Der Blutstuhl von Höfling

Erstveröffentlichung: Straubinger Tagblatt um 1953

Westlich von Mitterfels senkt sich vom Moosmüller eine tiefe Geländefurche, wie eine grüne Backmulde, gegen Höfling zu. In ihrem Grunde brechen die vier Quellen aus, welche die Leute von Höfling seit je mit Wasser beliefern. Einige hundert Schritte aufwärts von diesem Quellgebiet steht ein Fallgatter, das in einen schmalen Streifen Weideland führt. Ein Kleeacker grenzte rechter Hand daran, als ich vor einigen Jahren mit dem Höflingbauern, Herrn Kartmann, dort herumstieg. Von diesem Gatter noch etwa zwanzig Meter aufwärts, gegen den Moosmüller zu, blieb der Bauer stehn.

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 Uraufnahmekarte von 1828 (ausschnitt_NO04035_1828) - Am linken oberen Rand der Karte Höfling

Hier war sie, die einstige Mitterfelser Richtstätte. Der Bauer konnte sich noch wohl erinnern, dass hier einmal eine flache Mulde von gut vier Metern im Durchmesser war. Er selbst ließ sie zuschütten und auffüllen, da die Fahrzeuge - noch dazu im Hang - schwer über die Stelle wegkamen.

In dieser Mulde stand der Blutstuhl, der seit Jahrhunderten zu Hinrichtungen diente. Nach Art der Bauernmöbel war er mit bunten Blumen bemalt; doch nicht aus der menschlichen Freude an Farben. Das Grellrot der Blumen sollte vorbeugend das grässliche Blutgeschmier der Exekution verdecken und vertuschen. Runde feste Füße gingen in vierkantige über. So stand der derbe Stuhl im Höflinganwesen. Manchmal jahrelang, bis dann die Schergen des Mitterfelser Pflegeamts ihn holten und die wenigen hundert Schritte zur Blutmulde hinauftrugen, wo an solchen Tagen Tausende von Menschen, Kopf an Kopf, sich drängten zu dem blutigen Drama.

Wo heute nach rechts, gegen Süden, weite Felder sich ausdehnen, stand noch zu Zeiten des alten Höflingbauern, der 1918 starb, hoher Fichtenwald. Bis auf zwanzig Meter schob er sich an die Richtstätte heran, und die Bauernbuben der in der Nähe liegenden Höfe stiegen auf die Bäume am Waldrand, wenn sie über die dicht gedrängt stehenden Erwachsenen hinwegsehen und das Schauspiel miterleben wollten.

Zwölf Hinrichtungen sind in den Mitterfelser Pfarrbüchern eingetragen. Eine der erregensten war wohl die des Konzeller Schullehrers Dominikus Hahn, der seine Frau erwürgen ließ und dafür am 13. August 1847 an dieser Stelle mit dem Schwerte hingerichtet wurde.

Der Blutstuhl blieb im Höflinger- Anwesen, lange nachdem das Blutgericht in Mitterfels aufgehoben wurde. Als Niebler und Seefried nach dem Ersten Weltkrieg das Heimatmuseum des Landkreises einrichteten und überall nach Schaustücken fahndeten, schenkte der Höflingbauer den Marterstuhl nach Bogen. Von dort verschwand er nach 1945.

Quelle: Max Lachner, in: Mitterfelser Magazin 7/2001, Seite 19


 

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