Gründonnerstag ... "Ich bin doch nicht blöd!"

fuwaschung christi sizilien 18 jh w

Fußwaschung - Unbekannter sizilianischer Künstler des 18. Jh. (wikimedia/public domain)

Pater Dominik Daschner OPraem. Gründonnerstagsspredigt 2015 in der Pfarrkirche Haselbach

 

„Ich bin doch nicht blöd!“, so tönt es uns seit Jahren lautstark aus der Werbung in Radio, Fernsehen und Zeitungsbeilagen entgegen. Ich bin doch nicht verrückt und zahle anderswo mehr, wenn ich das gleiche Elektrogerät bei Mediamarkt billiger bekomme. Wie die Dum­pingpreise zustande kommen, wer am Ende dafür die Zeche bezahlt – die Arbeiter in den Bil­liglohnländern und die Umwelt dort - das muss mich nicht kümmern. Hauptsache billig. Ich bin doch nicht blöd!

 


 

Was solch coole Typen meist nicht merken: wie die Menschen in ihrer Nähe zu frösteln beginnen.


Und irgendwie hat diese Einstellung längst auf andere Lebensbereiche abgefärbt. Ich bin doch nicht blöd und tu‘ mir das an, so heißt es dann zum Beispiel. Cool sein ist heute angesagt. Möglichst nichts und niemanden an sich heranlassen, keine Gefühlsregungen zeigen, sich aus allem heraushalten und cool distanziert geben. Was solch coole Typen meist nicht merken: wie die Menschen in ihrer Nähe zu frösteln beginnen. Was für ein frostiges Klima bei so viel Coolness entsteht. Die soziale Kälte in unserer Gesellschaft nimmt zu. Denn ich schaue nur auf mich. Ich doch nicht blöd!


Mit der Fuß­waschung an seinen Jüngern tut Jesus etwas absolut Verrücktes.


Mit diesem Satz sind wir ganz nahe dran am Geschehen des Gründonnerstags. Mit der Fuß­waschung an seinen Jüngern tut Jesus etwas absolut Verrücktes. In der Klosterkirche der Be­nediktiner in St. Ottilien ist das wunderbar anschaulich ins Bild gebracht. In Stein gehauen ist da zu sehen, wie Jesus sich vor Petrus mit der Waschschüssel niederkniet, und Petrus tippt sich mit dem Finger an die Stirn. Er zeigt Jesus regelrecht den Vogel. Das ist doch verrückt, was du da tust! „Du, Herr, willst mir die Füße waschen? … Niemals!“

Und es stimmt ja auch: Was Jesus da tut – seinen Jüngern die Füße waschen -, das war in Zeiten ohne Straßenreinigung, ohne Müllabfuhr und Kanalisation eine regelrechte Drecksarbeit. Die mochte man nur dem aller­letzten Sklaven im Haus zumuten. Das war also tatsächlich der letzte Job. Dass nun ausge­rechnet Jesus, der Herr und Meister, diesen Dienst an seinen Jüngern übernimmt, das war nicht nur für damalige Verhältnisse eine unglaubliche Provokation. Petrus spürt diese Zumu­tung überdeutlich und darum will er das nicht geschehen lassen: Jesus, sei doch nicht blöd! Das ist doch verrückt! Ver-rückt im buchstäblichen Sinn des Wortes. Da werden die Verhält­nisse verschoben, oben und unten vertauscht.

Aber Jesus besteht darauf, dass Petrus es zulässt, dass er ihn in dieser ganz und gar intimen Weise an sich heranlässt. Sonst, sagt Jesus, hast du keinen Anteil an mir. Und so lässt es Petrus geschehen. Jesus neigt sich zu ihm hinab und berührt ihn. Und Petrus lässt sich von Jesus berühren – an den Füßen und noch mehr im Inneren.


Jesus drückt seine Zu-Neigung aus


Im Deutschen haben wir das schöne Wort „Zuneigung“, ein anderer Ausdruck für Liebe, für „Ich mag dich“. Und wenn wir dieses Wort genauer unter die Lupe nehmen, dann steckt da drin: Ich neige mich zu dir hinab. So wie es Jesus bei der Fuß­waschung an seinen Jüngern getan hat. Und genau darum geht es bei dieser Zei­chenhandlung Jesu, bei der Fußwaschung. Zuneigung zeigen, sich zum anderen hinab beugen, sich bücken. Weil ich dich mag, weil du es mir wert bist, darum bleibe ich nicht auf­recht stehen, bleibe ich nicht oben, in cooler Distanz, sondern beuge mich zu dir hinunter – aus Zuneigung, aus Liebe eben. Genau das tut Jesus hier.

Die Motivation, aus der heraus Jesus diesen Dienst an seinen Jüngern tut, ist die Liebe. So beginnt Johannes ja auch seine Schilderung: „Da er die Seinen … liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung.“ Aus Liebe tut Jesus an seinen Jüngern dieses Zeichen der Dienst­bereitschaft.


Die Liebe lässt uns Dinge tun, wo andere nur kopfschüttelnd sagen: Ich bin doch nicht blöd!


„Love changes everything“ so heißt ein alter Popsong von Michael Ball – „Die Liebe verändert alles.“ Wo die Liebe dazukommt, da ändert sich alles. Die Liebe lässt uns Dinge tun, wo andere nur kopfschüttelnd sagen: Ich bin doch nicht blöd! Aus Liebe zu seinen Jüngern tut Jesus an ihnen diesen allerletzten Drecksjob.

In dem Sich-hinab-beugen zur Fußwaschung verdichtet sich noch einmal die ganze Lebens­hingabe Jesu. In ihm hat sich Gott zu uns Menschen herabgebeugt, ist er mit uns auf Augen­höhe gegangen, um uns seine Zuneigung zu zeigen. So fasst der Apostel Paulus in seinem berühmten Philipperhymnus die Dynamik der Sendung Jesu zusammen: „Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und … wurde den Menschen gleich. … Er erniedrigte sich … bis zum Tod am Kreuz.“ Bis in den grausamen Verbrechertod am Kreuz hat er sich hinab gebeugt, um sich uns Menschen zuzuneigen. Tiefer hinab geht es nicht.


Zeichen dieser Hingabe Jesu: die Eucharistie


In die Fußwaschung, in dieses Zeichen beim Abschied von seinen Jüngern vor seinem Ster­ben, hat Jesus seine dienstbereite Zuneigung aus Liebe zu uns Menschen noch einmal ganz anschaulich hineingelegt. So wie es ihm in seinem ganzen Leben um den Dienst am Men­schen gegangen ist. Und genauso tut er das nachher beim Letzten Abendmahl, wenn er Brot und Wein deutet als: mein Leib für euch; mein Blut für euch. Als bleibende Zeichen seiner Hingabe aus Liebe zu uns; Zeichen, die fortleben in der Feier der Eucharistie. In jeder Feier der Heiligen Messe wird in ihnen aufs Neue Wirklichkeit, wie sich Gott in Jesus uns aus Liebe zu­neigt.

Theodor Fontane schreibt einmal: „Abschiedsworte müssen kurz sein wie Liebeserklärungen.“ Das trifft auf das Letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern voll und ganz zu. Mit der Waschschüssel in der Hand hat Jesus ein­dringlicher gepredigt als mit einer wortreichen Ansprache. Diese Zeichenhandlung der Fuß­waschung hat seine Jünger erreicht und ihnen seine Botschaft ins Gedächtnis und ins Herz eingeschrieben.


„Ein Beispiel habe ich euch gegeben…“: … nicht in cooler Distanz zu verharren ...


Die Zuneigung zum anderen, so wie Jesus sie praktiziert und seinen Jüngern vorgelebt hat, das ist uns, seinen Jüngerinnen und Jüngern, bis heute als sein Vermächtnis aufgegeben: dass wir es Jesus gleichtun und uns dem Mitmenschen in seiner Bedürftigkeit zuneigen. So sagt es Jesus ja selbst am Ende dieser ungewöhnlichen Aktion: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“

Sein Beispiel fordert uns auf, dass wir nicht in cooler Distanz verharren, nach der Devise: „Ich bin doch nicht blöd!“ Dass wir im Blick auf unsere Mitmenschen nicht zuerst fragen: Was muss ich tun? Was kann man von mir verlangen? Sondern so wie Jesus das immer wieder getan hat, wenn er Menschen in Not und Bedürftigkeit begegnet ist. Er hat zuallererst gefragt: Was kann, was soll ich dir tun? Dass wir uns also so wie er berühren lassen von der Not der anderen, sie an uns heranlas­sen – so wie Petrus seinen Herrn und Meister Jesus mit der Waschschüssel an seine Füße - und an der Not unserer Mitmenschen Anteil nehmen. Wo immer wir das tun, da sind wir zu­gleich Jesus ganz nahe, erhalten wir Anteil und Gemeinschaft mit ihm, wie Jesus sagt.


…. besonders drängend momentan beim Zustrom von Flüchtlingen und Asylbewerbern


Beispiele, in denen die Not anderer Menschen an die Türen unserer Herzen klopft, gibt es mehr als genug. Besonders drängend erleben wir sie momentan wohl im Zustrom der Flücht­linge und Asylbewerber, die in immer größerer Zahl Zuflucht in unserem Land suchen und mitt­lerweile auch unsere Gemeinde erreicht haben; die fremd und obdachlos zu uns kommen, die alles verloren haben, die traumatisiert sind und in ihrer Not bei uns Hilfe suchen. Wenn wir uns in christlicher Verantwortung diesen Menschen zuneigen, dann sehen wir eben nicht nur das Fremde in ihnen – die fremde Sprache, ihre fremde Kultur, andere Sitten und Gebräuche -, was uns - in einem ersten Impuls dem Fremdartigen gegenüber - vielleicht auf Distanz gehen lassen möchte, vor dem sich manche abschotten wollen. Wenn wir uns ihnen zuneigen, uns in Liebe hinab beugen zu ihnen und ihrer Not, dann sehen wir da die Gesichter von unseren Menschenbrüdern und –schwestern; Menschen wie wir, die nichts anderes wollen als wir auch: nämlich ein Leben in Ruhe, in Frieden und Sicherheit.

Wenn uns Jesus in der Fußwaschung heute so eindringlich seine dienstbereite Zuneigung zeigt und sie uns als sein Vermächtnis ans Herz legt, dann können wir gar nicht anders, als uns denen zuzuneigen, die in Not sind und auf unsere Hilfe hoffen. Alles andere wäre für einen Christen doch blöd!

 

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