Rückblick: Gedenken an abgestürzte US-Bomber-Flieger bei Haselbach - 2. Teil

absturz allen honey detAbb.: Einer der überlebenden US-Soldaten: Allen Honey

Rückblick: Versöhnung über den Gräbern - Offizielle deutsch-amerikanische Begegnung bei Haselbach

Der US-Außenminister besucht Deutschland, Präsident Obama spricht zu den Berlinern, jetzt kommt auch noch eine Delegation US-Amerikaner in den Bayerischen Wald. Am Samstag, 13. Juli, laden - stellvertretend für den Heimat- und Wanderverein und die US-Familie Popey - die Gemeinde und die Pfarrei Haselbach die gesamte Bevölkerung zur Segnung eines schlichten Gedenksteins in Unterholzen bei Haselbach ein.

Zu dem Festakt werden auch Ehrentruppen der US-Army und der der Bundeswehr sowie Abordnungen der Feuerwehr und der Krieger- und Soldaten-Kameradschaft (KuSK) Haselbach erscheinen.
Das Ereignis wird in Erinnerung rufen, dass am 16. Februar 1945 ein viermotoriger US-Bomber B-24 Liberator über den idyllischen Gefilden des Bayerischen Waldes abstürzte und sieben der neun Besatzungsmitglieder in den Tod riss. Die Begegnung vereint frühere Gegner zu einem gemeinsamen Gedenken und bewirkt, dass das gegenseitige Verständnis und die Empathie wachsen, die die Voraussetzung für Fairness und Frieden sind.
Wie hat sich das dramatische Kriegsereignis in der Erinnerung von Zeitzeugen festgesetzt? Sigurd Gall, Mitterfels, Xaver Fundeis, Unterholzen, Franz Melzer, Kötzting, Hilde Schreiner, geborene Melzer, Mitterfels, und Josef Schmid, Schwarzendachsberg, haben darüber berichtet und ihre Beobachtungen sind schriftlich oder tontechnisch festgehalten. Aus amerikanischer Perspektive haben Gerry Brown, Tracy Popey, Dr. Richard P. Lyon, Anne Honey Richmond und Ed Sherwood ihre Kenntnisse per E-Mail dargelegt.

Der Augenschein des abstürzenden Bombers
Schmid hatte als 15-jähriger Bub bei Waldarbeiten nahe seines Elternhauses schwere Detonationen aus Richtung Regensburg registriert, am Himmel US-Bomber-Kampfverbände in Begleitung von Jägern über Haselbach fliegen gesehen. Mit seinem Vater und einem Bruder ging er ängstlich in Deckung, dann erlebte er den plötzlichen Absturz als eindrucksvolles tragisches Schauspiel.

absturz b-24
Die Bomberpulks von je neun bis zwölf Flugzeugen in V-Formation erlebte auch der Schulbub Sigurd Gall in Mitterfels an dem herrlichen Vorfrühlingstag mit blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein. Er erzählte, dass die Fensterscheiben der Mitterfelser Schule erzitterten, ein dumpfes Grollen (aus Richtung Regensburg) und dann das Dröhnen einer Vielzahl von Bombermotoren an sein Ohr drang. Die Buben zählten die Flugzeuge am Himmel, die Mädchen beteten. "Immer neue Bomberstaffeln flogen aus westlicher Richtung dem Dachsberger Höhenzug zu, auf einmal bemerkten wir bei einem Bomber eine Rauchfahne." Es folgte ein dumpfes Krachen, "der brennende Bomber war explodiert und trudelte spiralförmig dem Erdboden entgegen".
Josef Schmid registrierte, wie das brennende Flugzeug kreisend an Höhe verlor. Die Motoren brummten immer wieder auf, man sah Teile und Trümmer herunterstürzen, ein herabfallendes "glitzerndes und funkelndes" Aluminiumteil streifte den Schulranzen des Klassenkameraden (Sigurd Gall), hätte ihn verwunden können. Zur gleichen Zeit stellte Xaver Fundeis fest, dass Blindgänger herabfielen, die später von Strafgefangenen ausgegraben, entschärft und abtransportiert worden seien. Beim Draxler (Stelzl) habe "das Flugzeug die letzte Bombe verloren", die explodierte, der Trichter und die Einschläge seien noch lange in Feld und Wald zu sehen gewesen, die Splitter hinterließen Löcher in den Wänden (Franz Melzer).

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Air-Force-Jäger begleiteten das rauchende Flugzeug
Schnelle Jäger der Air Force Jäger begleiteten schützend das rauchende Flugzeug während des Absturzes, erinnert sich Xaver Fundeis. Auch Josef Schmid sah einen umherstreifenden Tiefflieger. Am Fallschirm schwebend beobachtete das Bordschütze Allen Honey, er habe "im Schutze von drei P-51-Mustangs, die sehr niedrig flogen, seinen Fallschirm manövrieren können, bevor er mit dem Fallschirm in einem Baum landete.
Allen Honey und dem Bordmechaniker Owrie V. Brown war es als einzigen der neun Besatzungsmitglieder gelungen, mit dem Fallschirm zu Boden zu schwebend gerettet zu werden. Sein Fallschirm ging in Maisenthal nieder, verfing sich im Geäst eines Baumes, wo der Air-Force-Mann sich Verletzungen zuzog. Er schleppte sich zum Hause Zollner, wo "sich der Feind das Blut aus dem Gesicht wusch. Man setzte ihm eine Schüssel mit Milch vor, die er dankbar annahm und austrank" (Sigurd Gall). Einem anwesenden Volkssturmmann ergab er sich mit erhobenen Händen, deutete auf seine Pistole in der Seitentasche, die ihm der Volkssturmmann aber nicht abnahm. Der Gendarm Fuchs geleitete den gefangenen US-Amerikaner durch Mitterfels zum Gefängnis und viele Bewohner sahen zum ersten Mal in ihrem Leben einen "Ami". Nach seiner Befreiung aus dem Gefangenenlager diente Honey weiter bei der US Air Force, forschte nach dem Verbleib seiner Kollegen von der Fliegerbesatzung, suchte dazu öfter die Gegend von Haselbach auf.
Die Landung des zweiten Fallschirmabspringers blieb bis zum Abend des 16. Februar unentdeckt. In Schwarzendachsberg ging gegen halb sechs Uhr abends der Bruder von Josef Schmid ("Haus-Sepp") in die Scheune, um Heu zu holen, fand zu seinem Schrecken einen Fallschirm im Heustadel, vermutete, dass dessen Besitzer sich in der Scheune versteckt hielt und stürzte er sofort hinaus. Ein Volkssturmmann leuchtete danach in alle Ecken des Stadels, entdeckte aber keinen US-Flieger. Der war auf dem Ziegeldach der Scheune gelandet, hatte sich auf den Heuhaufen darunter fallen lassen, war unentdeckt entwischt. Nach seiner späteren Schilderung schlug er sich bis Neukirchen durch, wo er in Gefangenschaft geriet.
Den Fallschirm aus wertvoller Seide, der so unverhofft in ihr Haus gelangt war, wollte die Mutter des Josef Schmid für das Brautkleid ihrer Tochter aufheben, doch die Leute vom Fliegerhorst Straubing und vom Kommissariat Mitterfels nahmen ihn mitsamt einem erbeuteten Seesack mit.
Während die zwei Überlebenden sicher zu Boden schwebten, ging der brennende B-24-Bomber auf einer Wiese in Unterholzen 1 nieder. "Den ganzen Nachmittag stieg über dem Dachsberg Rauch empor" (S. Gall). Vom Waldrand her beobachtete Josef Schmid das Wrack. Es stand in Flammen, in der Hitze explodierte laufend Bordmunition und es dauerte lange, bis man sich der Unglücksstelle zu nahen getraute.
Der Unterteil des Bombers war zusammengestaucht, die Plexiglaskanzel eingedrückt. Rumpf und Tragflächen waren schwarz angekohlt und ein Motor mit Propeller fehlte. Der Flugzeugkörper war waagrecht auf dem Boden aufgeschlagen, was mehr einer Bruchlandung als einem Absturz glich und eine mögliche Steuerung durch die Piloten nahe legen könnte. Vielleicht hatte erst der Aufprall und das folgende Flammenmeer des reichlich vorhandenen Treibstoffvorrates die zwei Piloten und den dahinter sitzenden Funker (radio operator) dem Verbrennungstod überantwortet.
Die bedauernswerten drei jungen US-Männer waren der Pilot 2nd Lt. William B. Lyon, der Co-Pilot 2nd Lt. William D. Wine, und der Radio Operator S. Sgt. Charles/Carlos A. Mangan. Josef Schmid erinnert sich an die nicht verstümmelten, aber kohlschwarzen, geschrumpften Pilotenkörper, die in ihren Sesseln saßen. An einem der schwarzen Finger hatte die Hitze einen Goldring aufgeschmolzen. Franz Melzer fiel auf, dass "ein Arm nicht verbrannt, die Armbanduhr noch ganz" war. Die Absturzstelle mit dem Wrack wurde bald darauf vom Volkssturm und einigen Kriegsgefangenen abgesperrt.

Vier Crew-Mitglieder sprangen in den Tod
Die Rauchwolke des brennenden Flugzeugs war weithin sichtbar, Neugierige aus Haselbach, Mitterfels, Elisabethszell und anderen Orten strömten herbei, gingen querfeldein, stießen auf herabgefallene Flugzeugtrümmer, auf abgestürzte tote Besatzungsmitglieder. Josef Schmid nahm die vier bedauernswerten Opfer in Augenschein, die im Umkreis von 200 Meter von der Absturzstelle den Tod gefunden hatten. Sie hatten das Fallschirmgeschirr umgeschnallt, aber keine Fallschirme dran.

Toter saß neben Fichte, als ob er schliefe
Möglicherweise hatten diese noch an Bord des brennenden Flugzeugs Feuer gefangen, sodass die vier Besatzungsmitglieder im freien Fall in den Tod stürzten. Der Tote mit Namen "David Busch" auf seiner Erkennungsmarke (Hilde Melzer-Schreiner) saß am Waldboden an einen Baumstamm gelehnt zwischen Schwarzendachsberg und dem Melzerhaus. Sein Kopf war auf die Brust gesunken, man konnte glauben, der Mann schliefe (Josef Schmid). Er war wohl durch die Äste einer Fichte gerauscht, die den Fall abbremsten, hatte sich aber innere Verletzungen zugezogen. Das Glas seiner Uhr war zerbrochen, das Werk tickte noch und zeigte auf 15.30. (Die für die englische Orthographie ungewöhnliche Schreibweise seines Namens - "Busch", englisch "Bush" - lässt auf deutsche Familienwurzeln schließen.
Zwei weitere Tote, - nach der Bordliste der Navigator 2nd Lt. Leslie Peyton Turner und einer der "gunner" (Raymond J. Collins oder Herbert W. Gatling) waren übel zugerichtet. Der eine war mit dem Kopf voraus an einem Baumstumpf aufgeschlagen, sein Kopf zertrümmert, der andere im Leiderholz beim Listl (Lorenz) musste zwischen nahe beieinander stehenden Bäumen aufrecht niedergegangen sein, hatte zwischen den Beinen Äste mitgerissen. In der Jacke des loten steckten eine Pistole, Kaugummi, Schokolade und Zigaretten (Hilde Melzer-Schreiner).
Ein vierter zu Tode Gestürzter war beim Pellkofer in Unterwiesing in einem sumpfigen Abschnitt gefunden worden mit seinem MG zusammengegurtet und voll Öl im Gesicht. Die toten Amerikaner (drei verbrannt in der Flugzeugkanzel, vier tödlich abgestürzt) erhielten bald einen Wachposten. "Wir haben die nicht anrühren dürfen, der Kommissär Fuchs von Mitterfels ist als erster gekommen, ... Auf seine Weisung dürften sie eingesammelt worden sein." (Josef Schmid)
Die toten Amerikaner wurden im Friedhof Haselbach in einem Sammelgrab beerdigt und nach dem Ende des Krieges exhumiert. Aus eigenem Antrieb errichtete Alfons Deser ein Gedenkkreuz für die so jung zu Tode gekommenen Männer, das zum Anlass der bevorstehenden Gedenkfeier wird. Angehörige der Verunglückten und eine offizielle US-Repräsentanz der Air Force werden der Einweihung beiwohnen und eine Dankesurkunde an die Bevölkerung von Haselbach überreichen.

absturz owrie v brown



Eine ausführliche wissenschaftlich-historische Studie über die Umstände und manche rätselhaft gebliebenen Widersprüche dieses Flugzeugunglücks wurde in den Ausgaben 19 und 20 des "Mitterfelser Magazins" veröffentlicht.


Auswahl an Quellen/Literatur:
Battle Casualty Report -783rd BS/ 465Th G (H)/16. February 194.; Befragungen der Zeitzeugen Alfons Deser, Xaver Fundeis, Sigurd Gall, Franz Melzer, Josef Schmid, Hilde Schreiner; E-Mail-Informationen aus den USA von Gerry Brown, Tracy Popey, Dr. Richard P. Lyon, Anne Honey Richmond, Ed Sherwood; Erwert, Helmut: Feuersturm, Zigarettenwährung und Demokratie, Attenkofer-Verlag Straubing, 1997; Narrative Mission Reportl16. February 1945 - Headquarters 465th Bombardment Group; Schmoll, Peter: Luftangriff - Regensburg und die Messerschmittwerke im Fadenkreuz 1939-1945, Regensburg 1995.