„Vom Reiz der alten Dinge“

. . . er­zählt ab 21. Mai ei­ne Aus­stel­lung im Kreis­mu­se­um

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Bogenberg. „Jetzt sind die Sachen aus meiner Jugend schon ein Fall fürs Museum!“ Diesen verblüfften Ausruf hat Barbara Michal, Leiterin des Kreismuseums auf dem Bogenberg, jüngst gehört, als jemand zufällig einen Blick auf die kommende Sonderausstellung erhaschte. Aber: Wer aus der „Generation Handy“ kennt noch einen Kassettenrekorder, eine Schreibmaschine oder ein Wählscheibentelefon? Unter anderem mit dem Wechsel vom analogen ins digitale Zeitalter befasst sich die Sonderausstellung, die am Sonntag, 21. Mai, um 17 Uhr im Museum eröffnet wird.
Noch türmen sich in manchen Räumen Schachteln, der Staubsauger wartet auf seinen Einsatz, der Wählscheiben-Apparat, über dessen Hörer die Museumsbesucher etwas über die Geschichte des Telefons erfahren werden, ist noch nicht installiert. Größtenteils aber sind die Räume für die Sonderausstellung „Vom Reiz der alten Dinge – Museumsobjekte neu gesehen“ fertig eingerichtet.

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„Vier Leben“ eines Kruges

„Wir wollen unsere Neuerwerbungen der letzten Jahre sowie interessante Depot-Funde und auch die Sammelgebiete unseres Museums vorstellen“, sagt Barbara Michal. Und vor allem will sie zeigen, dass Ausstellungsstücke „sprechen“, dass sie eine Geschichte zu erzählen haben. Als Beispiel nennt sie die „vier Leben“ eines großen Kruges, hergestellt einst in der Wurm-Fabrik in Bärndorf. Die Fragen, die sich mit dem ersten Leben befassen, lauten etwa: Aus was für einem Material ist er? Wie groß? Wurde er fürs Bierholen verwendet? Irgendwann ging der Henkel entzwei, doch der Krug wurde repariert, Leben Nummer zwei begann. Das dritte Leben führte er als Erinnerungsstück: Neben Familienfotos stand er auf dem Schrank einer Frau, stammte er doch aus der Fabrik ihres Großvaters. Im Museum nun führt er sein viertes Leben „als Beispiel für die örtliche Industriekultur und als Beispiel für die Geschichte des Reparierens“. Besonders tief eingetaucht ist die Museumsleiterin zur Vorbereitung der Ausstellung in die Vergangenheit des Filmwesens, ausgelöst einerseits durch die Ausrüstung des einstigen Schwarzacher Wanderkinos, das zu den Stücken im Museumsdepot gehört, andererseits durch den Wandel der ehemaligen Kreisbildstelle hin zum jetzigen Medienzentrum Straubing-Bogen, bei dem die Filme für den Schulunterricht nicht mehr analog gelagert werden, sondern per Streaming von den Lehrern abzurufen sind. „Alles Analoge wurde weggegeben.“ Ein Teil davon ist jetzt Museumsobjekt. Vielleicht wird es während der Ausstellungs-Saison einmal einen Film-Abend geben, an dem ein Projektor angeworfen wird, um alte Filme zu zeigen. „Junge Leute kennen das nicht mehr – deren Rattern, wie am Ende zurückgespult wird oder dass nur 20 Minuten Film auf eine Rolle passen.“ Weswegen es bei den Spielfilmen, die im Wanderkino gezeigt wurden, Pausen zum Rollenwechsel gab. Überbrückt wurden sie mit Diaschau – oder dem Abendessen, vorgeführt wurde schließlich in Wirtshäusern.


Zensierte Filmplakate

„Vor dem eigentlichen Kinofilm wurde ein Kulturfilm gezeigt“, erzählt Michal, „weil dann die Vergnügungssteuer geringer ausfiel.“ Bei den Streifen für die Erwachsenen gab es in der betreffenden Zeit – das Schwarzacher Wanderkino existierte von Anfang der 50er bis in die 80er Jahre – beim Hauptfilm statt Kultur eher nackte Tatsachen („Schulmädchenreport“) oder Action („James Bond“): „Damit versuchte die Filmindustrie, dem gerade aufgekommenen Fernsehen etwas entgegenzusetzen.“ Das passte nicht allen: Mit schelmischem Lächeln hält die Museumsleiterin ein Plakat in die Höhe, auf dem die blanken Brüste der Schauspielerin überklebt sind: „Die Zensurstreifen hatte der Pfarrer von Schwarzach veranlasst. Der Pfarrhof lag nahe dem Wirtshaus, in dem die Filme gezeigt wurden . . .“

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Die Kreisbildstelle

Seit Bestehen der Filmindustrie gebe es fiktionale Filme ebenso wie Dokumentationen. Letztere erlebten laut Michal einen starken Aufschwung unter den Nationalsozialisten, denen klar gewesen sei, dass Unterrichtsfilme sich ausgezeichnet für Propaganda verwenden ließen. Damals entstanden die Kreisbildstellen, jene in Bogen etwa im Jahr 1934. Für die Schulen verwendet „wurde Schmalfilm, der sogenannte Sicherheitsfilm, denn die normalen Filme waren im Wortsinn brandgefährlich, bestanden sie doch aus Nitrozellulose“. Die Ausstattung der Schulen hinkte der Entwicklung oft hinterher: Da in den 40er Jahren noch 60 Prozent der Schulen im Landkreis Bogen ohne Strom waren, musste zur Filmvorführung ein Aggregat mitgeliefert werden. Und als in den 60er Jahren alle Volksschulen mit Stummfilmprojektoren ausgestattet waren, „war die Stummfilmzeit eigentlich schon vorbei “. – Um den Ausstellungsbesuchern einen Einblick in alte Unterrichtsfilme zu geben, läuft ein digitaler Zusammenschnitt verschiedener davon im Museum, darunter ein einstiger Landkreis-Werbefilm. In weiteren Räumen wird es Vitrinen mit Objektgruppen zu verschiedenen Themen geben, etwa zur Volkskunst, zu Erinnerungsstücken, zur Medizin, zum Apothekenwesen, zu Bogenberg-Bildern und vielem mehr. Eingegangen wird auch auf kreative Umwandlung alter Dinge – heute als Hobby oder als Zeichen gegen die Wegwerfgesellschaft, früher oft aus der blanken Not heraus. Manches kann der heutige Mensch erst auf den zweiten Blick oder gar nicht mehr zuordnen – wie eine „Rätselvitrine“ zum Thema Tier beweist. – Im Treppenhaus wird es unter anderem um die Bedeutung von Fahnen gehen, im dritten Raum eine Etage tiefer erwartet die Besucher das Thema Möbel und Wohnen, der Blick wird auf die Küche gerichtet. Im Bauernhaus gab es die Kochecke, die dem für alles Mögliche genutzten Tisch gegenüberlag, später kam das Küchenbuffet in Mode, die Abtrennung der Küche vom Rest der Wohnung erfolgte, Einbauküchen nutzten den Raum perfekt aus.


Der Wert des Analogen

Wer heute mit freistehendem Küchenblock wohnt, entdeckt die Küche wieder als Ort des Analogen: „Dort wird mit der Hand gearbeitet, dort trifft man sich und redet.“ – Dass Analoges in der Zeit der immer kurzlebigeren digitalen Trends wieder an Wert gewinnt, zeigt sich Michal zufolge auch daran, dass heute erneut Plattenspieler und Vinylscheiben hergestellt werden. Mit alten, nicht mehr benötigten Dingen umzugehen, indem man sie sammelt – dafür ein Beispiel geben nicht nur Museen, sondern auch Privatleute. So kann etwa ein Teil der Kugelschreibersammlung von Landrat Josef Laumer in der Ausstellung besichtigt werden. – Ach ja, und: Spielerisch mit alten Kleidungsstilen umgehen können die Museumsbesucher weiterhin. Entgegen ursprünglich anderen Plänen ist das „Fotoatelier“ mit seiner Möglichkeit zur Verkleidung nun doch erhalten geblieben.

Quelle: Andrea Prechtl/BOG Zeitung

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