Kalenderblatt 2. August 1936: Einweihung des Mitterfelser Waldbades

Kalenderblatt 2. August 1936: Einweihung des Mitterfelser Waldbades

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Aufnahme vom Tag der Waldbadeinweihung am 2. August 1936 (Photoanstalt Arthur Erdt Nürnberg, Sammlung Otmar Kernbichl, Mitterfels)

Am 2. August 1936 wurde in Mitterfels das Waldbad im Perlbachtal eingeweiht. Es war weit und breit das einzige Schwimmbad. Selbst die Straubinger mussten damals noch in ihrem Flussbad in der Donau schwimmen. So wurde das Mitterfelser Waldbad schnell zu einem Ausflugsziel auch für die Straubinger. Vom Bahnhof Mitterfels war man ja in 10 Minuten beim Schwimmbad im Perlbachtal.

 

Das Waldbad

00 a ehrenbuerger joseph obermayer1934 verschlugen die Zeitläufte den Verwalter des Memminger Landgerichtsgefängnisses Joseph Obermayer in die kleine Welt des Mitterfelser Gerichts. Schnell hatte er sich mit der neuen Umgebung angefreundet. Burggraben, Schlossberg und Perlbachtal, alles direkt vor seiner Haustüre, bewogen ihn, mit seinen Gefangenen die dortigen Spazierwege instand zu setzen und auszubauen. Da kam ihm der Gedanke, für Mitterfels auf gleiche Weise auch ein Schwimmbad zu erstellen. Als schönster Platz bot sich die Freifläche neben dem Steinbruch an, wo man ein Jahr zuvor das Material für die neue Steinburger Straße gewonnen hatte.

Bei der 1. Mai-Feier 1935 bei Moosmüller rückte er mit seinem Plan heraus. Das Angebot unentgeltlicher Arbeitskräfte gab es kein zweites Mal, und so fand er Zustimmung und Unterstützung bei Gemeinde und Verschönerungsverein.

Wie es dann weiterging, das hat uns Obermayer am 19. 9. 1980 selbst erzählt. Als er von unserem Vorhaben erfuhr [nämlich „Bilder erinnern“ mit dem Thema „Waldbad“ in Buchform herauszugeben – Red.], kam er, der 88-Jährige, eigens von Memmingen nach Mitterfels gereist. Es war eine Freude, ihm bei seinen Erinnerungen zuzuhören. Bereits ein Vierteljahr danach, am 6. 1. 1981, ist er verstorben.

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Die Arbeiten begannen im Juli 1935, noch ohne Plan und Genehmigung. Vier bis sechsGefangene, Leute mit meist kleinen landläufigen Delikten, standen täglich zur Verfügung. An den Wochenenden fanden sich zahlreich freiwillige Helfer ein. Die meisten aus Obermayers Erinnerungen sind schon nicht mehr am Leben: sein Chef, Oberamtsrichter Dr. Kelber (dessen Ausspruch: „Heute bin ich Ihr Untertellter“ ), Notar Dr. Dr. Dr. Bott, Kommissär Fuchs und Förster Mehling, Pronold Karl und Stiegler Edi, Rappl Karl und der Schneider Vierthaler, Kißl Paul und Attenberger Karl, Wörgetter Sepp und Stolz Franz, Hirtreiter Otto und Irlbeck Max als Sprengmeister.

Kißl Eugen zimmerte auf eigene Kosten die schönte Badehütte zusammen. (Sie wurde nach dem Krieg von freiwilligen Helfern als Ganzes neben den Bach transportiert, wo sie dann der Wasserwacht zur Verfügung stand. Die neue Badehütte wurde vom Banater Professor Mihailowitsch in vielwöchiger Arbeit unentgeltlich ausgestattet. Den Dachstuhl zimmerte - umsonst - Kißl Eugen.)

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Die schöne Blockhütte wurde 1936 von Eugen Kißl gebaut. Der Bademeister Otto Hirtreiter wartet auf seine Gäste. (Bilder erinnern, Verlag Stolz, Mitterfels, 1983)

Dass unserem braven Obermayer einmal ein Gefangener in die Wälder verschwand, soll auch nicht vergessen sein. Von den drei Mann, die er zum Sandholen schickte, kehrten nur noch zweizurück. Ein ernsthaftes Ermittlungsverfahren setzte ein. Aber das Ganze wurde dann mit Lageskizze und dramatischer Darstellung „hingekriegt“: der Entlaufene habe ein Spaziergängerpaar als Deckmantel genutzt, so dass er, Obermayer, nicht habe schießen können.

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1936 war das Bad fertig. Sogar ein Eigenbau-3 m-Brett gehörte dazu. Es stand die schöne Blockhütte, mit Tischen und Bänken davor. Ein Steg führte hinüber zur gefassten Trinkquelle. Am 2. August war Einweihung, mit Ausschank und Blaskapelle Grimm, mit abendlichem Lampionfest und Feuerwerk (trotz Walde!). Zuletzt zog ein großer Lampion-Mond seine Bahn von der höchsten Tannenspitze jenseits bis zu den oberen Felsen des Steinbruchs.

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Waldschwimmbad Mitterfels im Jahr der Einweihung 1936 (Verlag Hans Stolz, Mitterfels - Sammlung Christl Jakob Mitterfels)

Auch ein Bademeister ward bestellt: der Hirtreiter Otto. Jeder weiß, mit welcher Hingabe er sich um Pflanzung, Sauberhaltung und Verbesserung bemühte. Dass er als Bademeister selber nicht schwimmen konnte, brauchte ja nicht jeder zu wissen. Geahnt hätte es keiner, der ihn in seiner lederbraunen Haut sitzen sah.

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Waldbad in den Anfangsjahren mit Bademeister Otto Hirtreiter ((Bilder erinnern, Verlag Stolz, Mitterfels, 1983)

Das Waldbad wurde schnell ein beliebtes Ausflugsziel. Das mitunter recht kalte Wasser nahm man in Kauf; die einmalig schöne Lage im Perlbachtal machte alles wett. Außerdem gab es weitum kein Freibad dieser Art. Selbst die Straubinger waren damals noch auf ihr Flussbad in der Donau angewiesen.

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Mitterfelser Waldschwimmbad um 1954 (Aufnahme und Verlag Foto-Eiglsperger, Mitterfels - Sammlung Christl Jakob, Mitterfels)

Obermayer verließ bereits 1937 Mitterfels; er wechselte an das Gerichtsgefängnis Kötzting. Bei seinem Abschied am 26. Oktober überraschte ihn Bürgermeister Hafner mit der Ernennung zum Ehrenbürger.

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Ansichtskarte "Luftkurort Mitterfels/Bayer. Wald - Waldschwimmbad im Perlbachtal" von 1960 ((Aufnahme und Verlag Foto-Eiglsperger, Mitterfels - Sammlung Christl Jakob, Mitterfels)

 

… und Baden in der Zeit „vor dem Waldbad“

Volle 36 Jahre erfüllte das Waldbad seinen Zweck. 1972 wurde es nach Fertigstellung des neuen Panoramabades aufgegeben.

Das Ganze wäre unvollständig ohne ein Zurückschauen auf die Zeit davor. Den Mitterfelser Kindern genügte die kleine Bachschwelle unterhalb des Teufelsfelsens, um das „Hundeln“und Tauchen zu erlernen. Zum Schwimmen aber ging es in die „Goaßreibm“.

Die Scheibelsgruber Buben hatten sich an den Bachwiesen passende Dümpfel“ausgesucht, gleich neben den Heu-Furten. Nur sahen es die Wiesenbesitzer gar nicht gern, wenn ihnen das Gras vertreten wurde. Sah einer den Wolf von Kreuzkirchen daherkommen, dann Strohhut auf, Hose undHemd untern Arm und davongerannt (obwohl er ihnen bestimmt nichts getan hätte). Die Goham Marie vertrieb die Buben auf andere Art: in einem Holzschaffl zerschlug sie mit dem „Stoßeisen“ alte Flaschen und warf die spitzigen Scherben in das „Dümpfel“neben ihrer Bachwiese.

Nach Verlassen des Wassers galt die Gesundheitsregel, sofort den Hut aufzusetzen, um kein Kopfweh zu bekommen. Und wer noch wissen möchte, wie einmal die hochgehenden Wasser den W. Sepp abgetrieben und unter die Erlenstöcke gerissen haben, und wie ihn sein jüngerer Bruder Xaver als einziger Schwimmer der Gruppe herausgeholt hat, der möge sich‘s vom Gürster Hans erzählen lassen. [Kurz nach Drucklegung von „Bilder erinnern“ verunglückte der Gürster Hans am 10. Dezember 1983. Franz Wartner, Autor und Herausgeber, konnte diese letzten Zeilen nicht mehr ändern. – Red.]

Quelle: Franz Wartner, in: „Bilder erinnern“ (Druck und Verlag Franz Stolz, Mitterfels, 1983 – vergriffen)

 

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