fasst es denkbar knapp, in einem einzigen kurzen Satz zusammen: „Welt ging verloren, Christ ist geboren.“ Wenn die Welt verloren zu gehen droht – die Welt als große ganze oder meine kleine eigene Welt, in den Katastrophen des persönlichen Lebens; wenn schwere Krankheit, ein Beziehungs-Aus, Existenzsorgen, der Tod eines Angehörigen oder was auch immer sonst sie ins Wanken bringen -, wenn die Welt verloren zu gehen scheint; was ist die Antwort Gottes darauf? „Christ ist geboren.“ Er kommt uns in Christus rettend entgegen und stellt uns seinen menschgewordenen Sohn an die Seite. Er ist sozusagen Gottes Weltuntergangsbremse in den Krisen dieser Welt.
Manche werden Hannes Ringlstetter und seine Show am Donnerstagabend im Bayerischen Fernsehen kennen. Er beendet seine Show jeweils mit dem markanten Spruch: „Und denken Sie immer daran: Bayern wird nicht untergehen. Und wenn doch, erfahren Sie es hier als erstes!“ Auf Weihnachten abgewandelt könnte man sagen:
Schauen Sie auf die Krippe, auf den menschgewordenen Gottessohn. Hier ist zu sehen: Gott lässt seine Schöpfung nicht untergehen. Er geht selbst in sie hinein, um sie zu retten. Er steht als Mensch an unserer Seite. Gott lässt uns in all den Krisen unserer Zeit und unseres Lebens nicht verlorengehen.