Werner Schäfer hat ein Buch über die Kunstgeschichte der Stadt Straubing verfasst

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Symbolik und Ikonographie interessiert Kunsthistoriker Werner Schäfer, wie auch hier am Silbertabernakel in der Karmelitenkirche.

Eine neue Perspektive

 

„Ich frage mich: Was steckt dahinter?“ Diese Frage hat den Kunsthistoriker Werner Schäfer dazu geführt, ein Buch über die Kunstgeschichte der Stadt zu schreiben. Von den Anfängen der Basilika St. Peter über den Hochaltar der Karmelitenkirche bis zur Ursulinen-Klosterkirche der Brüder Asam reicht das über 350-seitige Buch, das im Verlag Attenkofer erschienen ist. Im Interview erzählte Schäfer von der Zusammenarbeit mit Fotograf Manfred Bernhard, seinem Lieblingsort, der Karmelitenkirche, und wie er Kunst in der Gegenwart – wie beispielsweise das Werk „Schwindelfrei“ – beurteilt.

Straubinger Tagblatt: Sie haben in Ihrem Buch eine bestimmte Auswahl an Gebäuden getroffen. Nach welchen Kriterien gingen Sie bei der Auswahl vor?

Werner Schäfer: Das war wirklich die Qual der Wahl. Das Buch ist ein Versuch, einen Überblick zu geben über Ensembles in Straubing, die eine große Bedeutung haben, aber dabei auch auf weniger Bekanntes hinzuweisen.

Für das Interview haben Sie als Ort jedoch die Karmelitenkirche gewählt. Warum?

Es ist der Gesamtkomplex der Karmelitenkirche mit dem Kloster, der fasziniert. Beeindruckend ist die Einbettung von Kloster und Kirche in den Donau-Barock. Es sind die Grabdenkmäler, die überregionale Bedeutung besitzen. Die Entwicklung des Barock, die hier zu sehen ist, ist nicht zu unterschätzen. Wer sich die Kirche genau ansieht, erkennt den Übergang von Stuck- zu Freskenbarock. Man ging lange Zeit davon aus, dass die Stuckarbeiten aus der Carlone-Werkstatt unter Leitung von Paolo de Allio und Giovanni Battista Carlone stammen. Eine führende italienische Forscherin geht jedoch davon aus, dass hier in der Karmelitenkirche schon Diego Francesco Carlone an Stelle seines Vaters Giovanni Battista gearbeitet hat. Es gibt Engelsfiguren, die so feinfühlig gestaltet sind, dass ich davon ausgehe, dass tatsächlich Diego Francesco Carlone am Werke war. Der wurde immerhin zu einem der Väter des europäischen Rokoko. Seine Arbeiten habe ich übrigens zum ersten Mal in Genua gesehen.

Interessante Details

Wie sind Sie bei der Recherche zu dem Buch vorgegangen?

In dem Buch habe ich viele Themen verwendet, an denen ich bereits vor Jahrzehnten gearbeitet habe. Intensiv habe ich mich damit seit rund drei Jahren auseinandergesetzt. Ich habe viele Bände an Literatur gewälzt und Unmengen von Exzerpten gemacht. Dabei sind auch interessante Details aufgetreten. Wenn man sich zum Beispiel den Silbertabernakel für das Gnadenbild „Maria von den Nesseln“ in der Karmelitenkirche ansieht, erkennt man eine Muschel. Das ist die symbolhafte Verbindung mit der Meeresmuschel Maria, die Jesus Christus, eine Perle, hervorbrachte. Genau das ist es, was mich interessiert. Ich frage mich: Was steckt dahinter? Daher geht es in dem Buch viel um Symbolik und Ikonographie.

Sie schreiben in Ihrem Vorwort, dass dies ein Buch insbesondere für Stadtführer und Kunstgeschichtsstudenten ist.

Das Buch ist in drei Ebenen angelegt. Die erste Ebene sind die vielen schönen Aufnahmen von Manfred Bernhard. Die zweite Ebene ist der Fließtext, der hoffentlich für jeden Interessierten gut lesbar ist. Die dritte Ebene sind die Endnoten auf rund 50 Seiten, in denen es sich nicht nur um ein Quellenverzeichnis handelt. Viele weiterführende Informationen sind darin enthalten – gedacht zum Beispiel für Gästeführer.

Waren Sie bei der Aufnahme der Fotografien dabei?

Manfred Bernhard und ich arbeiten seit Jahren zusammen. Wir haben die Werke gemeinsam betrachtet, zum Beispiel die Schutzengelkirche. Viele Fotografen zuvor haben an einem der Seitenaltäre immer nur das zentrale Altarblatt des Cosmas Damian Asam abgelichtet. Wir haben eine andere Perspektive gewählt und ganz bewusst den Altar ins Bild gefasst. Die Aufnahmen waren ein unglaublicher technischer Aufwand. Für die neuen Fotografien von St. Jakob haben wir zum Beispiel einen ganzen Tag gebraucht.

Weiterer Band geplant

Das Buch endet mit einem Ausblick in das 19. und 20. Jahrhundert. Warum haben Sie das als Endpunkt gewählt?

Weil ich, um ehrlich zu sein, dazu gerne noch einen, natürlich schmäleren, Band verfassen möchte. Es gibt so vieles in Straubing, das es wert wäre, dargestellt zu werden – eben auch aus den letzten zwei Jahrhunderten.

In Ihrem Buch beschreiben Sie kurz die Diskussionen im Jahr 1963 um die Bronze-Gruppe „Opfer und Leidtragende“ von Karl Reidel. Diese befindet sich ganz in der Nähe des Kunstwerks „Schwindelfrei“ von Maximilian Haller, das derzeit ebenso für Gesprächsstoff sorgt. Sehen Sie darin einen Zusammenhang?

Am Volkstrauertag habe ich mehrere Führungen durch den Pulverturm gemacht. Der Pulvertum ist ein Ehrenmal, ein Denkmal – direkt neben dem Gäubodenvolksfest. Aber auch ich finde wie damals 1963 Bezirksheimatpfleger Hans Bleibrunner: In Niederbayern liegen Tod und Leben nahe beieinander. So würde ich das in Sachen „Schwindelfrei“ sehen. Als ich die letzte Führung an diesem Tag beendet hatte, zogen Tigers-Fans am Pulverturm vorbei und ein paar Kinder turnten in dem neuen Kunstwerk. Jeder soll ein Kunstwerk für sich nehmen, es wird immer verschiedene Meinungen geben.

Info: Das Buch „Kunstgeschichte der Stadt Straubing“, verfasst von Werner Schäfer und mit Aufnahmen von Manfred Bernhard, erschienen im Verlag Attenkofer, ist im Buchhandel und im Leserservice des Straubinger Tagblatts zum Preis von 29,80 Euro erhältlich.

Das Buch wurde unterstützt von der Stiftung der Sparkasse Niederbayern-Mitte, der Stadt, dem Fremdenverkehrsamt Straubing, dem Historischen Verein für Straubing und Umgebung und dem Verlag Attenkofer.


Quelle: Interview: Sophie Schattenkirchner, in SR-Tagblatt vom 6. Dezember 2014 (zeitversetzt übernommener Beitrag aufgrund einer 14-tägigen Sperrfrist)