Johannesevangelium: Wirkmächtige „Zeichen“ (Wunder) unterstreichen die Gottheit Christi.

2022 12 18 Advent4

4. Adventssonntag in der Pfarreiengemeinschaft - Bild des Evangelisten Johannes und Adventskranz in der Pfarrkirche Haselbach - Vergrößern durch Anklicken!

Adventspredigten in der Pfarreiengemeinschaft Mitterfels-Haselbach von P. Dominik Daschner OPraem:

Vorstellung der Evangelisten in der Advent-Predigtreihe: 1. bis 4. Predigt: 

4. Adventssonntag:

2022 12 18 Advent4

Wir haben vier Evangelien, aber es gibt nur drei Lesejahre: nach Matthäus, nach Markus und Lukas. Was ist dann mit dem vierten, dem Johannesevangelium? Wann kommt das dran? Es wird vor allem in der Osterzeit gelesen, an den Feiertagen und an einigen Sonntagen im Mar­kusjahr.


Das jüngste der Evangelien mit einem längeren Entstehungsprozess: das Johannesevangelium


Das Johannesevangelium ist das jüngste der vier Evangelien. Erst an der Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert hat es seine jetzige Gestalt erhalten. Als Autor hat die Tradition je­nen Lieblingsjünger Jesu ausgemacht, der mehrfach im Text erwähnt wird, und ihn mit dem Apostel Johannes identifiziert, was aber einer historischen Überprüfung nicht wirklich stand­hält. Man­che Anzeichen weisen darauf hin, dass das Johannesevangelium einen längeren Entstehungs­prozess durchlaufen hat.


2022 12 18 Adventskranz Mitterfels wAttribut „Adler“ für Johannes: Das Johannesevangelium hat den weiten Horizont des Adlers …


Adventskranz in der Pfarrkirche Mitterfels mit den Bildern der Evangelisten an der Wand.

Sein größerer zeitlicher Abstand zum Jesusgeschehen erklärt auch dessen Eigenart. Anders als die drei synoptischen Evangelien ist das Johannesevangelium weniger eine historische Ab­handlung über Leben und Wirken Jesu, sondern zeichnet sich durch eine höhere Reflexions­stufe aus. Es überdenkt, versucht zu durchdringen und zu erfassen, was sich im Tiefsten in Person und Geschick Jesu ereignet hat. Das Johannesevangelium ist ein hochtheologisches und pneumatisches Evangelium. Die christliche Ikonographie – zurückgehend auf die Kir­chenväter Irenäus und Hieronymus – sie weist dem Johannes deshalb als Symbol den Adler zu. So hoch wie der Adler in die Lüfte steigt, so hochfliegend sind die Gedanken des Johan­nesevangeliums, so weit reicht sein Hori­zont.

Denn mit seiner Evangelienschrift umgreift Johannes das ganze Weltgeschehen und versucht, die Ereignisse rund um Jesus darin einzuordnen und zu deuten.


… und umgreift das ganze Weltgeschehen bis vor den Anfang der Schöpfung …


Bis vor den Anfang aller Schöpfung greift das Johannesevangelium in seinem einleitenden Prolog aus: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott…“ Mit dem ewigen Sein Jesu beim Vater beginnt Johannes sein Evangelium. Jesus wird vorgestellt als der präexistente Sohn Gottes, vor aller Zeit aus dem Vater gezeugt. Jesus stammt „von oben“, wie er selbst im nächtlichen Ge­spräch mit Nikodemus erläutert; vor seinem Auftreten als Mensch war er „bei Gott“. Und darum kennt er Gott wie kein anderer und kann uns von ihm Kunde bringen. Er stammt „vom Himmel“ und ist in die Welt herabgestiegen. Dabei ist und bleibt er dennoch eins mit seinem Vater. Jesus ist „von Gott ausgegangen“ und wird „zu ihm zurückkehren“, um die ganze Schöpfung seinem himmlischen Vater entgegenzuführen.


Jesu‘ Weg als Gottes„sohn“ und Mensch: von Gott zur Erde, um die Menschen zu Gott zu führen.


Das Johannesevangelium ist deshalb wie eine Parabel aufgebaut. In seinen ersten vier Kapi­teln schildert Johannes den Eintritt des göttlichen Wortes in die Welt. Von oben herab auf die Erde. Hier wirkt Jesus dann, macht die Menschen mit seinem himmlischen Vater vertraut, sammelt sie als seine Jünger, um sie zu Gott zu führen. Von der Erde nach oben, dem Him­melreich entgegen, so führt sein Weg.

Das ganze Leben und Wirken Jesu steht bei Johannes unter diesem Aspekt. Es ist Aufstieg zum Vater. Auch die Passion Jesu reiht sich hier ein. Sie ist bei Johannes nicht ein schmach­volles Erleiden, sondern Erhöhung. In der Passion nach Johannes wird Jesus als selbstbe­stimmt, ja geradezu herrscherlich Handelnder dargestellt. Er erleidet Kreuz und Tod nicht passiv, sondern er ist der aktiv Handelnde. Jesus wird nicht zum Opfer gemacht, sondern er selbst gibt sein Leben hin für das Heil der Welt.

Bevor die Passion Jesu beginnt, überliefert Johannes im Rahmen des Abschiedsmahls mit der Fußwaschung lange Abschiedsreden Jesu an seinen Jüngerkreis sowie sein großes Gebet zum Vater. Für diese fünf Kapitel gibt es keine direkte Entsprechung bei Markus, Matthäus und Lukas. Sie sind Eigengut des Johannes. Sie dienen der Unterweisung der Gemeinde für die Zeit nach Jesu Tod, in der der Erhöhte durch den verheißenen Heiligen Geist in der Gemeinde weiterwirkt.


Stilmittel: Das „johannäische Missverständnis“


Insgesamt fast 60 % des Stoffes des Johannesevangeliums entfallen auf große Dialogszenen – ein typisches Merkmal des vierten Evangeliums. Denn in ihm wird ein Lernprozess der Jün­ger dargestellt. Sie sind diejenigen, die „vom Vater gehört und gelernt haben“ und zu Jesus kommen. Schon von Johannes dem Täufer hatten sie Entscheidendes gelernt, aber noch sind sie auf dem Weg zur wahren Erkenntnis, die ihnen Jesus vermittelt. Ein Stilmittel in der Er­zählkunst des Johannesevangeliums ist dabei das sogenannte „johannäische Missverständnis“. Immer wieder verstehen die Jünger Jesu seine Worte zunächst nicht oder verstehen sie falsch – auf diese Weise kommen Einwände seiner Hörer gegenüber der Botschaft Jesu ins Wort -, was Jesus dann die Gelegenheit gibt, sie über die wahre Bedeutung seiner Worte aufzuklären und seine Jünger - in einem um die Sache kreisenden, bisweilen scheinbar auf der Stelle tre­tenden Redestil – um sie noch tiefer darin zu unterweisen.

Dabei ist im Johannesevangelium immer wieder pauschal von „den Juden“ als den Gegnern Jesu die Rede. Man hat das vierte Evangelium deshalb gelegentlich als antijüdische Kampf­schrift empfunden und es für einen kirchlich unterstützten Antisemitismus verantwortlich ma­chen wollen. Aber kei­neswegs alle Juden erscheinen im Johannesevangelium als erklärte Feinde Jesu. Es gibt unter ihnen auch zahlreiche, die die Zeichen Jesu sehen und zumindest einen ersten Schritt zu seiner Anerkennung tun. Der Ausdruck „die Juden“ ist daher eher als Stilmittel zu verstehen, mit dem die gottfeindliche Welt und Gesellschaft gemeint ist und als Kontrast- oder Negativfolie gegenüber den Jüngern Jesu dient.


Selbstoffenbarung Jesu in Wort und Zeichen ist die Hauptbotschaft


Denn die zentrale Botschaft des Johannesevangeliums ist die Selbstoffenbarung Jesu in Wort und Zeichen, mit der er sich als der von Gott gesandte Sohn erweist, als Licht und Leben der Menschen, durch den die Gläubigen ewiges Leben gewinnen.

In diesem Zusammenhang sind die sieben Ich-bin-Worte Jesu von besonderer Bedeutung, die das Evangelium nach Johannes durchziehen. Gewichtige Selbstaussagen Jesu, die indirekt sein messianisches Selbstbewusstsein offenba­ren. „Ich bin das Brot des Lebens“, sagt Jesus, weil er den Menschen gibt, was sie zum Leben brauchen, wovon sie im Letzten leben. „Ich bin das Licht der Welt“, weil er Licht ins Leben von Menschen bringt, ihr manchmal düsteres Leben hell macht. „Ich bin die Tür“, weil man durch ihn ins Himmelreich gelangt. „Ich bin der gute Hirt“, sagt Jesus, der die Seinen kennt, für die er sein Leben hingibt, um sie auf die Weide des ewi­gen Lebens zu führen. „Ich bin der wahre Wein­stock“ – weil nur aus der Verbindung mit ihm seine Jün­ger Frucht bringen können. „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ – denn Jesus legt Zeugnis ab für die Wahrheit Gottes und zeigt uns damit den Weg zum wahren Leben. Und zuletzt, als Höhepunkt dieser Selbst­aussagen Jesu: „Ich bin die Auferstehung und das Leben.“ In ihm, in Jesus, ist Auferste­hung und Leben zu finden.


Wirkmächtige „Zeichen“ (Wunder) unterstreichen bei Johannes die Gottheit Christi.


Neben diesen einprägsamen, inhaltsschweren Ich-bin-Worten Jesu dienen im Johannesevan­gelium sieben wirkmäch­tige Zeichen der Selbstoffenbarung Jesu. Sie unterstreichen die Gott­heit Christi – dass er vollmächtig im Namen Gottes handelt - und offenbaren seine Herrlich­keit. „Zeichen“, so nennt das Johannesevangelium die Wunder, die Jesus wirkt. Denn sie wollen nicht einfach wie Zauberkunststücke als spektakuläre, äußere Taten die Menschen verblüffen, sondern sie zeigen, wer Jesus im In­nersten ist, was er für uns Menschen bedeutet, was wir von ihm erwarten dürfen.

Mit seinem ersten Zeichen – dem Weinwunder zu Kana – bezeugt Johannes, dass Jesus göttli­che Fülle in diese Welt bringt, dass er die Fülle des Lebens schenkt. Das ist das verbindende Motiv der sieben Zeichen Jesu: Er schenkt Heil und Leben. Als weitere Zeichen, die das be­legen, erwähnt Johannes die Heilung des Sohnes eines königlichen Beamten, die Heilung eines Mannes am Teich Betesda, der schon 38 Jahre lang krank war, die Speisung der 5000, den Seewandel Jesu und die Heilung des Blindgeborenen. Mit seinem siebten und letzten Zei­chen schließlich – der Auferweckung des Lazarus – zeigt Jesus, dass er Macht hat sogar über den Tod, und kündigt damit zugleich seine eigene Auferstehung an.

Sie ist das alles über­bietende, achte Zeichen, mit dem sich Jesus als der von Gott gesandte Heilsbringer zu erken­nen gibt, durch den die Glaubenden zum Leben finden, ewiges Leben gewinnen.

Denn dies ist das Ziel, das der Verfasser des Johannesevangeliums mit seinem literarischen Werk beabsichtigt, wie er selbst am ursprünglichen Schluss seines Evangeliums schreibt. Er will Zeugnis ablegen für Jesus als den Christus, den Messias Gottes. Eine spätere Redaktion hat dann noch das Nachtragskapitel 21 mit weiteren Erscheinungen des Auferstandenen ange­fügt. Aber so beschließt der unbekannte, ursprüngliche Verfasser selbst sein Evangelium: „Noch viele andere Zeichen hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind. Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Na­men.“

Dazu soll das Johannesevangelium dienen: Dass wir zum Glauben an Jesus Christus finden und durch ihn das Leben gewinnen.


 

3. Adventssonntag:

2022 12 11 Advent3

In unserer adventlichen Predigtreihe über die Evangelisten wollen wir uns heute dem Lukas­evangelium widmen. Auch Lukas greift für seine Jesus-Erzählung – genauso wie Matthäus – auf das ältere Markusevangelium zurück und reichert dieses durch Informationen aus weiteren Quellen an. Fast die Hälfte seines Stoffes ist Sondergut des Lukas. Während Markus zu einer christolo­gischen Lektüre einlädt – wer Jesus im Tiefsten ist – und Matthäus vor allem die Praxis der Nachfolge als Jünger Jesu akzentuiert, arbeitet Lukas den inneren Zusammenhang zwischen der Zeit Jesu und der Zeit der Kirche heraus.


Lukas‘ Konzeption: Doppelwerk aus Evangelium und Apostelgeschichte


Deshalb legt Lukas nicht nur ein Evangelium über das Leben und Wirken Jesu vor, sondern stellt diesem mit der Apostelgeschichte einen Be­richt über die Anfänge der Kirche Jesu Christi an die Seite.

Lukas legt besonderen Wert auf die heilsgeschichtlichen Zusammenhänge, in denen Jesus steht. Einerseits blickt er zurück in die Geschichte Israels, um von dort her zu verstehen, wer Jesus ist, wozu er gesandt ist und wie Gott durch ihn den Menschen das Heil bringt. Anderer­seits blickt er voraus in die Geschichte der Kirche, um so zu zeigen, welche Wirkung Jesus ausgelöst hat und woran sich die Jüngergemeinschaft für alle Zeit grund­sätzlich halten soll. Das ist die Konzeption seines Doppelwerkes aus Evangelium und Apos­telgeschichte. Dass er seiner Jesusgeschichte eine erste Kirchengeschichte zur Seite stellt, das ist die ureigene Idee des Lukas.

Sein Evangelistensymbol ist ein Stier oder Ochse – ein Opfertier also. Dies hat seinen Grund in der Kindheitsgeschichte Jesu, in der von Zacharias, dem Vater Johannes des Täufers, er­zählt wird, wie er als Priester am Tempel die täglichen Opfer darbringt, ihm dabei ein Engel erscheint und ihm die Geburt eines Sohnes ankündigt. Damit beginnt nämlich das Lukasevan­gelium.


… mit wissenschaftlichem und theologischem Anspruch


Sein Verfasser verfügt über eine umfangreiche Bildung sowohl in der jüdischen als auch in der griechischen Kultur. Er bedient sich – im Unterschied zum eher einfachen, dörflichen Stil des Markus – eines gehobenen, ja: wissenschaftlich anmutenden Schreibstils. Lukas stellt seinem Werk zudem ein Vorwort voran, in dem er für sich die Tugenden eines Historikers in An­spruch nimmt und sich als sachkundiger Biograph ausweist. Er erhebt darin einen doppelten Anspruch. Zum einen will er Geschichte schreiben, indem er alles „von Anfang an“ und „der Reihe nach“ aufschreibt – wie es im Vorwort heißt -, die Überlieferung von Augenzeugen nutzt, eigene Nachforschungen anstellt und so seine Glaubwürdigkeit belegt. Zum anderen erhebt er einen theologischen An­spruch, indem er die Geschichte Jesu als Neubeginn der Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel deutet und als heilsgeschichtliche Wende in der Weltgeschichte.

Genaueres über die Identität des Verfassers ist nicht bekannt. Die Tradition der Kirche sieht in ihm den Paulusbegleiter und Arzt namens Lukas, der in mehreren Paulusbriefen erwähnt wird. Entstanden ist das Lukasevangelium wahrscheinlich in den Jahren 80 bis 90. Gewidmet hat er sein Doppelwerk aus Evangelium und Apostelgeschichte dem „hochverehrten Theo­philus“. Es ist unsicher, ob es sich dabei um eine konkrete Person dieses Namens handelt oder um eine litera­rische Fiktion. Denn Theophilus bedeutet übersetzt „Gottesfreund“. Seine Schrift könnte da­mit einfach allen gewidmet sein, die sich als Freunde Gottes verstehen und die erfahren wollen, wie sich Gott mit der Frohen Botschaft Jesu den Menschen freundschaft­lich zuwendet.


Ausführliche Kindheitsgeschichte Jesu im Lukas-Evangelium …


Das Lukasevangelium beginnt dazu mit einer ausführlichen Kindheitsgeschichte Jesu. Indem Lukas die Geburtsgeschichten von Johannes dem Täufer und Jesus verbindet, gelingt ihm eine erzählerische Verschränkung der Zeit Israels mit dem endzeitlichen Heil in Jesus: Die end­zeitliche Königsherrschaft Gottes wächst aus der Geschichte Israels hervor. Das macht Lukas damit deutlich. Durch die Jung­frauengeburt Jesu wird dieser radikal als Gottessohn vorgestellt. Die ausführliche Kindheits­geschichte Jesu – von den anderen Evangelisten bietet nur Matthäus ein paar wenige Hin­weise dazu –, sie ist ein Proprium des Lukasevangeliums. Fast alles, was wir über die An­fänge Jesu wissen und an den Hochfesten des weihnachtlichen Festkreises gläubig feiern – die Ver­kündigung an Maria, ihr Besuch bei Elisabeth, die Geburt Jesu, die Hirten an der Krippe, die Darstellung Jesu im Tempel, der Zwölfjährige im Tempel -, alles das verdanken wir ausschließlich dem Lukas­evangelium. Ohne Lukas wüssten wir nichts darüber.


… mit einem Lobpreis Marias


Sein Evangelium erhält dadurch auch einen starken marianischen Akzent. Die Legende erklärt es sich so, dass Lukas die Gottesmutter Maria noch persönlich gekannt und diese vielen De­tails über die Anfänge Jesu direkt aus ihrem Mund erfahren habe. Lukas wird deshalb auch als der Ikonenmaler unter den Evangelisten bezeichnet. Direkt von Maria habe er auch die poeti­schen, lobpreisenden Texte, die seine Kindheitsgeschichte durchziehen, und die er deshalb im Wortlaut zitieren kann, die auch Eingang in die Liturgie der Kirche gefunden ha­ben: den Lobpreis Marias (das Magnificat also), das Benedictus aus dem Mund des Zacharias, das Glo­ria, das die Engel bei der Geburt Jesu angestimmt haben, und das Nunc dimittis des greisen Si­meon mit dem Jesuskind im Arm. Einer historischen Überprüfung hält diese Annahme aber natürlich nicht stand.


Jesu‘ Weg als Beispiel für die Eigenart christlicher Lebensführung


Im Aufbau seines Evangeliums folgt Lukas seiner Vorlage aus dem Markusevangelium und skizziert das Wirken Jesu als einen langen Weg, beginnend in Galiläa, hinauf nach Jerusalem. Anhand dieses Weges Jesu verdeutlicht Lukas die Eigenart einer christlichen Lebensführung. Die Voraussetzung für sie schafft Gott selbst, indem er den sündigen, verlorenen Menschen bedingungslos annimmt. Ein Spitzentext und Eigengut des Lukasevangeliums dazu ist sein Gleichnis vom verlorenen Sohn und vom barmherzigen Vater. Die Suche nach den Verlore­nen durch Jesus stellt Lukas in den Mittelpunkt seines Evangeliums. Und wer solches Erbar­men Gottes erfährt, ist selbst zu Barmherzigkeit und zur Liebestat an anderen verpflichtet – und zwar ohne Ansehen der Person oder Rücksichten auf religiöse oder nationale Grenzen -, wie Lukas mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter unterstreicht – auch das ein Gleichnis Jesu, das wir ausschließlich bei Lukas finden.


Der Heilige Geist – treibende, schöpferische, führende Kraft


Das Lukasevangelium kennzeichnet darüber hinaus eine starke Theologie des Heiligen Geis­tes. Der Heilige Geist ist die treibende Kraft, in der Gott seinen Plan verwirklicht, durch die Sendung Jesu die Verheißungen, die an Israel ergangen waren, im Reich Gottes zu vollenden. Der Heilige Geist ist der bestimmende Faktor der Jesusgeschichte. Jesus wird skizziert als vom Geist Gottes erfüllt. Der schöpferischen Kraft des Gottesgeistes verdankt sich seine Empfängnis und Geburt. Der Heilige Geist ist es, der Elisabeth, Zacharias, Simeon und be­sonders Maria anspornt, in ihren poetischen Gesängen, die Größe der Gnade Gottes im Jesus­geschehen zu preisen. Der Heilige Geist ist auch die Heilkraft, aus der heraus Jesus Menschen heilt. Er ist die Führungskraft, der Jesus an jene Orte führt, an denen die Entscheidung für Gott und seine Herrschaft fällt. Er ist nicht zuletzt die Kraft der Liebe Gottes, die vor allem den Notleidenden gilt und unseren Umgang miteinander prägen soll.


Lukas – Evangelist der Armen, Schwachen und Benachteiligten


Immer wieder im Verlauf seines Evangeliums macht Lukas die soziale Spannung zwischen Reichen und Armen bewusst. Wiederholt warnt er vor den Gefahren des vergänglichen Reichtums, der leicht zum Verfehlen des Lebenssinns führen kann. Er fordert einen gerech­ten Umgang mit dem Besitz. Gezielt lenkt Lukas den Blick dabei auf Bedürftige und Arme, de­nen sich Jesus bevorzugt zugewandt hat. Und er kündigt eine endzeitliche Umkehrung der un­gerechten irdischen Sozialverhältnisse im Jenseits an. Siehe das Gleichnis vom reichen Pras­ser und vom armen Lazarus – auch das ein Eigengut des Lukas. Man hat Lukas wegen dieses Zuges in seiner Jesuserzählung auch den Evangelisten der Armen, Schwachen und Kleinen genannt.


Christsein ist – nach Lukas – Weggemeinschaft mit Christus


Lukas zeigt den Christen mit seinem Evangelium aber auch, dass sie ihren Weg nicht allein gehen. In der Erzählung von den Emmausjüngern – ein weiterer Spitzentext des Lukasevan­geliums - können sie ihren eigenen Lebensweg mit Christus entdecken: Im Hören auf die Schrift und im gemeinsam gefeierten Brotbrechen – in der Eucharistie also – findet persönli­che Begegnung mit Christus statt. Christsein ist nach Lukas leben­dige Weggemeinschaft mit dem Auf­erstandenen. Aus diesem Grund heißt das Christentum in der Apostelgeschichte auch einfach: „der Weg“.

Und diese Weggemeinschaft mit Christus endet nicht mit der Himmelfahrt des irdischen Je­sus, sie setzt sich fort in der Gemeinschaft der Kirche, wie Lukas mit der Fortführung seiner Jesusgeschichte in der Apostelgeschichte deutlich macht. In der Kirche lebt Christus fort. Die Weggemeinschaft mit ihm geht weiter – bis heute.


 

2. Adventssonntag:

2022 12 04 Advent2

 

Bild des Evangelisten Lukas, das mit den Bildern der anderen Evangelisten den Altarraum der Pfarrkirche in Mitterfels schmückt. - Vergrößern durch Anklicken!

In meiner adventlichen Predigtreihe über die vier Evangelisten wollen wir heute auf Markus schauen. Sein Symbol ist der Löwe. Der Kirchenvater Hieronymus, durch den die Zuordnung der vier Gestalten aus der Vision des Propheten Ezechiel zu den vier Evangelisten All­gemeingut geworden ist in der christlichen Ikonographie, er begründet dies so: weil im Evan­ge­lium des Markus die Stimme eines brüllenden Löwen hörbar wird. Denn mit dem kraftvol­len Auftreten Johannes des Täufers, des Rufers in der Wüste, als Vorbote Jesu fängt das Mar­kusevangelium an.


Markusevangelium, das älteste der vier Evangelien, hat das Bild von Jesus entscheidend geprägt.


Das Evangelium nach Markus ist das erste und älteste der vier Evangelien. Es dürfte wohl bald nach dem Jahr 70 verfasst worden sein, denn es schaut schon auf die Zerstörung des Je­rusalemer Tempels zurück. Damit kommt ihm ein unvergleichlicher Rang in der Theologie­geschichte zu. Denn mit seiner Schrift hat der Evangelist Markus das Jesusbild der Kirche entscheidend geprägt. Was immer später von Jesus gesagt, gedacht, erzählt wird, ist entschei­dend von ihm abhängig. Markus ist quasi der Erfinder der Literaturgattung „Evangelium“. Sein Evangelium bewahrt viele Erinnerungen an die Person, das Wirken und Sterben Jesu auf. Es erfüllt zwar nicht die Erwartungen, die ein heutiger Leser an eine historische Biographie richtet - das wäre ein Anachronismus – aber ohne Markus hätte man keine Chance, sich ein halbwegs verlässliches Gesamtbild von Jesus und seinem Wirken zu machen.


Seine Sprache: einfach, aber besonders aussagekräftig


Dabei ist das Markusevangelium das kürzeste. Seine Sprache ist meist einfach - und gerade deshalb besonders aussagekräftig und eindringlich. Eine Kindheitsgeschichte Jesu kennt es nicht. Es beginnt sofort mit der Taufe durch Johannes am Jordan. Matthäus und Lukas haben das Markusevangelium gekannt und es als Vorlage verwendet für ihren eigenen Bericht über das Leben und Wirken Jesu.


Matthäus und Lukas kannten und ergänzten das Markusevangelium


Sie übernehmen große Teile aus dem Textbestand des Markus­evan­geliums und ergänzen es durch weitere, eigene Quellen. Aber auch dort, wo sie Ab­schnitte von Markus übernehmen, tragen sie bisweilen eigene Nuancen darin ein, wie einzelne Be­gebenheiten geschildert werden. Es ist daher oftmals interessant, zu vergleichen, wie die drei synoptischen Evangelien dasselbe Gleichnis Jesu oder ein bestimmtes Jesuswort jeweils überliefern. Mitunter finden sich dabei markante Unterschiede, die mit der Aussageabsicht des jeweiligen Evangelisten zu tun haben.


Markus, ein hellenistischer Judenchrist, trägt die Jesusbotschaft in die griechisch-römische Kulturwelt.


Der Verfasser des Markusevangeliums bleibt im Text selber ungenannt. Erst die altkirchliche Tradition hat ihm den Namen Markus gegeben, indem sie Elemente aus anderen Schriften des Neuen Testaments aufgreift. Demnach war Markus ein hellenistischer Judenchrist, der einer­seits als Mitarbeiter des Paulus vorgestellt wird, und andererseits von Petrus als „mein Sohn“ bezeichnet wird. Markus schlägt damit eine Brücke zwischen Petrus, der aus der jüdischen Heimat Jesu stammt, und Paulus, der die Frohe Botschaft Jesu in die Heidenwelt getragen hat. Beide sind mittlerweile als Märtyrer gestorben, so dass die wichtigsten Gestalten der ersten Chris­tengeneration, die noch unmittelbare Jesuszeugen waren, nicht mehr persönlich befragt wer­den können. Um die Authentizität des Jesus-Glaubens zu sichern und durch Verschriftli­chung vor legendarischer Ausschmückung zu schützen, dazu trägt Markus die Jesus-Erinne­rungen zusammen, die bisher mündlich oder schriftlich in Umlauf waren, und schreibt sie als ein Ganzes auf. Die Intention seines Evangeliums ist dabei die Übersetzung der Jesus­botschaft in den griechisch-römischen Kulturbereich – immer wieder muss Markus deshalb jüdische Bräuche eigens erklären – und zum Zweiten die Aktualisierung der Frohen Botschaft Jesu für eine große Umbruchssituation: dem Übergang von der Zeit der Apostel zur nach­apostolischen Zeit.


Markus Intention: Durch Erzählen von Jesu irdischem Wirken zeigen, dass dieser Sohn Gottes ist.


Mit seinem Evangelium – indem er von Jesu irdischem Wirken erzählt: von seinen Wundern und seinen Streitgesprächen, seinen Jüngerbelehrungen und Nachfolgeworten – damit will Markus erweisen, dass Jesus der Messias und Sohn Gottes ist, den Gott gesandt, ihn hingege­ben und von den Toten auferweckt und damit seine Worte und Werke, seine Gleichnisse und Lehren, seine Wunder und Zeichen bestätigt hat. Markus betreibt damit Christologie, aber nicht indem er dogmatische Formeln aufstellt oder theologische Argumente abwägt, sondern in der Form, dass er die Geschichte Jesu erzählt.


Alle Fäden laufen früh auf Jesu Erfüllung, auf sein Leiden, seinen Tod und die Auferstehung, zu.


Markus bezeugt dabei älteste Erinnerungen an die Auferweckung Jesu von den Toten, an das leere Grab und an Erscheinungen des Auferstandenen. Sehr früh laufen im Duktus seines Evangeliums alle Fäden auf die Leidensgeschichte Jesu zu. Schon zu Beginn von Kapitel drei heißt es am Ende der Erzählung von der Heilung eines Mannes mit gelähmter Hand: „Da gin­gen die Pharisäer hinaus und fassten zusammen mit den Anhängern des Herodes den Be­schluss, Jesus umzubringen.“ Mehrfach kündigt Jesus im Verlauf des Markusevangeliums selbst sein Leiden an.

Markus zeigt mit der Erzählform seines Evangeliums, dass und wie das Wirken Jesu und sein Leiden von innen heraus zusammengehören: nicht als Zufall, nicht als tragisches Schicksal, sondern als Ergebnis der Treue Jesu zu seiner Sendung. In Jesus hat die archetypische Figur des leidenden Gerechten aus der Glaubensgeschichte Israels – des „Gottesknechtes“ - seine Erfüllung gefunden. Er muss leiden, weil er in einer ungerechten Welt gerecht ist und sich für die Sache Gottes einsetzt. Und zugleich unterstreicht Markus damit, dass das Reden und Tun Jesu erst im Licht seiner Auferstehung voll und ganz zu verstehen ist.


Fünf Orte sind Eckpfeiler des Auftretens Jesu.


Die Jesus-Erzählung des Markusevangeliums vollzieht sich an fünf Orten. Sie beginnt in der Wüste und endet am Grab – an Orten des Todes also, die aber zu Orten des Lebens werden. Das sind die Eckpfeiler in der Darstellung des Markus. Zwischen diesen wird das öffentliche Auftreten Jesu erzählt als eine Karriere nach unten: der Beginn in Galiläa, wo Jesus wirk­mächtig han­delt, Menschen begeistert und um sich schart und als Wundertäter gefeiert wird; dann der Weg nach Jerusalem, der in die Entscheidung führt; und schließlich der Prozess und der Tod am Kreuz. Am Ende aber steht die Erhöhung und Bestätigung Jesu in seiner Auf­erweckung durch Gott.

Nicht zufällig spielt der Mittelteil des Markusevangeliums auf dem Weg. Denn hier - im Unterwegssein mit Jesus, im Gehen mit ihm auf seinem Weg – da wird Nachfolge gelernt. Jesus geht seinen Jüngern voraus und lehrt sie, was es heißt, sein Jünger zu sein; als einer, der sich nicht selbst in den Mittelpunkt stellt, sondern anderen dienen will. Dies sollen seine Jün­ger lernen; dafür will Jesus ihnen die Augen öffnen.


Sein programmatischer Aufruf: „Kehrt um und glaubt an das Evanelium!“


Der Ruf Jesu in seine Nachfolge ist dabei bei Markus oftmals durch ein hartes Entweder-Oder gekennzeichnet. Es ist ein Ruf in die Um­kehr. Am Anfang des Wirkens Jesu steht deshalb nach Markus der programmatische Aufruf: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ Das Ziel solcher Umkehr ist die Hinwen­dung zu Gott, der uns durch Jesus als Retter und Erlöser nahekommt. Und Umkehr führt zum Glauben. In zahl­reichen Heilungsgeschichten illustriert Markus, was Glauben bedeutet. Sie zeigen, dass man Jesus glauben, dass man ihm Vertrauen schenken kann.


Er will seinen Lesern die „Augen öffnen“…


Wer den Ruf Jesu – des Sohnes Gottes, des gottgesandten und in dessen Auferweckung von Gott bestätigten Messias – wer den Ruf Jesu annimmt und ihm folgt, wird auf diesem Weg zum wahren und erfüllten Leben finden, das will Markus mit seinem Evangelium bezeugen: zu einem Leben, das auch im Tod nicht endet, wie Markus andeutet mit dem offenen Schluss seines Evangeliums am leeren Grab; mit dem Hin­weis, dass Jesus den Seinen vorausgeht, wo sie ihn sehen werden. Dafür will Markus seinen Lesern die Augen öffnen: ... für das Geheimnis Jesu, des Sohnes Gottes, der für Gottes Herrschaft lebt und stirbt und auf diese Weise Leben eröffnet.


 

1. Adventssonntag:

2022 11 27 Advent1b

Evangelist Matthäus - Vergrößern durch Anklicken!

Die Verkündigung über Jesus - keine fromme Legende. Zum 1. Adventssonntag:

Jeweils mit dem ersten Adventssonntag beginnen wir ein neues Kirchenjahr und damit ver­bunden auch ein neues Lesejahr – diesmal ist es das Lesejahr A, durch das uns der Evangelist Matthäus begleiten wird. An den Sonntagen wird die Evangelienlesung jeweils seinem Evan­gelium entnommen sein. Das nächste Jahr ist dann Markus dran, im übernächsten Lukas. Das Johannesevangelium dagegen wird vor allem in der Oster­zeit und an Feiertagen gelesen.


Dasselbe Jesusgeschehen – aber jeder Evangelist setzt andere Schwerpunkte.


Obwohl alle vier Evangelisten über dasselbe Jesusgeschehen berichten – seine Worte und Taten; sein Leben, Sterben und Auferstehen – und obwohl vor allem in den ersten drei, den sogenannten synoptischen Evangelien – Markus, Matthäus und Lukas – längere Textpassa­gen fast wörtlich identisch sind, weil Matthäus und Lukas sie aus dem schon vorliegenden, älteren Markusevangelium übernommen haben, obwohl sie alle das eine Evangelium, die frohe Bot­schaft, die gute Nachricht Jesu Christi verkünden, so tut das doch jeder Evangelist auf seine je eigene Weise, hat jedes der vier Evangelien seinen ganz eigenen Charakter, setzt es bestimmte theologische Schwerpunkte in seiner Verkündigung und in dem Bild, das es von Jesus zeich­net. Jedes hat ein bestimmtes Hauptthema.


Vorstellung der Evangelisten in der Advent-Predigtreihe


In einer Predigtreihe an den vier Adventssonntagen möchte ich die vier Evangelisten ein we­nig vorstellen und den jeweiligen Eigenheiten ihrer Evangelien nachgehen. Die christliche Ikonographie hat die unterschiedliche Charakteristik der vier Evangelien in den vier Evangelistensymbolen eingefangen. Sie gehen zurück auf zwei prophetische Visionen: im Buch des Propheten Ezechiel und in der Offenbarung des Johannes. In unserer Mitterfelser Kirche sind sie im Altarraum zu sehen: eine Menschengestalt als Symbol für Matthäus, der Löwe für Markus, für Lukas ein Stier oder Ochse, und der Adler für Johannes.

2022 11 27 Attribute Evangelisten Karolingischer Buchmaler um 820

Attribute der Evangelisten, Karolingischer Buchmaler um 820 (Yorck-Projekt, wikimedia gemeinfrei) - Oben: Matthäus (links), Johannes - unten: Markus (links), Lukas - Vergrößern durch Anklicken


Matthäus-Evangelium: das längste mit einer großen Wirkungsgeschichte


Beginnen wir also mit Matthäus, der uns die kommenden Monate begleiten wird. Es ist das längste der vier Evangelien. Zugleich ist es das am häufigsten gelesene in der alten Kirche. Kein Text des Neuen Testaments ist häufiger ausgelegt und gepredigt worden. So hat das Matthäusevangelium eine große Wirkungsgeschichte gezeigt auf das kirchliche Leben: etwa bei der Entwicklung der evangelischen Räte – Armut, Ehelosigkeit, Gehorsam - für das Or­densleben oder mit seinem großen missionarischen Impuls: „Geht hinaus in alle Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“

Das Evangelistensymbol des Matthäus ist ein Mensch. Denn ganz menschlich beginnt er sein Evangelium: mit dem Stammbaum Jesu. Damit zeigt er: Die Verkündigung über Jesus ist keine fromme Le­gende.


… verankert zwar im jüdischen Umfeld, aber mit scharfer Kritik Jesu an den Pharisäern


Nein, das Jesusgeschehen lässt sich historisch einordnen, ist Teil der langen Ge­schichte Israels mit seinem Gott. Darin ist Matthäus tief verwurzelt. Sein Evange­lium ist ein ausgesprochen judenchristliches Evangelium. Er ist sehr gut vertraut mit der jüdi­schen Bibel – dem Alten Testament also – und mit dem jüdischen Lebensumfeld und seinen Traditionen und Gepflogenheiten. Immer wieder schimmert das bei Matthäus durch. Die Kehrseite dieser Verankerung in alttestamentlich jüdi­scher Theolo­gie ist eine scharfe Kritik Jesu am pharisäisch geprägten Judentum seiner Zeit. In Orientie­rung am jüdischen Gesetz einerseits, aber auch in harter Auseinandersetzung Jesu mit dessen Auslegung durch die Pha­risäer legt Matthäus dar, was christliche Gerechtigkeit ist. Der Leitgedanke des Matthäus da­bei ist: Jesus, der Sohn Gottes, er verwirklicht die Gerechtigkeit Gottes.


… mit der Intention: Jesus erlöst sein Volk von den Sünden – wie es die Propheten verkündet hatten


Matthäus schreibt sein Evangelium in den Jahren zwischen 80 und 90 unserer Zeitrechnung, gut zehn Jahre, nachdem der Tempel in Jerusalem – das zentrale Symbol des Judentums – zerstört worden war, was zu einer großen Erschütterung innerhalb des jüdischen Glaubens geführt hatte. Mit seinem Evangelium will Matthäus aufweisen, dass Jesus die Erfüllung aller Verheißungen ist, die an Israel ergangen waren. Jesus wird deshalb von Matthäus als „Sohn Abrahams und Sohn Davids“ vorgestellt. Er ist der – wie es bei Matthäus heißt -, der „sein Volk von seinen Sünden erlöst.“ Gleichzeitig ist er der „Immanuel“, der „Gott mit uns“. Mehrfach erwähnt Matthäus deshalb ausdrücklich, dies oder das im Leben Jesu sei geschehen „gemäß der Schrift“ oder dass sich auf diese Weise erfüllte, „was beim Propheten (Jesaja) geschrieben steht.“ In Jesus ist Gottes Heil verwirklicht, das die Propheten verkündet hatten. In Jesus kommt das Wort der Schrift zur Fülle, ja: zur Er-füllung. Das will Matthäus auf­weisen.


… die Grundbotschaft: Mit Jesus Christus ist die Königsherrschaft Gottes angebrochen.


Unter den Evangelisten ist Matthäus sozusagen der Lehrer. In großen einprägsamen Reden Jesu – wie zum Beispiel der Bergpredigt oder seiner großen Rede vom Weltgericht – trägt Matthäus die Grundbotschaft seines Evangeliums vor: die Frohe Botschaft von der Königs­herrschaft Got­tes, die in Jesus Christus angebrochen ist.


… Inhalt: Jesu Kindheitsgeschichte, sein Reden und Wirken, sein Leiden, Tod und Auferstehung


Nach einem kurzen einführenden Teil mit der Kindheitsgeschichte – die Episode mit den Sterndeutern an der Krippe bietet dabei nur er -, mit dem Auftreten Johannes des Täufers, der Taufe Jesu und seiner Versuchung in der Wüste, nach dieser Einführung entfaltet Matthäus im Hauptteil seines Evangeliums breit das Reden und Wirken Jesu. Mit der Erzählung vom Lei­den, vom Tod und von der Auferstehung Jesu beschließt er dann sein Evangelium. Jesu Auf­erweckung durch Gott bestätigt ihn als den gottgesand­ten Messias. Als Auferstandener wird er zur Herrschaft über die ganze Schöpfung ermächtigt. Als solcher vermittelt er uns Gottes Heil, wenn wir ihm mit unserem Leben folgen. Das bezeugt uns Matthäus mit seiner Schrift.


… das große Thema: Nachfolge Christi – ein herausfordernder Weg


Denn das große Thema des Matthäus – wie auch von Markus und Lukas - ist die Nachfolge Christi. Er will mit seinem Evangelium darlegen, wie Jesus-Nachfolge in nachösterlicher Zeit aussehen kann. Was kennzeichnet konsequentes Christsein? Als seine Besonderheit arbeitet Matthäus dabei eine Spannung heraus, die das Thema „Nachfolge Jesu“ bei ihm kennzeich­net. Er weiß einerseits um den Kleinglauben der Jünger, die sich zwar ganz auf Jesus einlas­sen wollen, aber es mit doch immer wieder mit der Angst zu tun bekommen, wenn sie auf ihren eigenen Weg schauen. Er weiß aber auch, dass Jesus sie hält, wenn sie dann nach ihm rufen. Ande­rerseits will er im Wissen um diese Schwäche der Jünger die Ansprüche Jesu dennoch nicht herunter­schrauben, denn es gilt für Matthäus, als Jünger Jesu den Willen Got­tes zu erfüllen. Nach­folge Jesu bleibt deshalb ein herausfordernder Weg.


… Aufzeigen konkreter Lebenspraxis am Beispiel von Gleichnissen


Wie lässt sich christlicher Glaube dann leben? Dazu bietet Matthäus uns eine große Zahl von Gleichnissen Jesu, die auf die konkrete Lebens- und Glaubenspraxis zielen. Ein besonderes Merkmal des Matthäus dabei liegt in der großen Anschaulichkeit seiner Darstel­lung. So will der Evangelist eindrücklich und einladend zur Lebensnachfolge Jesu in der Gemeinschaft der Christen anspornen.

Mit seinem Evangelium liefert Matthäus sozusagen ein Handbuch des Christseins in Form einer Jesuserzählung. In dieses Handbuch wollen wir uns im kommenden Lesejahr Sonntag für Sonntag vertiefen.

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